PURCHASED FOR THE
L/NIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
FROM THE
C AN ADA COUNCIL SPECIAL GRANT
FOR
HISTORI OF iKC
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DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE
FÜR MODERNE MALEREI
PLASTIK • ARCHITEKTUR
WOHNUNGS-KUNST UND
KÜNSTLERISCHE FRAUEN-
ARBEITEN
MLEXW^iaEIBKOCHl
DARMSTADT
VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH
^ 1^ ^ts)Ldu
DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
HERAUSGEGEBEN UND REDIGIERT
VON
HOFRAT ALEXANDER KOCH
BAND XXIV
APRIL 1909 -SEPTEMBER 1909.
'x'd^^R
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
JOH. CONR. HERBERT'sCHE HOFBUCHDRUCKEREI NACHF. DR. ADOLF KOCH, DARMSTADT.
/
LUDWIG V. HOFMANN.
GEMÄLDE: •SOMMERWIESE«.
l'KOKRSSOR I.UDWMO V. HOFMANN.
iSchwäriiiende Miinaden
LUDWIG V. HOFMANN-WEIMAR.
^eit hundert Jahren gelien in der deutschen
1^ Malerei zwei Haujitströmungen neben-
einander her: das Streben nach Wahrheit und
die Sehnsucht nach einer fernen Schönheits-
welt. Bis zum Knde des achtzehnten Jahr-
hunderts kennt die deutsche Kunst solche
Scheidungen nicht. Die solide Tradition des
l'arbenhandwerks Ijestimmtc damals in gleicher
Weise die .\rbeit aller derer, die sich ihm
widmen; Phantasie und Wirklichkeit fließen
in der Zopf- und Rokoko-Epoche ohne feste
Clrenzen durcheinander. .\ber in dem Augen-
blick, da der Klassizismus auftritt, trennen
sich die Wege. Und während die Einen
ehrlichen Sinnes die Überlieferung fortführen
und auf eine Bereicherung und Verfeinerung
der malerischen Mittel zur Wiedergabe der
Xatur hinarbeiten, suchen die Andern auf
direktem Wege in eine Kunstwelt zu gelangen,
die eine unwirkliche, dem Alltag entrückte,
gesteigerte Existenz zum Inhalt hat. Neben-
einander stehen zu Beginn des neunzehnten
Jahrhunderts dort die redlichen Meister in
.München, Berlin, Wien, Hamburg, die erst
die Jahrhundert-.-\usstellung aus langer Ver-
gessenheit wieder lebendig machte ; hier die
.Meister des Cartonstils, die, den wiederauf-
genommenen oder vermeintlichen Lehren des
Altertums folgend, aus dem Leben der Gegen-
wart und der modernen Umgebung in ein
neues (Iriechenland oder in verkhmgene
romantische Epochen flüchteten. Von vorn-
herein drückt sich diese Trennung technisch
genommen darin aus, daß die Realisten ihre
Arbeit mehr der Farbe und dem Studium
des Lichts, die Phantasten mehr di^r Linie
und dem Studium der Form widmen. Und
geographisch genommen ist der Kontrast
dadurch erkennbar, daß jene im deutschen
Lande bleiben, wahrend die andern ihre wahre
Heimat in der ewigen Stadt Rom erblicken.
.Vuch in Rom selbst platzten die Gegensätze
gelegentlich aufeinander, wenn etwa der
Berliner Martin Rohdcn den Wasserfall von
Tivoli wie ein rechter Vorläufer des modernen
Imjjressionismus malte, ganz auf Licht und
Luft und Ton und Farbenspiel hin, während
zu gleicher Zeit Joseph Anton Koch Motive
derselben Art zu heroischen Landschaften ver-
arbeitete, die völlig auf Raumwirkung auf-
gebaut waren. In den fünfziger Jahren stehen
in ähnlicher Weise Menzels und Böcklins
Anfänge einander gegenüber. Ums Jahr 1 870
sehen wir dort die deutschen Künstler am
Werke, die den Fontainebleauern und Courbet
folgen — Leibls Name ragt hoch aus ihnen
hervor — ; hier müht sich .Marees zur selben
Zeit um eine ideale Monumentalmalerei, die
IKOU. VII. i.
Dr. Max Oshoni-Bcriiu .
LUDWIG V. HOFMANN WEIMAR.
ihre Wirkung in dem Spiel von Linien und
Umrissen sehen will, zu dem die Farbe erst
als ein neues Element herangeholt wird.
Und bis in unsere Gegenwart geht das Auf
und Ab dieser großen Wage. Die Kunst
der französischen Impressionisten hat eine
bedeutsame Gefolgschaft gefunden; aber
daneben bleibt das römische Ideal bestehen,
dem um 1900 ebenso wie um 1800 junge
deutsche Künstler nachstreben.
Ludwig von Hofmann hat von Beginn
seiner Laufbahn an eine eigentümliche Stellung
zwischen (hesen beiden Gruppen eingenommen.
Ein leidenschaftlicher Priester der Farbe, hat
er sich unter Ferdinand Keller in Karlsruhe
und bei einem längeren Studienaufenthalt in
Paris zu einem Führer im malerischen Neu-
land entwickelt, der mit einer Kühnheit wie
kein anderer ungewohnte und bis dahin
kaum beobachtete Lichtbrechungen wieder-
zugeben und rauschende koloristische Sym-
phonien zu beschwören wagte. Aber zugleich
zog ihn die romantische Phantasiewelt an,
die Böcklin geschaffen und die nach seinem
Vorbild Max Klinger aufgesucht hatte. Und
ganz folgerecht wanderte dann Hofmann selbst
Brandung«
nach Rom hinunter, um nicht nur die hellere
Sonne Italiens für seine leuchtende Malerei
zu verwerten, sondern um auch die großen
Formen der südlichen Natur sich zu elften
zu machen und sich mit den zeitlosen
Stimmungen zu erfüllen, die dort unten aus
dem Anblick der alten Kunst und den heran-
drängenden historischen Erinnerungen auf-
steigen und den Fremden emportragen. Als
zu Anfang der neunziger Jahre in Berlin die
revolutionär gesinnte Gruppe der »XI« auf-
trat, war Hofmann unter den Umstürzlern,
die sonst durchweg dem naturalistischen
Credo anhingen. Seine Doppelstellung kenn-
zeichnete sich dadurch, daß er auf der einen
Seite seinen andersgläubigen Genossen malerisch
die fruchtbarsten Anregungen gab — vor allem
hat er auf Leistikow, wie dieser immer wieder
dankbar anerkannt hat, großen Einfluß aus-
geübt — , zugleich aber ihnen allen gegen-
über als der Vertreter einer aufs Phantastische
und Dekorative gerichteten Kunstübung allein
blieb. Mit den Mitteln der jüngsten Kunst-
entwicklung erschloß er sich die verheißende
Schönheitswelt, die Marees nur von fern sah ohne
sie zu erreichen, wie Moses das gelobte Land.
/.tKiwio 7'. Hnhuaiiu.
LUDWIG V. HOFMANN -^\'E1MAR.
Seine malerische Art hatte Zusammenhänge
mit Monet. mitDe(;as und anderen französischen
Meistern; die 'l'hemata seiner Hilder waren
Szenen, Gestalten und Landschaften aus
einer hernisch-bukolischen Gegend, die aut
diesem Planeten nirgends zw finden ist. Er
erscl'.ien als ein Erforscher komjili/.ierter
Licht- und Farbenprobleme, und war doch
ein Poet, der sich das Gesehene zu strahlenden
Vi>ionen umdirhtete. Mit leichter Hand,
der Pinsel und Palette, Ölfarbe und Pastell-
stifte ohne \Vidcrstrebi-n gehorchen, hat
Hofmann seitdem jene Bilder gemalt, die wir
entzückt als lyrische Verklarungen unserer
Wirklichkeit betrachten und bewundem.
Wälder, Täler und blühende Gefilde von
üppiger, blendender Pracht und trunkenen
Farben tauchen auf. Zarte, schlanke Jüng-
lings- und Mädchengestalten wandeln darin
umher, baden und tanzen, pflücken Blumen
und Früchte und trinken am Quell in
paradiesischer Nacktheit, oder kleiden sich
in bunte flatternde Gewänder, die ein Strahl
der Sonne vergoldet. Oder der Künstler
zaubert einen Rausch von P'arben und
Arabesken auf die Leinwand, die sich seltsam
verschlingen und lösen , und aus deren
phantastischem Gewirr ein Frauenkopf, rin
schimmernder weißer Körper, eine Blume,
ein Vogel mit märchenhaCtem Gefieder grüßt.
Es ist eine Kunst der Schönheit und der
l'reude , die Hofmann uns geschenkt hat.
Hellenische Ht-iterkeit ist über sie gebreitet;
aber der festliche Kult der freien Srnn^nwelt,
der in ihr getrieben wird , ist eriüllt von
modernen Elementen. Nicht nur die K.irbe
weist darauf hin. Es ist (he unu iterbrochene
vibrierende innere Bewegung in Hofmanns
Bildern, die ihn zu einem Sohn der Gegen-
wart stempelt. Böcklin, Keuerbach und Marees
hatten noch jene klassische Ruhe, die ihre
Wurzeln in der antiken Plastik findet; bei
Hofinann ist alles von wogendem Leben er-
füllt, von den Linien einer fließenden, vor-
überziehenden, blitzartige Farben und Licht-
reflexe darbietenden Belegung regiert. Darum
bat er so gern Tänzer und Tänzerinnen gemalt,
unschuldige junge Mädchen, die einen Reigen
schließen, Kinder, die sich s|)ielend im Kreise
ilrehen, blühende Jünglinge und Frauen, die,
T
/
^
PROFESSOR LUDWIG V. IIOFMANN WKIMAR.
I'ROFESSOR I.UlJUlG V. HOFMANN WEIMAR.
PKci|l>MiK LUUWIC. V. HoKMANN WI-IMAK.
PROFESSOR LUUWIG V. HOFMANN WEIMAR.
T.H(iwi'> :■. Ho/»ia>ni
PROFESSOR LUDWIG V. Hi'IMANN WF.IMAR.
von Sinnenlust erfüllt, niiteinandor über blühende
Gefilde dahinjagen, tolle Mänaden, die in den
bläulichen Schatten und gelben Lichtern der
Dämmerung ekstatisch schwärmen. Die Be-
wegungen der Kör])er, die Serpentinlinien der
tlatterrden Oewänder waren diesem Künstler
slets lockende Motive. In einer Serie entzücken-
der, mit flüchtigem Stift hingeworfener Pastelle
und Lithographien namentlich ist er ihnen
nachgegangen, unerschöpflich in immer neuen
Nuancen und Variationen des lieblichen Themas.
\'on dem Rausch und dem lachenden
Jubel des Tanzes führt der Künstler dann
wieder in die süße Ruhe der Idylle. Den
Garten Eden, in dem eine ewige Sonne gütig
waltet, wo alle Herrlichkeit der Schöpfung
aufsprießt, ohne daß ihr von dämonischen
Mächten des Lebens Zerstörung droht, hat
er mit gutem Grunde oftmals aufgesucht. Ein
weiter Wiesenteppich dehnt sich, dessen (irün
der helle Schimmer des paradiesischen Lichts
in goldenes Gelb verwandelt ; zur Seite rauscht
das dichte Blätterwerk üppiger Bäume und
Sträurher, und unter ihrem Schatten ruht in
])rangender Schönheit Eva, die träumerisch,
in erwachender Sehnsucht, zu dem Gefährten
hinüberblirkt. ( )der ein Märchengarten blüht
auf, und Gott Vater, angetan mit weitem
Sternenmantel, wie ein gütiger Zauberer, ermahnt
mit väterlichem Zuspruch das erste Menschen-
paar. Oder wir sind am Ufer eines schweigen-
den Sees, dessen Oberfläche sich leise kräuselt ;
ein Jüngling ruht am Boden und sieht be-
wundernd empor zu einem holden Weibe, das
dem Bade entstiegen ist und nun die Flechten
seines braunen Haares ordnet, während ihr
Blick weit in die Ferne sehweift. Es ist ein
Bliihen und Duften, etwas Frühlinghaftes in
allen diesen Bildern, und es paßt zu ihrer
Stimmung des Werdens und Ahnens in der
Natur, daß der Künstler sie am liebsten mit
Menschen von knospender Jugend bevölkert,
mit Jünglingen, die eben erst zum .Manne reifen,
mit Mädchen von fast knabenhafter Schlank-
heit. Doch die antikische Unschuld, seiner
Phantasie bewahrt Hofmann davor, daß von
diesen Szenen und Gruppen je Wirkungen
eines schwülen erotischen Rafünements aus-
Lndwio 7<. Iloliiiauii.
I'KOFESSOK LUDWIG V. HOKMANN -WEIMAR.
gehen. In elementaren Symbolen spiegeln
sich bei ihm die Taumel und Verzückungen
der Leidenschaft. Die Brandung des Meeres
schäumt auf, und der frische Seewind bauscht
die Gewänder der Gestalten am Ufer. Panther
schleichen heran und reiben ihre gleißenden
Leiber an der Samthaut nackter Schönen.
Zwischen weißen Frauenkörpern tummeln sich
edle schwarze Pferde. In Kontraste von Farben-
flächen, Linien und Bewegungen strömt das
Verlangen, das Begehren und Befruchten der
Natur aus.
Der Künstler, dem solche Schöpfungen
gelingen, ist wie kein zweiter im heutigen
Deutschland dazu geschaffen, festliche Räume
zu schmücken, von ihren Wänden herab
gehobene und gesteigerte Stimmungen in
Bildern voll Anmut und kultivierten Geschmacks
reden zu lassen. Es hat lange genug gedauert,
bis man bei uns diesen Beruf Hofmanns
erkannt und ausgenutzt hat. Jetzt aber wird
er bestürmt. Die Ausstellung seiner neuesten
Werke im Kunstsalon von Gurlitt in Berlin,
die den Ausgangspunkt dieser Betrachtung
bildet, und der die Abbildungen entstammen,
die sie begleitet, brachte mannigfache Beweise
»Träumerei«
dafür. .Man sah dort die Entwürfe Hofmanns
für die Wandmalereien im Foyer des neuen
Weimarer Hoftheaters , die zusammen mit
den korrespondierenden Gemälden Sascha
Schneiders diesem vornehmen, sonst ganz
weiß gehaltenen Empirerauni Littmanns & Heil-
manns einen so prächtig klingenden Schmuck
verleihen. Die Skizzen sind noch freier
und frischer als die ausgeführten Bilder selbst,
und man bewundert vor ihnen doppelt den
großen Zug der Erfindung, die hier die
Freuden, Belustigungen und Erregungen der
dramatischen und musikahschen Kunst in
ruhenden, tanzenden, ekstatischen und feier-
lichen Gruppen und Aufzügen symbolisiert
und eine rauschende Flut gedämpfter Farben
über die Gestalten und ihre landschaftHche
Umrahmung ausgegossen hat. Man sah dort
femer neue Wandgemälde Hofmanns für den
Musiksaal einer Villa in der Kolonie Grunewald
bei Berlin. Vier Friese, die sich unter der
Decke hinziehen sollen, und die ganz in die
Architektur des Zimmers hineingearbeitet
sind, das an zwei Wänden breite Durchgänge
aufweist, deren weite Flachbogen in das
langgezogene Bildrechteck hineinschneiden.
10
LUDWIG V. HOKMANN.
.EXOTISCHER TANZ-.
PROFESSOR LLHWIG V. HOFMANN WKIMAR.
jSONNKN-AUFI'.ANI-,
1909. VU. 2.
Dr. Max Odmyu-BcrliTi :
l'KOHia.soK LUUUIG V. HOKMANN \\ KIMAK.
Hier mußten die Figuren also in einem
zwickelartigen Winkel untergebracht werden,
während sie sich auf den beiden andern
Streifen frei bewegen. Entzückend, wie Hof-
mann diese räumlichen Bedingungen ver-
wertete ! Ohne Zwang lügen sich die
Kompositionen in die Bildfläche: Jünglinge,
die eine Rinderherde über das Weideland
treiben, Frauen und Kinder, die sich in
idyllischem Frieden zusammenfinden, lockende,
hüllenlose Göttinnen der Liebe, die nichts
ausdrücken wollen als das Glück und die
Beglückung einer Existenz in Schönheit.
Weite Täler ziehen den Blick zum fernen
Horizont. Schäumend braust wieder die
Meeresflut, und das arkadische Volk an der
Küste sucht mit Zinndeckehi und Fanfare das
Donnern ihrer Wogen zu übertönen. Wird
in dem Saal, für den dieser kostbare Schmuck
bestimmt ist, Musik getrieben, so wird es
sein, als fluteten die aufsteigenden Melodien
der Instrumente und der menschlichen Stimmen
von den Wänden her als Echo zurück.
Weitere Cyklen von Bildern brachte die
Ausstellung. So Erinnerungen an die griechische
Reise, die Hofmanu mit Gerhart Hauptmann
vor zwei Jahren unternahm 'deren Tagebuch
der Dichter ja auch soeben herausgegeben
hat), leuchtende Städtebilder, heroische Land-
schaften von großen Formen, eine stolze,
ferne, sagenerfüllte Welt, in der sich Reste
aus verklungenen Zeitaltem mit den grell
flimmernden Farben des modernen Orients
verbinden. Sodann eine Reihe szenischer
Entwürfe zu ^Laeterlincks »Aglavaine und
Selystette«-, die Hofmann auf Max Reinhardts
W unsch für die Aufftihrung im Kammerspiel-
hause des Deutschen Theaters zu Berlin
gefertigt hatte. Aber es ist bezeichnend für
die Eigenart seiner Phantasie, daß er sich
an die Gesetze des Theaters garnicht band.
Die Blätter wurden ihm unter der Hand zu
märchenhaften kleinen Farbendichtungen, die
sich durchaus nicht darum kümmerten, was
die Technik der Bühne berücksichtigen muß,
so daß der Regisseur jener Aufführung im
14
Liuhvig z: Hof mann.
l'ROHiSSOR 1.1UW1G V.. H<.1K.M.\N.N Wl.lMAK.
Deutschen Theater nur einige Anregungen
daraus entnehmen konnte, während daneben
Hufmanns Dekorationsskizzen nun ihr eigenes
Dasein weiterleben. Zur seihen Zeit erschien
auf der Winter Ausstellung der Berliner
Sezession der Entwurf Hofmanns für sein
Wandgemälde im Senatssaal von Theodor
Fischers neuem Universitätsgebäude in Jena,
und man erkannte mit Bewunderung, wie der
Meister tanzender Heiterkeit auch für die
gehaltene Stimmung, die in einem Hause
ernster Wissenschaft allein am Platze war, den
rechten Ausdruck fand. In diesem Saal hat
Theodor Fischer, schon bevor er den Fntwurf
des Frieses kannte, mit feinem Verständnis für
des Künstlers Art in der Ausstattung von
Wand und Decke ein diskretes Motiv an-
gebracht, in dem gleichsam Hofmanns
persönlicher Stil auf die einfachste Formel
reduziert erscheint: er ließ dort über die farb-
lose Reinheit der Stuckfläche sanfte Wellen-
linien in zartem Relief hinziehen, in denen,
wenn das Werk erst vollendet ist, der eigen-
tümliche Rhythmus der Hofmannschen Malerei
verklingen wird, während sich die Akkorde
seiner Farben in das farblose Weiß aullüsen.
— Vor einigen Jahren wollte es eine Zeitlang
scheinen, als sei ein Stillstand in Ludwig von
Hofmanns Kunst eingetreten. Jetzt zeigt es
sich , daß es nichts war als gleichsam ein
Atemholen. Und mit neuer, beflügelter
Schü]jfungskraft ist er aus dieser kurzen Periode
des Ausruhens hervorgegangen, um uns frei-
gebiger als je zuvor Werk auf Werk zu schenken.
1)"- MAX OSBORN HKRI.IN.
Die Kunst übernimmt nicht mit der Natur,
in ihrer Breite und Tiefe, zu wetteifern, sie
hält sich an die Oberfläche der natürlichen
F.rscheinungen; aber sie hat ihre eigene Tiefe,
ihre eigene Gewalt; sie fixiert die höchsten
Momente dieser oberflächlichen Erscheinungen,
indem sie das Gesetzliche darin anerkennt,
die Vollkommenheit der zweckmäßigen Pro-
portion, den Gipfel der Schönheit, die Würde
der Bedeutung, die Höhe der Leidenschaft.
Die Natur scheint um ihrer selbst willen
zu wirken; der Künstler wirkt als Mensch,
um der Menschen willen. (ioethe.
[
l'ROFESSOR LUDWIG V. HOFMANN WEIMAR.
DAS ÄSTHETISCHE VERHALTEN.
Die moderne Ästhetik müht sich . weder
einen bestimmten Begrifif des Schönen
aufzudecken, noch ist ihr bisher die Fixierung
fester Normen für die Beurteilung von Kunst-
werken gelungen; es ist auch keineswegs wahr-
scheinlich, daß ihr dies je gelingen wird.
Wie die Wissenschaft überhaupt, so hat
auch die .\sthetik keinerlei Rücksicht zu
nehmen, weder auf die Ethik noch auf Fragen,
die über die Grenze der menschlichen Er-
kenntnis innerhalb der allgemein gültigen Ge-
setze der Logik hinausgreifen. Die Ästhetik
beschäftigt sich mit Vorgängen des Seelen-
lebens, jede psychische Äußerung ist aber an
ein körperliches Gebilde gebunden und durch
dessen Veränderungen bedingt. Dem Ästhetiker
sind darum sowohl psychologische, als auch
physiologische und damit zusammenhängend
naturwissenschaftliche Probleme gestellt.
Das ästhetische Verhalten, das reine Sehen
(Hören, wenn wir von Tönen redeten), ist die
Hingabe des Menschen an einen optischen
Eindruck, ohne außerhalb des Prozesses selbst
liegenden Zweck. Dieser Zustand kann un-
gewollt eintreten und kann beabsichtigt werden.
Das ästhetische Verhalten ist nicht eine
.Vußerung des Intellektes, sondern ein bewußt
aufrecht erhaltener. absichtUch geförderter Er-
regungszustand der Sinne.
.Allen Einwendungen mißverstandener .As-
kese gegenüber sei das schöne Wort Vischers
vorgehalten: »Niemand nenne sich gebildet,
der nicht gebildete Sinne hat.'r Gebildete,
das heißt aber vor allen Dingen geübte Sinne.
Das ästhetische Verhalten nimmt an Intensität
zu in dem Maße der .Aufnahmefähigkeit der
Sinne und deren verfeinerten Unterscheidungs-
vermögens. Kultur der Sinne ist die not-
wendigste Vorausbedingung für das Zustande-
kommen des ästhetischen Verhaltens.
Das ästhetische Verhalten gipfelt im ästheti-
schen Urteil. Schön oder häßlich, das ist hier
die Frage. Einen in die Seele gesenkten, fest
normierten Begriff des Schönen können wir
i6
LUDWIG V. HOFMANN
»NASSE KLIPPE.
Das ästhetische Verhalten.
nicht anerkennen. Ebensowenig aber gilt die
Cleichsetzung von zweckmäßig »sinnlich an-
genehm« ästhetisch schön. .Allerdings sehen
wir, daß das Zweckmäßige in der Regel sinn-
lich angenehm, das Siniiliih-Angenehme vor-
züglich Objekt des ästhetischen Verhaltens wird,
aber ebenso leicht, wie es möglich ist. daß das
Sinnlich-.\ngenehme schließlich als ästhetisch-
häßlich gewertet wird, ebensowenig ist es
ausgeschlossen , daß ein sinnlich abstoßend
wirkendes Objekt, auf das sich das ästhetische
N'erhalten nur mit Widerwillen konzentriert,
schön befunden wird. Es gibt verborgene
Schönheil. In einer Moorlache kann Schön-
heil entdeckt werden.
An Del'mitionen des Schönen mangelt es
nicht. Gott ist das Schöne oder das Gesunde,
die sinnlich erkannte Vollkommenheit (VVolft),
die unmittelbare Erscheinung der absoluten
Idee (Hegel\ die Idee in der Erscheinung
(Vischer), das unwandelbar Wohlgefällige
(Fechneri. \)zs, Schöne ist ilie Form der
Erscheinung, die den uns angeborenen Ge-
setzen unseres Empfindungslebens entspricht.
Die Ordnung, dergcmäß ein Ding entsteht
und scheint, ist sein Gesetz. Die in ihrer
reinster. Gesetzmäßigkeit sich zeigende Idee
in Erscheinung nennen wir Ideal (Lemcke).
Das Schöne zeigt uns in anschaulicher Weise
die drei »Gewalten des Weltbaus« — die Ge-
setze, die Tatsachen, die Ideale oder Werte —
geeint, die unsere Erkenntnis nicht aufeinander
zurückzuführen oder aus einem gemeinschaft-
lichen Grunde herzuleiten vermag (Lotze nach
Falckenberg).
Kann man all diesen gewiß geistreichen
Abstraktionen auch teilweise Geltung zu-
sprechen, so muß doch noch entschiedener
betont werden, daß eine normative Definition
des Schönen überhau])t ausgeschlossen ist.
Wie man nichts Absolutes über die Götter
der Religionen auszusagen vermag, sondern
nur die Gott als Ziel suchende jisychischc
.Äußerung analysieren kann, ebenso wenig ver-
mag man das Schöne zu entschleiern. Der
Mensch muß sich mit der Kenntnis von dem
Wege begnügen, auf dem er zu dem Urteil
kommt: das ist schön, das ist häßlich. Bei
den Versuchen, das Schöne zu definieren, zeigt
es sich, wie recht Analole France mit seiner
Skepsis hat: die .Ästhetik hat keinen festen
Untergrund, sie ist ein Luftschloß.
Alles Erkennen, alles Urteilen, jede rubri-
zierende Analyse ist für den Menschen mit
einem gewissen I,ust(iuantum verbunden. Wenn
wir sagen : dies ist langweilig, so fühlen wir
uns unbehaglich, aber während des Urtcilens
und wegen desselben empfinden wir Wohl-
behagen. Diese Lust am Urteil gehört jedoch
nicht mehr dem ästhetischen Verhallen an,
wohl aber ist sie eine in der Regel eintretende
Nebenerscheinung. Die Intensität der l'rtoils-
lust ist abhängig von unserer analysierenden
Begabung und Übung: die Tiefe des ästheti-
schen Genusses wird bedingt durch die T,eich-
tigkeil. mit der die einzelnen Phasen des
psychischen Prozesses vor sich gehen, durch
die Übung und Schärfung der Sinne als des
Primären. Der Kunst zu genießen geht voran
die Kunst des Sehens. roki kt hrki;kr.
PROFESSOR LUDWIG v. HOKMAN.N' WEIMAR.
Entwürfe für das Fover des Weimarer Hoftheaters.
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1909, VII. ;j.
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DIE KLEINEN MITLÄUFER.
Eine Armee, die nur aus Führern bestände,
ist ein Unding. Sie brauchen eine Ge-
folgschaft, brauchen Gemeine und Massen.
Disziphn ist unerläßhch. Gefährlich und schäd-
lich ist der Troß, der hinter der Front mit-
zulaufen pflegt.
Eine Stilbewegung, wie sie sich in dem
modernen Kunstgewerbe herauskristallisiert hat,
beruht nicht allein auf den führenden Persön-
lichkeiten. Ein van de Velde, Berlage, Pankok,
Moser oder Hoffmann u. a. sind einzelne,
sind Richtunggeber. Hunderten und Tausen-
den haben sie den Weg zu weisen. Die
Geschicklichkeit und Fertigkeit muß mitgehen.
Nicht jedes Talent kann als Persönlichkeit
agieren. Wenn die Könner original sein
wollen, pflegen sie originell zu werden. Sie
sind wertvoll als treue, zielbewußte Gefolg-
schaft, als Zwischenglieder und Anbahner
einer neuen Tradition.
Auf ihre Qualität, nicht ihre Zahl kommt
es an, denn es gibt für eine Stilbewegung
nichts schlimmeres als der Troß der kleinen
Mitläufer, die eine neue Mode, eine frische
Absatzmöglichkeit wittern. Ihre Überzeugung
ist dünn wie eine Seifenblase. Sie sind
Taktiker des Erfolges , fallen stets auf die
Butterseite. Ihr Schaffen ist Spekulation. Sie
wollen nicht für eine Idee kämpfen, sondern
von einer Bewegung getragen werden. Sie
fördern nichts, diskreditieren dagegen nur zu
leicht das Ganze. Sie sind die eigentlichen
Macher eines »Jugend-« oder »Sezessions-
stiles«. Sie haben mit naturalistischen Motiven,
dann mit geschwungenen Linien gearbeitet.
Heute sind die geometrischen Formen, die
wir an den Wienern oder Behrens zu schätzen
verstehen, an der Reihe. Die kleinen Mit-
läufer haben keinen Sinn für die zwingende
Logik jener Originalwerte ; sie sehen nur die
Äußerlichkeit, nur die Quadratchen, Dreiecke
und Punkte. Solche Saftlosigkeit trübt den
Blick des Publikums, zwingt die Selbstschöpfe-
rischen zu einem rastlosen, unruhigen, über-
stürzten Weiterbilden. Diese Leutchen rauben
den Führern den Atem und bieten den Gegnern
einer Bewegung Angriffsflächen.
Es hat keinen Sinn, sie freundlich zu
dulden, sie halb und halb in Schutz zu nehmen.
Unfertige Leistungen lassen sich doch scMieß-
lich weder verteidigen noch entschuldigen.
Lind wozu der Mißgunst und dem Haß selbst
die Waffen liefern y
Unerbittliche Kritik mag sie abstoßen.
Vielleicht macht sie sie auch bescheiden, lehrt
sie ihre kleine Kraft richtig nutzen und ver-
anlaßt sie schlichte, anständige Handwerks-
arbeit zu leisten. Dann sind sie Gewinn.
Im anderen Falle aber müssen solche
Kleingeister energisch abgeschüttelt werden.
Schmarotzerische Schlingpflanzen rauben_imnier
Mark und Bewegungsfreiheit. — paul westheim.
^A -•
PROFESSOR LUDWIG V. HOFMANN— VSTEIMAR. Friese für einen Musik-Saal.
22
Bremen war einmal eine Kunststadt, zwar nuht von
weithinwirkendem Einfluß , nicht das Herz eines
i-<i:edelinten Kulturgebiets, sondern ganz für sich, eng
uinurcnzt und nur seinen eigenen Aufgaben zugewandt.
Das ist lange her. Es war um das Jahr 160t) als unter
den zahlreichen Bildschnitzern das Mobiliar des Bürger-
hauses und die Ausstattung von Rathaus und Kirchen
jenen phantasievoll üppigen Schnörkelstil entfaltete, in
dem Ornament, Eiguren, Säulen und ("lesimse zu einer
fast sinnverwirrend reichen Bracht vereinigt den Aus-
druck stärkster Lebensfreude als die künstlerische Ge-
sinnung der damahgen reichen und wohllebigen Hansa-
stadt ausmachten. I^en Schnitzern folgten die Stein-
metzc. An den Ausluchten und Giebeln der Bürgerhäuser
und am prächtigsten dann bei l.üder von Bentheims
Rathaus haben sie in gehäufter Eröhlichkeit ein aus-
gelassenes plastisches Leben entfaltet , das gar nicht
stimmen will zu der »Steifheit«, die dem Bremer des
19. Jahrhunderts tatsächlich eine Zeitlang zur Natur
geworden ist. — Von diesem alten Bremer Geist war
nichts mehr übrig geblieben als die fremdartig in der
puritanisch strengen Ordnung, der sauberen Nüchtern-
heit der Straßen und Häuser stehenden paar Bauwerke
der Renaissance. In einem ungestörten Dornröschen-
schlaf ging die Stadt an der äußersten Peripherie des
Reiches abgeschieden und auf sich angewiesen in die
Neuzeit hinüber. Kunst war ihr keine Lebensnotwen-
digkeit mehr. Nur daß der starke englische Einfluß
vor einem Jalirhundert einen Zug zu Gediegenheit,
anspruchsloser Solidität , gutem Material und sauberer
CARL WEU>EM£YER: TITEL-UMRAHMUNG DES JAHRBUCHS DER BREMISCHEN SAMMLUNGEN. VERLAG: FRANZ LEUWER.
Dr. Carl Schaefer :
ARCHITEKT HUGO WAGNER bKEMEN.
Arbeit in lU-n wcjhlhabenden Kürgerkreisen
wach hielt, der vielleicht von Natur dem
Bremer als Wesenszug am meisten anhaftet.
Anders als sonst im Reich bildete sich
darum auch in dieser für sicli lebenden Stadt
die moderne Wohnsitte aus, als um 1820
etwa das neue Leben sachte begann, die
Festungswälle zu Anlagen, die Tore zu
unkriegerischen Wachgebäuden umgestaltet
wurden, und als vor den Toren die ersten
Wohnhäuser der Vorstädte entstanden. Daß
es Eigenhäuser sein mußten, nicht Miet-
wohnungen, war selbstverständHch. Bescheiden
in den Raumanforderungen, schlicht bürgerlich
in der Aufmachung, in einen Garten gebettet.
Spatkassen-Gebäude in Delmenhorst.
wenn er auch nur sehr klein sein konnte,
so war das Dreifensterliaus mit ausgebautem
Souterrain für Küche und Wirtscliaft. im
Ertlgeschol.'i die Wohnräume, darüber die
Schlafzimmer, der gegebene Kautypus für die
seit 1860 nnmer schneller anwachsenden
Vorstädte. Denn nicht nur der Luxus des
Reichen, sondern auch die bescheidene
Wohlhabenheit des Bürgers genügte, um ein
solches eigenes Haus zu bewolinen. Das schafft
gute Vorbedingungen für gesunde moderne
Architektur. Noch heute ist das Eigenhaus
die hauptsächUche Wohnform für Bremen
für architektonische und
für kunstgewerbliche Auf-
und damit ; ist
namentlich [auch
24
Ascites aus Rrevicn.
ARCHITEKI HLÜCJ WAGNKR IIKEMKN.
galjen der denkbar beste (Jrund <i;egeben.
— Wälirend in den Straßen der Altstadt und
in den Ciesrhäftsvierteln der Vorstädte leider
gerade so wie in den meisten andern deutsclicn
Städten die Mehrzalil der Bauaufgal>en dem
Hauunternelimertum zufällt, so datj begreif-
licherweise auf eine gute wenigstens zehn
schlechte Fassaden kommen, hat an den
Wohnhausaufgaben, den reichen wie den ein-
fachen, die Schar der jungen Bremer Archi-
tekten ein dankbares Feld zur modernen
Weiterbildung des alten überlieferten Typus.
Und was bei den Aufgaben des Miethauses
unmögHch oder doch nur in den seltensten
Fällen denkbar ist. das wird beim Kigenhausc
fast zur Regel, daß nicht nur das äußere Cic-
iiäus. sondern auch die Innenräumc, oder
wenigstens einige unter iiinen von der Haml
des Architekten ausgebildet werden.
An diesen Aufgaben ist im letzten JaJir-
zchnt in Bremen eine ansehnUche Schar von
tiichtigen Kräften herangewachsen, von deren
Arbeit vieles schon über die lokalen Grenzen
hinaus Beachtung gefunden hat. Finc Über-
sicht über einige der neuesten Leistungen,
Architekturen und _Innenräume, ^ die in den
Jahren 1907 und'l908 entstanden, soll hier
mitgeteilt werden.
ARCHITEKT HUGO WAGNER -BKEMEN.
GRUPPE VON DREI WOHNHÄUSERN IN BREMEN^
ARCHITEKT CARL EEG & EU. RUNGE— UREMEN.
HAUS .STRAUCH J'.KEMEN.
R. A. SCHRÖDER & D. LULEV— BREMEN.
HAUS HEYE, BENTHEIM-STRASSE.
28
CARL EKG ^ ED. RUNGE BREMEN.
WlNTER-r,AKTEN IM HAUSE LEO BI1^RMA^'N.
1909. VIl. «
jYntrs aus Bremen.
y--j»aw>^^ai?Bg^^3i«.^r..-y^o'
ARCHITEKT JANSEN & MEEU^.sJ.^ 1;KL.\1L.N.
Eine der markantesten Erscheinungen
unter den heutigen Architekten Bremens ist
Hugo Wagner. Eine Begabung etwa wie
die Gelöners, hat er das Glück gehabt, sein
eigenthches Feld, den schHchten ländlichen
und vorstädtischen Wohnhausbau, zu guter
Zeit zu finden. Man merkt ihm die Neigung
zum konstruktiven Wesen des Mittelalters, die
Abneigung gegen alles Pliantastische, gegen
ÜiJpigkeit und dekorative Spielerei deuthch an.
Seine Tätigkeit für die Wiederbelebung einer
bodenwüchsigen ländHchen Bauweise in Nieder-
sachsen ist charakteristisch für die Ziele seiner
Kunst. Wirtscliaftliche und künstlerische Über-
legungen gehen bei ihm Hand in Hand und
machen ihn geeignet zu den großen sozialen
Bauaufgaben, die in der Gartenstadtbewegung,
in der Idee zur Anlage von Arbeiterdörfern
und Beamtenwohnvierteln liegen. Solche große
Aufgaben hat er in dem Industriedorf Eims-
warden an der unteren Weser, in dem Wohn-
viertel für die Arbeiter und Beamten des neuen
Rangierbahnhofs in Seelze bei Hannover be-
ILius Subren Bremen.
reits zur Ausführung gebracht; und in den
Orten und Kleinstädten des Bremen benach-
barten Gebietes stehen Schulgebäude, Kreis-
häuser, Sparkassen und andere öffentliche Ge-
bäude, in denen er mit sparsamer Enthaltsam-
keit mit guten Verhältnissen, starker Material-
wirkung luid in leiser Anlehnung an die
Girupjnerung und Dachanordnung alter Vor-
bilder einfache mustergiltige Bauten geschaffen
hat. Eine der interessantesten Lösungen des
Einfamihenhauses in seiner Gruppierung zum
harmonischen Straßenbild gibt das eigene
Wohnhaus Wagners mit seinen Nachbar-
gebäuden wieder.
Eine zartere, poetischere Natur ist Carl
Eeg. der mit E. Runge zusammen gerade
im Ausbau des vornehmen Bürgerhauses
in Bremen eine Menge dankbarer Auf-
gaben gefunden hat. Er fing an mit einer
ausgesprochenen Liebe zu den stillen vor-
nehmen Formen des Empire. Die kühle
Zurücklialtung in den Fassaden der Zeit um
1800 mit ihren einladenden unverschnörkelten
SHBI
30
■v.fxtf^'i
' " Vw " ^A \3>
ARCHITEKT CAKL EEG-BREMEN.
HAUFTEINGANG AM HAUSE FELSING— BRKMEN.
Neues ans Bre/i/oi.
JANSEN & Ml-EUSSEN- liKEMEN.
Treijjjen, den grol.'ien lichten l'enstern, der
wohlgeordneten AufteiUing in regehnäßige
Achsen, der sparsamen, knappen Bildung von
Gesimsen und Schniuckformen, das war seine
Schule. Die Zahl seiner au der Straße
liegenden Architekturen ist nicht groß. Dafür
hat er in der Ausstattung des Lloyddampl'ers
Kronprinzessin CeciUe und in vielen Raum-
kunstaufgaben in Bremischen Wohnhäusern
als Kunstgewerbler etwa von der Gesinnung
Bruno Pauls Glänzendes geschaffen. Eeg ist
kein hastig arbeitender Künstler; er läßt alles
mit bedacht ausreifen, schleift und bessert in
stiller in sich gekehrter Arbeit, um sich selbst
genug zu tun. Er hat jjoetisch reizvolle
Bücherzeichen etwa von der Art Heinrich
Vogelers gezeichnet, sich in der Radierung
\ ersucht und beweist in seinen architektonischen
Zierformen, daß er ein Ornamentist von
reicher Phantasie ist, nie verlegen um eigene
Einfälle, aber um so kritischer und sparsamer
in ihrer Anwendung. Neigung und Begabung
führen ihn zu den intimeren Aulgalien der
Diele im Hause Suhren.
Ausfiihrimg : Heinrich Bremer— Bremen.
Architektur. Ein Grabmal, eine Gartenbank,
eine Laube, die Aufgaben der Innenarchitektur
liebt er zum mindesten ebenso , wie das
Bauen und tjestalten im Großen.
Die Villa Strauch, deren landschafilich
reizvolle Situation er so gut auszunutzen ver-
steht, durch die Trei^pen , die Haus und
Garten verbinden, und in deren Erdgeschoß
er die Diele und drei Haupträume in seiner
architektonisch strengen Raumbildung ausge-
stalten konnte, ist darin sein einheitlichstes
\Verk. Im Hause Leo Biermann hat er den
geräumigen, um einige Stufen vertieften, acht-
eckig ausgebauten Wintergarten , und einen
köstlichen Baderaum mit Marmorwänden und
üronzetür ausgeführt; und als wertvollste Ar-
beit ein Schlafzimmer entworfen, dessen Wir-
kung von dem hohen Getäfel hellen Ahorn-
holzes mit Elfenbeineinlagen und eingefügten
wertvollen Farbendrucken altjapanischer Kunst
bedingt wird. Aus dem Hause Fritz Biermann
endlich zeigen die Bilder einen Salon, der
19()S vollendet, trotz des kostbaren Materials
JANSEN & MEEUSSEN- BREMEN.
DIELE IM HAUSE SUHREN.
Dr. Carl Schaefer
JANSEN & MKEUSSEN BREMEN.
von Marmor und Holzwerk ohne alle Auf-
dringlichkeit zu vornehmer Ruhe durchge-
bildet wurde. In fast allen diesen Arbeilen
lag die Ausführung in den Händen der Bremer
Filiale der ^'e^einigten Werkstätten . deren
technisch meisterhafte Holzbearbeitung nicht
wenig zu der Schönheit des (Ganzen beiträgt.
Und in den Stickereien von E. Hormann für
Decken und Vorhänge, in den gelegentlichen,
vorsichtig eingefügten Glasmalereien ('.. Rohdes
findet diese Raumkunst der Architekten Eeg
und Runge eine feine artverwandte Ergänzung
ihres Ausdrucks.
Wie neben solchen Villenbauten, wie dem
Hause Strauch, das typische Bremer Wohn-
haus von normaler Größe und in geschlos-
sener Bauweise in ausgesprochen norddeutscher
Auffassung sich ausbilden läßt, das zeigt
Rudolf Alexander Schröder in einer
schlankfenstrigen Fassade von der kühlen Ab-
geschlossenheit, den zierlichen Details und
der eignen Materialwirkuag, wie man sie
ähnlich im Haag oder an den vornehmen
Wohn-Ecke in der Diele des Hauses Suliren.
Ausfiihriiiig: Heinrich Bremer — Bremen.
Grachten Amsterdams /,u sehen Clelegenheit hat.
— Eine dankbare Aufgabe, Haus und Wohn-
räume von einem Guß zu schaffen, war den
Architekten Jansen und Meeussen das
Haus Suhren. An hervorragender Lage au der
bekannten Wcseriiromenade des Osterdeichs
liegt das villenartige, stattliche Gebäude. Ein
Marmorvestibul , eine Diele mit behäbiger
reicher Treppe und wohnlich ausgebildeten
Ecken, und um die Diele gruppiert vier
Wohnräume von keineswegs überladener, aber
gediegener Ausstattung. Die Raumbildung
ist lebendig und voll Abwechslung, die Möbel-
formen tragen jene wohltuende indifferente
Ruhe zur Schau, die nicht Stil beansprucht,
nicht Kunst sein will.
Was vor zehn Jahren eine begeistert be-
grüßte, kühne Neuerung war, das ist in den
Händen vieler heute schon zu einem Typus
geworden, der vom modernen Wohnraum, der
Stuhlform, dem Möbel in seinem Verhältnis
zur Wand eine ganz bestimmte Signatur verlangt.
— Eine der hervorragendsten künstlerischen
)4
.Veues aus Brenn».
JANSEN ft UEEUSSEN- BREUEN.
Kräfte, über die das lieutigc Bremen verfügt,
ist der Glasmaler Georg K. Rohde. ■ Die
Zeit, oa man die bunte Pracht der Glas-
malerei um ihrer seihst willen liebte, ist vor-
über. Der Raumgedanke der Gegenwart ver-
langt gebieterisch — und mit Recht — daß
sich das Fenster einordne in den gesamten
Sinn von Wand und Decke ; und in diesem
Zusammenwirken fügt sich das farbenprunkende,
meist sehr anspruchsvolle Glasgeniälde der
Zeit, wie es um 1890 üblich war, schlechter-
dings nicht mehr. Seine Anwendung ver-
langt heute viel mehr taktvolle Vorsicht, seine
Farben, sein Material, seine Linien müssen
sehr viel stärker aus dem gesamten Organis-
mus der Wand, ihrer Cliederung und Farben-
Haltimg entwickelt werden. Und dafür gerade
hat Rohde eine sichere Begabung an den
Tag gelegt. Die als Darstellung der fünl
Sinne gedachten Putten, von denen wir drei
hier wiedergeben, sind als farbige Mittcl-
iiimkte in <lie farblosen Scheiben der hohen
Speibe-Zinimer im Hause .Siihren.
Alisfiiliriini; : Heinricli Urcmcr llrctneii.
Sprossenfenster eingefügt, die vom Speise-
zimmer des Hauses Strauch nach dem Garten
führen. Für die Ratskellerfenster, das aus
nächster Nähe und mit Muße betrachtet zu
werden bestimmt ist, hat der Künstler lustige
alte und neue Motive bald larbig satt, bald
nur wie eine vergilbte Handzeichnung wirkend
und wie zufällig zwischen die alten Scheiben
gesetzt zu einem sehr amüsanten Bilderbogen
vereinigt. Sein größter Vorzug — ein \'or-
zug, der sich freilich aus den Abbildungen
kaum erkennen läßt — ist die sparsame und
höchst wirkungsvolle Auswahl und Ausnutzung
des .Materials; mit ganz wenigen Farbtönen
doch reiche Wirkungen zu erzielen, die Schön-
heit und l.euchtkralt des l'arbenglases ganz
herauszuholen und die festen großen Linien
der Bleikonturen in ihrer dekorativen Wirkung
zu beherrschen, das ist das Wesentliche dieses
vornehmen Materialstils.
Als Graphiker und Zeichner von streng
aufgebauten wohldisziiilmierten .arbeiten des
55
iVntrs ans Bremen.
Buchschmucks hat sich Carl \\ eidemeyer
seit einigen Jahren bekannt gemacht. Aus
seiner Verbindung mit den Vereinigten Werk-
stätten für Kunst im Handwerk stammen die
zahh-eichen in der Bewegung groß aufgefaßten
und originell beobachteten Spielzeugfiguren
und die Möbel und Spielhäuschcn lür Kinder-
stuben. So wie seine sollen auch die Arbeiten
des tlarten - Architekten Fr. Gildemeister
Proben von der Art geben, wie im heutigen
Bremen gerade auf dem (jebiete der Alltags-
kunst Kräfte am Werke sind und Wege ein-
geschlagen werden, die wohl geeignet sind,
die einst so stille alte Hansestadt wieder zu
einer Blüte der Kunst zu machen, wie sie es
ehedem war. d«- carl schakfer.
JANSEN & MEET:SSEN BREMEN.
Salon im Hause Suhren.
Aiisfülirung : Heinrich Bremer— Bremen.
36
STIL-BRKVIER.
Der Maler strebt nach einer möglichst in-
tensiven lUusicjnierung des Raumes, der
aber die einzelnen Objekte, hicr/u gehört auch
die Luft mit ihren Trübungen, nicht in sich
aufnehmen, sondern sich durch dieselben bilden
und aus den feinsten Reflexetickten der ein-
zelnen (Gegenstände aufeinander organisch ent-
wickeln, aufbauen soll. Im Hirnbild des Malers
ist das Räumliche mit dem Körperlichen durch
das Medium von Luft und Licht völlig ver-
schmolzen, die Fixation auf der Leinwand soll
beim Beschauer zum gleichen Resultat fähren.
Es ist stillos, wenn ein Maler den .-Auf-
gaben aus dem Wege geht, die zu lösen seine
Technik (Ol, Fresko, Gouache, Aquarell,
Pastell) in besonderem Maße berufen ist; es
ist aber nicht weniger stillos, wenn der Zeich-
ner, der nur den spröden Stift oder — um
mit Klinger zu reden — den Griffel handhabt,
Probleme der Malerei zu verwirklichen anstrebt,
es sei denn, er fände einen völlig neuen Weg.
— Die Zeichnung sieht mehr durch die Lupe,
das Gerippe der Dinge erfassend, das Gemälde
sucht den Oberflächenschein, wie ihn das
schweifende Auge empfindet.
Gegenüber der malerischen Synthese von
reflektierten (formvermittelnden) und daher-
tlutenilen (einenden) Lichtwelleii ist die Zeich-
nung eine mehr den peripheren Umriß und
den inneren konstruktiven Zusammenhang
suchende Analyse. In diesem Sinne, weil sie
mehr die Dinge selbst, als deren Schein er-
greift, eignet sich die Zeichmmg, die Griffel-
kunst, besser als die Malerei zur Festhaltung
von Vorgängen, zur Illustration. Dem Maler
kann es ziemlich gleichgültig sein, ob er einen
Helm oder einen Blechtopf malt, eine Madonna
oder eine Cocotte, er sucht Lichteffekte; den
Zeichner darf in erheblichem Maße der In-
halt interessieren, er darl erzählen, ernst und
JANSKN 4 MI-KUSSEN BREMEN.
K.-»mini>latz im .S.ilon des Hauses Subren.
1908. VII. e.
37
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.ihiU,^ ti ^. ^^
NATUR AHOKN
Mll ELf-rLNBElN-
EtNLA(iHN.
BKSCHLÄGK
SILBKR MIT
ELVENBEIN.
lAPANISCHli
H0LZ5CHNITTK.
MÖBEL-BEZÜGE -
r.RAU SBIDU.
ARCHITEKTEN CARL EEG & ED. RUNGE. SCHLAF-ZIMMER IM HAUSE LEO BIERMANN — HREMEN.
Ausführung: Vereinigte Werkslätten für Kunst im Handwerk— Bremen.
Roher l Iheiicr:
CARL EEG-HREMEN.
heiter predigen, Witze und Possen reißen.
— Ks leuchtet ein, daß ein kleiner Natur-
ausschnitt, etwa eine aus wenigen Bäumen be-
stehende Landschaft oder ein Kornfeld, einige
Früchte oder Blumen, ein Interieur, ein Tier
oder ein einzelner Mensch leichter zu über-
sehen und künstlerisch zu erobern sind, als
dies ein ganzes Schlachtfeld mit den nötigen
Requisiten von den Achselklappen bis zu den
Führern gestattet.
Ein Schlachtenbild soll kein strategisches
Hilfsmittel sein; die daherstürzenden Kolonnen
können als rhythmisch bewegte Linien, die
bunten Röcke als Elemente einer großen
Farbensymphonie, Rauch, Staub und die viel-
fachen Blitzlichter und metallischen Reflexe als
einigende Medien empfunden werden. Otto
von Faber du Faur verhält sich zu Rocholi,
Röchling, Eichstaedt und werten Kollegen wie
ein Gemälde zu einem Riippiner Bilderbogen.
Dabei darf man noch nicht an Rubens »Sieg
Heinrichs IV.« in den Uffizien denken.
Alles, was Lichtwellen derartig reflektiert,
daß der Augensinn erregt wird, kann von der
Malerei dargestellt werden; für die freie Rund-
plastik hat nur das Interesse, was eine feste,
stabile, allseitig von der Umgebung getrennte.
Spt.ise-Zinimt.1 im Hanse .'Strauch Bieiin,-n.
in sich geschlossene Form besitzt, Luft, Wolken
und Weflen können nich.t Objekt plastischer
Darstellung werden.
An dem Körper der höheren Tiere zeigt
sich zum ersten Mal klare und übersichtliche,
in sich lebende Schönheit, offenbaren sich aus
der Umwelt gesonderte, frei stehende, sich be-
wegende Massen von einer gewissen Stetigkeit
und in sich gegründeter Harmonie. Bei den
meisten Tieren hemmt jedoch das Haarkleid
beträchtlicham Genießen der eigentlichen Form.
Erst beim Menschen kann das Auge ungehindert
die körperlichen Gebilde abtasten — wie sie
weich und wohlgerundet ineinanderlaufen, sich
hebend und senkend, proportioniert sich be-
dingend, auseinander erwachsend, sich zu einer
Einheit schließen. Der nackte Mensch ist im
vollen Sinne Objekt der freien Rundplastik.
Was für das Bild der Rahmen, ist für die
freie Rundplastik der Sockel, die Trennung
von der LTmgebung, eine Aussonderung aus
der natürlichen Welt. Der Maler macht sich
wegen des Rahmens gewöhnlich wenig Kopf-
zerbrechen, noch seltener fertigt er ihn selber.
Einige Holzleisten in einer Farbe, die den Ton-
wert des Bildes hebt oder kontrastiert, ihn
nicht etwa herabstimmt oder gar tötet, sind
40
Stiihrci'ier.
in der Regel das Beste; dieselbe Aufgabe hat
der Sockel zu erfüllen, er soll nicht nur trennen,
er soll zu dem Werk hinleiten, ein vorgeschla-
gener Akkord.
Jede Formvorstellung setzt ficli aus zahl-
reichen einzelnen Gesichtsbildern zusammen;
diese einzelnen Gesichisbilder werden für ein
und das^elbe Objekt bei verschiedenen Be-
schauern sehr verschieden sein. .Als Folge
davon müssen die Formvorstellungen der ein-
zelnen Subjekte voneinander abweichen, für
ein und dasselbe Subjekt wird das gleiche Objekt
unter verschiedenen Bedingungen verschiedene
Cesichtsbildcr, mithin verschiedene Form-
vorsicllungen geben. Von einem .Menschen,
den man nur des Nachts gesehen, wird man
eine Formvorstellung haben,- die von der. die
man des Tages gewönne, völlig abweicht;
grelle Sonne läßt einen Teil der Form für das
Auge, mithin für die Vorstellung, verdunsten.
Wiederum: eine getrübte zerstörte Form (Tru-
betzkoi, Droschke im Schnee) kann in sich
durchaus geschlossen sein. Es soll doch nicht
die Form gegeben werden wie sie ist, dann
wäre ja der Gipsabguß Ideal, sondern die Vor-
stellung, die der Beschauer von der Form be-
kommt, w-enn er sie aus ihrer Umgebung iso-
liert. Dabei kann in die Vorstellung immer
nur das eingehen, was eben von der Form
auch tatsächlich zu sehen ist. Die materielle
Form selbst existiert für das Auge, auch für
das tastende Auge nicht. Der Maler braucht
die Form zur Konstruktion des Raumes, den
Plastiker interessiert die Form, inwieweit sie
den Raum verdrängt; beide Künstler bilden
nicht, was sie wissen, sondern was sie empfinden.
Lebhafte Bewegungen, Körper im .Moment
des Fallens, fliegende Vögel und Engel, für
die Rundplastik nicht oder nur unter Aus-
lösung peinlicher Nebeneindrücke darstellbare
Dinge , sind dem Relief zugänglich. Die
Gruppe der Rundplastik kommt ohne Hinter-
grund leicht in die Gefahr, auseinander zu fallen ;
das Relief gewährt ihr unbeschrankte (Jliede-
rung und Häufung der Figuren, in der Breiten-
entwicklung frei nebeneinander stehend, von
\r:l. 11'. V 11'. KUN(;F.-BREMEN.
Ivüdic un Hause Strauch.
41
Robert Bretter
JANSEN S: MEEUSSEN- BREMEN.
vorn nach dem Hintergrund zulaufend, sich
gegenseitig nielir oder weniger verdeckend.
Auch andere der Voll[)lastik fremde Objekte,
Bäume, Häuser und Wolken, einzelne Hlätter,
Girlanden, geometrische Ornamente, darf das
Relief festhalten; niemals aber können die
einzelnen Dinge bildmäßig zu einer Einheit
verschmelzen, das verbindende Medium der
Luft, des Schattens und der Reflexe ist auch
reliefmäßig nicht darstellbar. Es ist auch nicht
besonders stilrichtig, wenn einzelne Körper-
teile, Extremitäten, über die ideell vorgelagerte, .
einst in der Angriffseite der Platte existente
Fläche hinausragen, das gibt leicht den Ein-
druck des Hineingeschraubten, Angeklebten.
Im übrigen werden dem Relief in gleicher Weise
wie der Rundplastik von dem zur Verwendung
kommenden Material Grenzen gezogen.
Der absolute Naturalismus ist aus physio-
logisch-]isychologischen Gründen unmöglich.
Zwischen Natur und Werk steht stets der
Mensch als Medium. Selbst zwei mit mathe-
maihischer Korrektheit für wissenschaftliche
Zwecke hergestellte Zeichnungen desselben
Natiirobjektes haben wenn auch noch so mini-
male Abweichungen aulzuweisen; diese wachsen
Frenideii-Zinimei' im Hause Suhren.
mit der Gliederung des Gegenstandes. Von
einer Mauer wird man eher übereinstimmende
Bilder finden als von einem gotischen Dom.
Schaltet die Hemmung und Beeinflussung eines
bestimmten äußeren Zweckes aus, so kommt
ganz von selbst, sogar bei fanatischen Dog-
matikern des Naturalismus, die Individualität
im Sehen und Formen zur vollen Geltung.
Eine Abweichung vom menschlichen
Körper tut dem Kunstwerk keinen Abbruch
(Volkmann). »Ich komponiere genau so sehr,
wie irgend ein anderer, man merkts nur nicht
so«, sagt Liebermann, und ein andermal:
»Mit der Richtung eines einzigen Pferdebeines
steht und fällt mein ganzes Werk«. — Da nicht
anzunehmen ist, daß das Modellpferd sein
Bein just in die erforderliche Stellung bringen
wird, so muß der Künstler nach vorher ge-
faßtem Plane arrangieren. Hierzu bedarf es vor
allem einer unbedingt klaren Vorstellung dessen,
was er will, und dann - man soll's nicht merken.
Die Bewegungsgrenze, die sich der Künstler
für sein Schalten und Walten mit Naturein-
drücken zieht, ist überaus variabel. Feuerbach
sieht in dem Modell die Seele des Künstlers.
Röcklin will, daß man sich unabhängig mache
42
Stilbret'it't
von dem Xaturbild. Er rät, neben eine ge-
malte Rose keine wirkliche zu halten , die
Natur töte die Kunst. Der Neoimpressionist
Curt Herrmann hat umgekehrt seine I'reude
daran, zu sehen, wie die brilkinten l'arbwerle
seiner J5ilder den metallischen Glanz darüber
hingeführter Paradiesvögel und Papageien
erblassen lassen. Monet fühlt sich an den
Wechsel des Lichtes und die dadurch Ijc-
tiingtcn 'ronveriindcrungen so gebunden, d.iLS
er oft nur während einer Viertelsiuntle an
einer Tafel arbeitet, dann eine andere zur
Hand nimmt, die inzwischen gewordene Stim-
mung festzuhaken; so täglich. Böcklin lacht
über tue Militärmaler, die verptlichtet seien,
die Karben so zu geben, wie sie sich in der
Natur, der Uniform finden,, statt nach den
Bedürfnissen des Bildes, zusammengehörige
Farben weit auseinander, hart gegen weich,
dunkel gegen hell. Der große Schweizer fragt
nicht danach, ob die l"arbe des Bildes aucli
genau mit der Natur übereinstimme, sondern:
»Warum steht die l'arbe da, gerade die Farbe
und in der und der Menge ? Welchen Faktor
bildet sie in dem schweren Rechenexempel,
welches man — im Sinne des Materials, mit
dem man malt, also der Farbe — ein Bild
nennt. Wie kommt sie zur Geltung oder wie
hilft sie andern zur (leltungr Kurz, was
leistet sie«? (Böcklin- l'loerke). — ■ So müht
sich der eine, seine Vor.-;tellungen an dem
Maßstabe der Natur möglichst zu klären, der
andere verläßt skrupellos sein Modell, wenn
es seinen Absichten nicht entspricht, macht
bewußt ^Fehler«, sofern dadurch die Wirkung
erhöht wird ; wiederum ein anderer dringt
von dem Äußeren in das Innere der Natur,
Ijietätvoll das Bild suchend, das ihm als FvCrn
des Objektes unter der materiellen Hülle zu
ruhen scheint, er bessert die Mängel des Vor-
bildes; ein vierter schHeßlich sucht hier und
da, aus dem ("lefundenen ein Typus formend.
Von Tizian sagt Burckhardt: ^ Der göttliche
Zug in ihm besteht darin, daß er den Dingen
und Menschen diejenige Harmonie des Daseins
anfühlt, welclie in ihnen nach Anlage ilires
JANSE.N" Si MEEC-M-N l'.RKMEN.
Kauch-/ininier im Hause Suhren.
Auäfilliniti^: Mcilir. Bremer -iirciiirn.
43
Robert Breuer:
CARL EEG i ED. RUNGE BREMEN.
Direktions-Zimmer der Linoleumwerke Ankermarke- Delmenhorst.
Wesens sein sollte oder noch getrübt und
unkenntlich in ihnen lelit; was in der Wirk-
lichkeit zerfallen, zerstreut, bedingt ist, das
stellt er als ganz gluckselig und frei dar« .
Meunier schildert selbst seine Arbeitsweise:
»Durch jahrelanges Beobachten und vieles
Zeichnen ist es mir gelungen, einen Typus
zu finden. Ich gebe ein typisches Bild der
Klasse und nicht das isolierte Bild dieses oder
jenes Arbeiters«.
So klingt uns denn, von welclier Seite wir
auch immer an die Frage nach dem Künst-
lerischen in der Kunst herantreten, verschieden
formuliert, stets dieselbe Antwort: Ich, der
Künstler, bin das Künstlerische, die Kunst
an sich, le style c'est l'homme. Mehr viel-
leicht als jede andere ist die Geschichte der
Künste (auch die der redenden) eine Geschiclite
von Persönlichkeiten. Nicht in dem Sinne,
daß uns die Profanhistorie der einzelnen In-
dividuen besonders interessiere. Das gesamte
Vorstellungs- und Empfindungsleben in seinen
konzentriertesten Momenten, wenn es sich mit
Elementargewalt zu festen Gebilden umsetzt.
wenn die Seele, der Extrakt aller physisch-
psychischen Phänomene eines Menschen Ge-
stalt gewinnt — das ist es. was aus klaren
und ehrlichen Dokumenten je in der Sprache
der Zeit und des Volkes zu uns spricht. Das
ist es, was uns so mächtig an das Herz greift,
olt über Jahrhunderte hinweg, oft aus der
Zukunft lieraus: was wir in besonders glück-
lichen Stunden , — wenn wir den Dingen
auf den Grund zu sehen glaubten, wenn uns
ein völlig Neues aus Altgewohntem entgegen-
sprang, wenn süße, weiche Harmonien durch
oft erlittene Mißklänge tönten — wie eine
leider nur zu rasch vorüberhuschende Offen-
barung erlebten. Hier im Kunstwerk zeigt
uns ein größerer als wir in voller Realität
unserer geheimsten und zartesten Träume,
unsere gewaltigsten Phantasien, die subtilsten
Reizungen unserer Sinne und die klarste
Sprache unseres Herzens. -- Nur wenn wir
dem Künstler irgendwie verwandt, können
wir ihn verstehen, nur wenn er wirklich die
Erfüllung unserer ringenden Sehnsucht, werden
wir uns ihm beugen.
44
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Sti/brez'ier.
CAKL EEG i ED. RUNGE IIKLMEN.
Dirt;ktinns-Ziniuicr.
Fullbodeii und Waiui mit Linoleum bczw, Linkrusta >'Ankermarke« belegt.
Um ein festes Kriterium l'ür das Künst-
lerische zu bekommen, lassen wir aus der
Erinnerung das Naturbild des dargestellten
(legenstandes wach werden. l!ei einem Bild-
nis taucht, sofern uns der Porträtierte bekannt,
die von dem Lebenden gewonnene Vorstel-
lung in das Bewußtsein; bei einer noch nicht
gesehenen Landschaft kombinieren wir aus den
tjedächtniseindriicken einzelner Bestandteile
— Bäumen, Häusern, Bächen — eine Vor-
stellung der Natur; ebenso verfahren wir bei
Historienbildern, so romantisch sie auch immer
seien , stets können wir ihren Elementen
komparative, aufgespeicherte Natureiiidrücke
präsent werden lassen. .So entstehen in uns
zwei Vorstelluugsreihen, >die eine, die sich auf
die dargesteUte Natur, die andere, die sich auf
den darstellenden Künstler — die Darstellung
— bezieht« (Lange). Wenn wir nun zwischen
diesen beiden Vorstellungsreihcn hin- und
herpendeln, so empfinden wir immer deut-
licher das, was in dem Betrachteten anders ist
als in unserem Hirnbild, wir sehen das Plus,
wodurch sich das Werk erhebt, wir verstehen
die Absicht, die hier mit den auch uns ge-
hörenden Bausteinen geschaltet hat , wir er-
fassen des Kün'-tlers Ziel und Weg, — wir
goiüeßen in vollstem Maße das Künstlerische.
Dieserart vermehrt sich das ästhetische Ver-
halten gegenüber dem Kunstwerk, das sich
zunächst von dem gegenüber der Natur, ab-
gesehen von der Intensität , durch nichts
unterscheidet, einmal um das Bewußtsein der
vorliegenden Täuschung, dann um das F'.rkennen
einer hinzugekommenen, in sich geschlossenen
Größe, eines Stückes menschlicher Seele. —
Des weiteren gewährt das Kunstwerk noch
einige feinere Spezialgenüsse dem , der den
Mitteln nachspürt, die der Künstler zur An-
wendung gebracht, dem, der sich die Ent-
stehung im einzelnen vergegenwärtigt, alle
Überlegungen, technischen Schwierigkeiten
und deren Lösungen aufdeckt. Der Blick
in eine Geisteswerkstatt ist außerordentlich
befriedigend; wir haben Freude am Können
unserer Mitmenschen, wir fühlen uns in unserer
eigenen Zuversicht und Fähigkeit geklärt
und gestärkt. robert breuek.
1909. VII.
45
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GEORG K. ROHDE— BREMEN.
Glas-Gemälde im Treppenhaus des Hauses Suhren.
DIE GLASMALEREI ALS ARCHITEKTUR-GLIED.
Die Glasmalerei, die sich in den Reißbrett-
mustern einer falsch verstandenen Renais-
sanceornamentik zu erschöfjfen drohte, hat in
den letzten Jahren eine erfrischende Belebung
erfahren. Vom Publikum begehrt, vom Archi-
tekten begünstigt, konnten zahlreiche Glas-
malereien entstehen, gegen die nur der Ein-
wand zu erheben wäre, daß sie sich der Archi-
tektur in den meisten Fällen nicht oder kaum
einordnen. Sie bleiben Fremdkörper, fallen
aufdringlich aus der Fassade heraus, zerstören
die tektonische Geschlossenheit des Innenraums,
bleiben mit einem Wort Fremdkörper, wo sie
mit dem Gesamtorganismus zu einer Einheit
verwachsen sollten.
An sich betrachtet, sind sie oft nicht
schlecht. Bewährte Künstler haben Entwürfe
gefertigt, bedeutende und erfahrene Anstalten
bürgen für die vorzügliche Ausführung. Aller-
dings wird nicht bedacht, daß ein Glasbild an
sich gar nichts bedeutet. Es erhält erst Wert
und Leben durch die Eingliederung in das Bau-
werk. Vorher fristet es ein platonisches Dasein.
Ein Entvt'urf mag noch so wertvoll sein — an
der unrechten Stelle unpassend verwendet, muß
er als Barbarei wirken. Der so oft ausgesprochene
Gedanke, das Glasfenster sei eine Flächendeko-
ration, ist falsch, zum mindesten banal. Das
Glasfenster ist Architekturglied, seine Flächen-
gestaltung unterliegt somit einer inneren Not-
wendigkeit, die in der formalen Logik des Bau-
werkes wurzelt. Die gotischen Glasmalereien,
die vor allem als unbedingt vorbildlich gelten
können, sind in ihrer formalen Durchbildung
unverkennbar aus der Architektur heraus ent-
standen. In der Einordnung und Stilisierung
der dargestellten Figuren, in dem ornamentalen
Zweck des Zierwerks scheinen licht und lebens-
satt die Geslaliungsenergien der steinernen
Umrahmung weiterzufluten. Der Dom zu Augs-
burg, St. Kunibert in Köln bieten solche Er-
kenntnis. Nicht die Verwendung der mensch-
lichen Figur, ihre monumeniale Einfügung in
die gegebenen Raumverhältnisse, ist ausschlag-
46
-A.--GEMALL)K IM IlC'IKp-SAAI. DKs liKKMKK KATSKKLLKRS.
GEORG K. ROH DE
BREMEN.
GLASMALEREIEN.
GLASMAIXREIEN
ENTWORFEN UND
AUSGEFÜHRT VON
G. K. ROHDE — BREMEN.
Pajtl Wcsthcim .
JANSEN «.- MEEUSSEN — BRKMEN.
gebend. Schon vor nunmehr 25 Jahren hat
H. Kolb daraufhingewiesen: »Nirgends drängt
sich die Absicht auf, daß eine plastische Wir-
kung erzielt werden wollte. Die Figuren sind
dekorativ gehalten .... Die Farben zeigen
eine gleichmäßige harmonische Verteilung und
die Gesamtwirkung ist kein Hervordrängen,
P^amiliengrab auf dem Riensberger Friedhof.
kein Sichgeltendmachen der Malerei, sondern
ein ruhiges, farbenreiches, der Architektur
sich unterordnendes Abschließen der T.icht-
öffnungen.«
Die naturalistischen Gestaltungen, die in
dem letzten Jahrzehnt besonders üppig gedeihen
konnten, sind eigentlich undiskutierbar. Sie
Die Glasmalerei als . hrliifektur-Glied.
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werden nur als Zeichnererfindungen zu bewerten
oder vielmehr zu bedauern sein. Was als
l'.uchdeckel oder üuchillustration vielleicht an-
gängig gewesen wäre, hat noch lange keine
Existenzberechtigung als Glasmalerei. Solche
F>zeugnisse sind im Grunde genommen doch
nur Beweisstücke für die l'neilslosigkeit, mit
der heute viele — Künstler wie Gewerbe-
treibende — arbeiten, und was ist uns da
alles vorgelührt worden? Minutiös durch-
geführte Landschaften, Frauenköpfe mit lang
wallendem Haar, Genrebilder in einem miß-
verstandenen I'lakatstil, nackte Mcnschenleiber
mit lileikonturen und Bleiakzenten, oder was
sonst an papiernem Zauber erdenkbar gewesen.
iJieser Dinge scheinen nachgerade die
V'erfertiger selbst anzufangen satt zu werden.
Der Wille zum Stil ist erwacht und macht sich
auch hier geltend. Einzelne der gutgeleiteten
Kunstgewerbeschulen wirken in dieser Hinsicht
recht günstig. Allein noch zehrt nicht selten
das plumpe Stilisieren nach Naturformen an
der Gestaliungsgabe. Es ist kein sonderlicher
Gewinn, statt einer harmlosen l.andschalt
einen verrenkten Krebs oder eine mißratene
Hummer in der Fassade zu finden. Die natür-
liche Ursache ist auch hier die Behandlung des
Glasfensters als platonische Flachenzeichnung.
Selten wird einer dieser Entwürle in das Material
umgesetzt, nie wird er lür eine bestimmte
.■\rchiteklur ersonnen. Das Gewerbe hat sich
übrigens auf eine solche Art der Gestaltung
Die Glasmalerei als. Architektur -Glied.
eingerichtet. Es entstehen fortgesetzt Glas-
malereien auf Vorrat, die bald diesem, bald
jenem Bauwerk eingefügt werden. Die Haupt-
sache ist, daß das Größenmaß paßt.
Und doch wie viele Voraussetzungen, die
sich von Fall zu Fall ergeben, erheischen ihre
artgerechte Lösung. Die Lichtverhältnisse, die
durch das farbige Fenster reguliert werden
sollen, sind überall anders. Und koloristische
Harmonie schematisch zu erzielen, wäre Tor-
heit. Einmal soll das Trejipenhaus leicht be-
lebt und doch dem Benutzer die schöne Aus-
sicht nicht vöUig entzogen werden. Dann ist
vielleicht innerhalb eines großen Fensters nur
eine teilweise, lichte Verglasung erwünscht.
Ein anderes Mal soll gerade der Blick auf
einen häßlichen Hof oder eine langweihge
Nachbarwand versperrt werden. Bald ist die
Fassade streng, bald heiter. Und schließlich
bleibt noch immer der notwendige Ausgleich
mit dem Innenraum. Das Musikzimmer des
Landhauses und die Kirchenhalle erfordern
nicht allein aus inneren Gründen verschieden-
artige formale Gestaltungen. Vereinzelt gibt
es bereits einige Lösungen, die aus der Tek-
tonik geboren erscheinen. Ich erinnere nur
an verschiedene Fenster — etwa an die im
Pallenbergsaal zu Köln — von dem auf diesem
Gebiet auch technisch so erfahrenen Melchior
Lechter oder an Kolo Mosers Glasmalereien
für die von Otto Wagner erbaute Kirche der
niederösterreichischen Heil- und Pflegeanstalt
(sie sind in der Deutschen Kunst und Deko-
ration«, Band XXI, S. 170/171 abgebildet).
Das verbreitete Vorurteil, man könne mit
buntem Glas und Blei frischfreifroh phanta-
sieren, muß überwunden werden. Das Glas-
fenster, so als kunstgewerblicher Sondergegen-
stand betrachtet und gestaltet, verwildert natur-
gemäß. Das höchste Ziel einer guten Glas-
malerei ist unbedingt, dem Architekten für
bestimmte Zwecke als denkbar bestes und
selbstversiändlichesDekorationsmiltel zudienen.
Allerdings wäre zunächst einmal das Stadium
der »bunten Zutat« zu überwinden, dann wäre
schon Vieles gewonnen. — paul westheim.
CARL WEIDEMEYER— BREMEN. GRABDENKMAL.
[TERR-RSS EN ftNLR G E RUF DEm LRN D GU T E -D ES-H ERRN' FR' K ELLN ER ■ B OR&FElD-BREm £ N ■
hK. oiLUEMKisTER BKEMK.N. Terrasseii-Anlage.
TOTE UND LEBENDE SCHÖNHEIT.
VON D«- EMU. UTir/. PRAG.
Selbst derjenige , welcher die Überzeugung
vertritt, daß in den mannigfaltigen Er-
scheinungen des Schönen in Natur und Kunst
letzte Gesetze hervortreten, die unwandelbar
durch den Ciang der Zeiten dahinziehen in
eherner Strenge, wird doch zugeben, daß das
Schöne in gewissem Maße von zeitlichen und
örtlichen Bedingungen abhängt und daher
mancherlei Wandlungen unterworfen ist. Mag
sein Kern vielleicht sich auch gleich bleiben,
die Hüllen wechseln.
In dieser — ja gar oft erwähnten — zeit-
lichen und örtlichen Bedingtheit der Künste
liegt eine der Ursachen des Stilwandcls. Nur
arge Verblendung könnte dies leugnen. Dieses
Geschehen aber zu bedauern, heiLJi den un-
aulhaltsamen Schritt der Tatsachen anzuklagen,
statt bescheiden seiner Sprache sich zu fügen.
Immer aber erheben sich Rückschrittelei und
Sentimentalität , die laut das Lob des Ver-
gangenen singen und seine Forlfühmng fordern.
Und indem sie dies tun, zeigen sie deutlich,
daß sie die Werte der Vergangenheit — nicht
verstehen. Gerade die begeisterte Liebe zu
vergangener Kunst muß die Erkenntnis ihrer
Einzigkeit zeitigen. Wir können keine neue
Gotik und keinen neuen Goethe hervorbringen:
wohl möglich ist aber eine Zeit, die an innerer
Größe und Wucht jener nicht nachsteht, und
ein Genie, das jenem gleichkommt. Wir
stören aber alles Werden und Wachsen, Keimen
und Blühen , wenn wir im Namen des Ver-
gangenen das Seiende vergewaltigen. Der
Vergangenheit lichte Werte zu verdunkeln,
ist fraglos Barbarei; aber gleiche Barbarei ist
es, der Gegenwart eigentümliches Wesen zu
mißachten und zu verkennen.
Zu diesen Fragen seien mir nur einige
wenige Bemerkungen gestattet. Vorerst be-
achten wir die große Tatsache des Stilwandels !
Wer in der Kunst nur einen Ausfluß müßiger
Laune, anmutiger Tändelei erblickt, wird da
1909. VII.
53
FR. GILDEMEISTER - BREMEN. AUS DEN HAUSGARTEN C. H. GTLDEMEISTER UND RICH. FRITZE - BREMEN.
54
FR. GII.DKMEISTER-KREMEN.
IK. GILDEMEISTER- BREMEN.
HAUSGARTEN UND VERANDA EINES I.ANDHAUhl-.s.
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ENTWURFE VON l'K. GILDEMEISTER— BREMEN.
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Tote und lebende Schüiilieit.
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um eine Erklärung nicht verlegen sein : das
Bedürfnis nach Abwechslung leitet das Kind
von einem Spiel zum anderen ; das gestern
noch heißgeliebte Spielzeug liegt heute ver-
gessen im Winkel. Die Oberflächlichkeit untl
Leichtfertigkeit dieser Deutung der eigenartigen
Krscheinung des Stihvandels springt wohl
in die Augen. Sie Tviirde höchstens einen
ganz willkürlichen Wechsel begreiflich machen,
ähnlich wie er bisweilen in der Mode vor-
kommt; völlig aber läßt sie uns darüber im
Unklaren, warum gerade dieser und nicht jener
Wechsel statthaft. Der Wahrheit wird hier nur
derjenige näher kommen , welcher die Kunst
tiefer faßt und in ihr einen großartigen Aus-
druck der Kultur sieht , der sie entwächst.
Und die großen Kulturwandlungen bedingen
auch Bleiben und Wechsel der Erscheinungen
der Kunst. Doch wäre es irrig, das einzelne
Werk ganz aus diesen Bedingungen erklären
zu wollen. Ich will nur darauf hinweisen,
daß die Entwicklung der Technik einerseits
GART ENGlTTER'FR'GILDEmEISTER-GARTEn ARCHITEKT-BREMEN
KNTWÜkFK VON IK. GILUK.MEISTER- BREMEN.
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Dr. Emil Utitz-Pmi:
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CARL WEIDEMEYER BREMEN.
Schranken setzt , andererseits eigentümliche
Probleme stellt , die nur aus ihr heraus ab-
leitbar sind. Noch auf einen anderen Punkt
will ich aufmerksam machen: des Künstlers
Persönlichkeit verleiht dem Werke eine eigene
Note , eine einzige Besonderheit. Aber die
Persönlichkeit ist ja nichts reif und fertig vom
Himmel gefallenes , sondern etwas , das sich
siegend und kämpfend entwickelt. Und es
entwickelt sich in der Zeit, die ihm tausend
Anregungen entgegenträgt; und es liebt oder
haßt die Zeit; aber es wurzelt in ihr, mag
auch seine Sprache und Geberde weit empor-
wachsen. — Die ganze blühende Mannigfaltig-
keit klassisch griechischer Kunst, ihr uner-
schöpfHcher Reichtum treten uns entgegen
als eine große Einheit, in der mächtig sich
das Wunder des griechischen Geistes offenbart;
62
jene Lebens- und Weltanschauung , deren
warmer, lebensfroher Hauch heute noch er-
quickend, ja begeisternd uns entgegenschlägt !
Und als sie verfiel, als das Herbe sich löste,
und Größe zur Anmut niedersank, da schwanden
die männlichen Heldengestalten , da versank
die Hoheit mächtiger Götterbilder , und es
entstanden die weichen, zarten Formen träume-
rischer Jünglinge und die üppige Pracht
schöner Frauen, wie sie uns in der späteren
Kunst entgegentreten. Und als die Antike
unter2;ing, als der Blick von der lachenden
Welt unbefriedigt sich abwandte, als der Sinn
von außen nach innen sich richtete , wo
zitternd die Seele fror in Glaubenszweifeln
und in Himmelssehnsucht, und als diese Seele
jubelnd sich erhob , da erwuchs auch eine
neue Kunst : eine Kunst der Seele , die ihre
Tote tvtd lebende Schönheit.
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fMMDEf? ■enc?TEH - HRU£."EffrW C-WEiDEMCyER;
< AK- UKlUEMI-.Vl-.k lyKKMLN.
Heimlichkeiten zum Ausdruck brachte. So
schuf stets eine neue Zeit eine neue Kunst;
wenn die Menschen andere wurden , ward
naturgemäß auch ihr künstlerisches Ausdrucks-
bedürfnis ein anderes. Und so strömen die
Quellen der Kunst aus dem tiefsten Bronnen
der Menschen. In ihr liegen der Menschheit
größte Offenbarungen. Gar manchesmal ward
dies gesagt und ausführlich erörtert. Und so
wollen wir, aufbauend auf diese knappen An-
deutungen über den Stilwandel , einiges er-
örtern, das für uns vielleicht nicht unnütz ist.
Deutlich lehrt der Stilwandel: es gibt
Schönheit, die stirbt. Kbenso wie Kulturen
untergehen , gehen auch bestimmte künst-
lerische .\usdrucksformen unter und weichen
anderen, die den jeweiligen Bedürfnissen mehr
entsprechen. Und nicht an sich beklagens-
wert ist dieses Sterben, dem neues Ueben
entwächst. Denn was es an kräftigen Werten
barg, wirkt weiter. Der alten Kunst große
Taten erfreuen und erheben uns noch heute,
ständig spenden sie Lust und Wonne; und
sie werden zu Lehrmeistern kommenden Ge-
schlechtern; zu Lehrmeistern, nicht aber zu
Vorbildern, die nachgeahmt werden müssen;
zu Lehrmeistern, deren Lehre (ortgeführt wird,
gleichwie ein musikalisches Motiv, das anfangs
erklingt, weiter und weiter sich auslebt, immer
größere Kreise ziehend. So verändert wirkt
Vergangenes fort, es aber durch sklavische
Kopien künstlich einem neuen Leben zuführen
zu wollen, heißt tote Gespenster an die Stätten
setzen, die einst voll blühender Kraft waren.
Wir können Vergangenem viel weihen, wir
genießen es in großen Stunden unseres Lebens,
63
CARL WEIDEMEYER— BREMEN.
SOPHA UND SESSEL IN KÜHK-GEFLECHT.
Ausführung: Gebr. Stalle-Bremen.
CAKI. WKIDEMEYER BREMEN.
KINUER-GARTEN-HAUSCHEN.
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CARL WEIDEMKVKK ItKfc-MEN. KIM 'KK-MOBKL.
Ausführung: Vereinigte Werkstätten fiir Kunst im Handwerk— Münclicii-Brcmen.
CARL WEIDEMEYER BREMEN.
SPIELSACHEN.
66
AUSORMHRT VON
DKN VKRKIMOTFN
WI-RKStXtTKN f'VK
KUNST IM IfANDWtiKK
■11 NCHKN-nRIvMHN.
Tote lind lebende Sc/iönheif.
aber es lost uns los von unserem i.eben. Dessen
können einige Altertumsforscher antraten,
nicht aber ein Volk und seine Künstler. Sie
trinken von den Quellen ihrer Zeit, und be-
rauschen ficli an diesem Trank. Aus diesem
Rausche müssen sie schaffen, in ihm genießen,
<lurch ihn emporwachsen in künftige Zeiten.
Wegweiser in die Zukunft wollen wir; der
Führer in die Vergangenheit haben wir genug.
Und auch vergangenes starkes Leben und
seinen künstlerischen Ausdruck kann nur der
in Ganze fühlend und erschauernd erfassen,
der selbst ein starkes, eigenes Leben lebt.
In kleinen Alpendörfern hatte ich noch
bisweilen Gelegenheit Ausfahrt und Einfahrt
alter, wackliger Postkutschen anzusehen. Ein
malerischer Anblick I Aber wehe dem . der
zu so einer mehrstündigen Fahrt verurteilt ist !
Und das Liedlein , das der Postillon bläst,
klingt ganz wundersam, schöner sicher als das
Tuten der Automobile. Wird aber jemand
deswegen verlangen, die Chauffeure sollten
rührende oder fröhliche Lieder zum Besten
geben? Das wäre wohl allzu grotesk.
Alte , winklige Straßen mit ganz hohen
Häusern, verschmutzt und verstaubt, können
entzückend wirken. ALan kann stundenlang
in ihnen umherirren , immer wieder neue
malerische Schönheiten entdecken. Wird man
aber da wohnen wollen 'i Wird man nicht
vielmehr im Namen einer hygienischen Zeit
nach energischer Abhilfe heischen?
Wer heute neue Arbeiterdorfer sieht, die
freundlichen Gartenstädten gleichen , die ein
Sonnenstrahl gesunder Schönheit umglänzt,
w-er große Warenhäuser — etwa Wertheim in
Berlin — durchwandert oder des abends über
eine belebte Großstadtstraße geht , wenn
das tausendfältige Licht unzähliger Lampen
schimmert und leuchtet, wer den weiten Atem
geräumiger Bahnhofshallen auf sich wirken
läßt, wer den kühnen Schwung elegant sich
spannender Brücken verfolgt, wer auf den
ganzen Komfort unseres Lebens achtet, der
wird da ästhetische Werte finden , die neu
sind, Eigentum unserer Zeit; frisch auflebende
Schönheit, die uns manche tote ersetzt. Man
kann nicht alles vereinen : wem der heiße
Atem unserer Tage nicht paßt, der fliehe
ihn und suche die einsame Stille, aber er hat
nicht das Recht , uns durch Klagen und
Jammern die Freude an der Art unseres Lebens
vergällen zu wollen.
Einen Einwand kann man mir leicht
machen : ist es gerechtfertigt von toter Schön-
heit zu sprechen, da wir doch alle alte
Schönheit zu genießen vermögen ? Ich habe
selbst in diesem Essay des öfteren darauf
hingewiesen. Doch einiges gilt es da zu be-
denken: wir genießen nicht alle alte Schön-
heit, sondern nur das Beste von ihr. Vieles,
das früher erfreute, langweilt uns heute. Nur
soweit allgemein Menschliches im Alten weht,
spricht es zu uns unmittelbar ergreifend. Zu
dem anderen müssen wir uns durch historische
Schulung durchringen.
Und etwas ganz anderes ist es : alte Kunst
genießen und ihre Nachahmung anzuempfehlen.
Die Nachahmungen führen uns nicht weiter
und geben nur immer wieder Bruchteile dessen,
was wir schon besitzen. Mögen wir also das
Alte noch so lieben, noch so verehren, unsere
Zeit müssen wir offen halten der Kunst, die
ihr allein entspricht. —
RICHARD KuöHL— BERLIN. Oster-Spielsacfien in Holz.
Ausführung: Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst— Dresden.
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68
CHINHSISCHES
GEMÄLDE :
BILDNIS
ZWIUER DAMEN
CHINESISCHE GEMÄLDE.
VON II«- HANS BETHGK.
Mit der chinesischen Malerei ergeht es
uns wie mit der ja])anischen : unsere
Kenntnisse davon sind nur recht vager Art.
Die alten klassischen Gemiilde der Japaner
befinden sich in den Palästen des Adels und
in den Klöstern des Landes, die sie schwerlich
je verlassen werden. Die Europäer haben
eifrig Sammlungen japanischer Farbenhok-
schnitte angelegt, die von den Japanern selbst
nur wenig gesammelt worden sind. Über
diesen Farbenholzschnitten vergaß man m
Europa ganz die japanische Malerei. Dali
diese, wie überhaupt alle alte japanische
Kunstübung , ihre Wurzeln und ihre ganze
festgefügte Ba-^is in China hat, bedarf keiner
Erörtenmg. Die Kunstfreunde haben sich um
China immer viel zu wenig gekümmert, alles
warf sich auf Japan, besonders in den letzten
Jahrzehnten, denn Japan war Mode, und die
Kunst der stärkeren Chinesen wurde von den
Europäern auffallend vernachlässigt.
Was ich bisher an chinesischer Malerei
gesehen hatte, war zum Teil so köstlicher
.Art, daß ich immer die Sehnsucht gehabt
hatte mehr davon genießen zu dürfen. Ich
hatte einige auf Seide gemalte prachtvolle
Porträte gesehen, von starker Charakteristik
und wuchtiuem Stil. Einen besonders starken
Eindruck aber hatte eine spärliclie Sammlung
kleiner auf Seide gemalter Bildchen auf mich
gemacht, die allerlei Szenen aus dem Leben
darstellten: wunderbar feine, farbig zart
getönte Sächelchen von einem holden lyrischen
Reiz, hingehauchte Menschen und Land-
schaften, von einem zärtlichen Duft umflossen.
Was man sah, waren Fragmente, losgerissene
Einzelheiten, aus denen man sich ein Gesamt-
bild nicht gestalten konnte. Die Begierde
der China-Freunde wurde daher aufs höchste
erweckt, als es hieß, daß eine deutsche
Frau in China eine große Sammlung chinesischer
Ciemälde zusammengebracht habe, die in
Berlin ausgestellt werden sollte. Die Aus-
stellung dieser von Frau Olga Julia Wegener
gesammelten Bilder hat in der Akademie der
Künste stattgefunden und wurde von allen
Kunstfreunden, denen sie die Wege in ein
langersehntes Gebiet ebneten, auf das wärmste
begrüt'.t. Es \var ein Genuß sich zwischen
diesen zweihundertunddreißig gut placierten
langen Bildern, die da abgerollt an den
Wänden hingen und übrigens nur einen Teil
der Wegenerschen Sammlung darstellten,
betrachtend zu ergehen. Leider hat es der
Staat versäumt, Ankäufe aus dieser schönen
Sammlung zu machen. Er hat sich die
Gelegenheit entgehen lassen, für das in
Dahlem bei Berlin zu errichtende neue
ostasiatische Museum schöne Dinge zu erwerben.
Dies ist auf das lebhafieste zu bedauern, zu-
mal nun die Wahrscheinlichkeit voriiamien
ist, daß Frau Wegener ihre Sammlung in
das Ausland verkaufen wird. London hat
eine Sammlung chinesischer Bilder im Britischen
Museum. Warum zögern wir denn, uns auch
ein solches Besitztum zu erwerben, da es
uns in so bequemer Weise angeboten wird r
Die Gemälde, die man in den gut be-
leuchteten Räumen der .Akademie der Künste
sah, waren natürlich nicht alle gleicliwertig.
Die eigentlichen Meisterwerke klassischer
Epochen wird man kaum jemals in Eurojta
zu sehen bekommen, die chinesischen Paläste
und Klöster halten sie fest. Aber man sah
trotzdem des Schönen die Fülle. Das älteste der
Bilder führte in das achte Jahrhundert zurück, in
die glorreiche Zeit der Tang-Dynastie, welche
die strahlende Blüte der chinesischen Dich-
tung war und Chinas beide größten Poeten,
Li-Tai-Po und Thu-Fu, hervorgebracht hat.
Die neuesten Bilder, soweit sie datiert waren,
gehörten dem 19. Jahrhundert an.
Die Chinesen pflegen auf Seide zu malen,
zuweilen auf Pflanzenfaser])a])ier. Sie kleben
dann die Bilder auf" einen dickeren Seiden-
oder Papierstoff und rollen das Ganze über
einem Holzstock zusammen. Gerollt werden
die Bilder von den Chinesen aufbewahrt. In
einem Kämmerchen kann man eine ganze
Galerie vereinigen. Natürlich bilden sich durch
das Rollen vielfach Risse und Brüche, die beson-
ders bei den älteren Bildern störend in die Er-
scheinung treten. Der Malgrund ist fast immer
braun; vom hellsten gelb-braun über gold-
VM)9. \ III.
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CHINESISCHES GEMÄLDE. ( I 7. J.MIUIIUNDEKT.)
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.UlilHI.UHUM.ORlK.Vr . vliKMUlLlCMtUKN-IAfllN. ENDK DER MINO KPOCIIE (l3'>8 l()44)
Dr. Hans Bet/iae:
braun zum bräun-
liclien Dunkel. Was
fiir eine vielgestal-
tige , stilistisch be-
deutsame und cha-
rakterreiche Welt
spielt sich vor diesen
braunen (^runden ab!
— Da sind Blumen-
stücke der lieblich-
sten Art. Die Päonie
ist die Lieblingsblüte
der chinesischen
Maler, man trifft sie
in allen farbigen
Nuancen , in allen
Formen , in zarten
und üppigen. Man
sieht frühlingshafte
Blütenzweige des
Pflaumen - Baumes,
belebt von kleinen
Vögeln , dekorative
Kompositionen , wie
sie die Japaner von
den Chinesen Über-
nommenhaben. Man
sieht einfache, ganz
flächig hingestrichenc
Blätter des Bambus-
rohres und große,
mystische Blumen-
köpfe ragen auf rie-
sigen Stielen in eine
feierlich gedämpfte
Luft , umgeben von
stillen , riesenhaften
Blättern. — Und
dann die Tierbil-
der. Wir sehen Kor-
morane und Reiher
am Wasser , unter
blühenden Bäumen.
Silber- und Gold-
fasanen tauchen auf,
Pfauen und unge-
heuer kräftig stili-
sierte Adler, sitzende
und fliegende. Ein
Reh , das oftenbar
verwundet ist, steht
mit schmerzvoll zu-
rückgebogenem Kopf
in einer Schneeland-
scliaft , ein feines
und rührendes Bild.
l'HUfcjäP:..,.-,
-v»-'riäiB*u;T:s '*",'!
■fc-
. gemAlde: »der priestkk tamo gemt aui' die
I '.\N(;-\ [.\. 11522 ly^r.)
Zwei Kraniche, farbig
ganz auf schwarz und
weiß gestellt , wer-
den zu einem ener-
gischen, schön in
sich bewegten de-
korativen Gebilde
zusammengebracht.
Man sieht ein ganz
wundervolles kleines
Bild aus dem Jahre
1100. Ein paar weiße
Hühner mit Fasanen-
küken sind darge-
stellt, das Bild trägt
das Siegel des Kaisers
Hsüan-Ho. Dieses
alte Bild ist von einer
so außerordentlichen
Schönheit des Tones
und von so hervoi-
ragender Zeichnung,
daß man es als ein
.Meisterwerk der bil-
tlenden Kunst an-
siirechen muß. Man
wird an alte hollän-
dische Meister ge-
mahnt , wenn man
dieses Bild betrach-
tet. Die Art wie
die Schwanzfedern
des Hahnes darge-
stellt sind, das ist
die schlechthin be-
wundernswerte Art
eines großen Künst-
lers. Der Tiger aus
der Ming - Epoche
(1368 — 1644), den
wir abbilden , ein
weiches, weniger auf
sein Knochengerüst,
als auf sein Fleisch
hin gesehenes Vieh,
ist eine hervorragende
Impression. Auch die
Pferde, die man zu
sehen bekommt, sind
mehr auf ihren flei-
schigen Umriß als auf
das Gebäude ihrer
Knochen hin darge-
stellt. Der Pferde-
typus, den schon Han
Kan auf einer inter-
74
CHINKSISCHKS
r.KMÄl.DU:
i.tKHKSPAAR«,
tS HU-CIIICH.
. HINii-KPOCHB
11644 niSJBTZT).
C//i/u'stM//e Geniä/th:
CHINESISCHES GEMAI.DE: »BILDNIS EINES HOHEN BEAMTEN MIT FRAU«.
essanten, fast byzantinisch anmutenden Skizze um
750 gibt, ist zwar im Laufe der Zeiten gemodelt,
aber doch in seiner eigentlichen Wesenheit
kaum verändert worden. Ein kostbares Bild ist
jenes aus der Ming-Epoche, das einen mongo-
lischen Jäger mit zwei Pferden darstellt (Ab-
bildung S. 79). Ein Bild von farbig mysti-
schem Gehalt und einem mächtigen inneren
Rhythmus. Die Abbildung gibt nicht das
Wesentliche, wie überhaupt die Reproduktionen
hier nur schwache Xotbehell'e sind. Aber
man nehme die Ruhe des rückwärts schauen-
den vornehmen Rappen und die Ruhe des
grasenden Schecken und die heftige Be-
wegung des mongolischen Jägers, der sich
eben anschickt die Elinte anzulegen, in sich
auf. Ein Tierbild von ganz bedeutenden
Qualitäten ist jene Malerei aus der Epoche
der Ming-Dynastie (1368— 1644\ aut der
man einen Bären und einen ,\dler dargestellt
sieht. Der Bär ist zeichnerisch bis in alle
Einzelheiten durchgebildet (was die Wieder-
gabe leider nicht erkennen läßt) und zeigt
doch einen durchaus großzügigen Rhythmus.
Seine Bewegung, wie er den Baumstamm
hinaufgehen will und dabei nach oben schaut,
ist unübertrefflich erfaßt, überhaupt scheint
mir dieser dunkle Geselle ein unübertrefflicher
Bär zu sein, nach seinem Umriß, nach seiner
inneren Eorm, nach seiner Zeichnung. Er
müßte das Entzücken des Bildhauers Gaul
bilden, der so gerne Bären modelliert hat,
aber niemals einen schöneren als diesen. Auch
der Adler mit dem zornigen Blick und der Kraft
seiner Klauen ist köstlich gesehen und erfaßt.
Diese alte .Malerei scheint mir das schönste
//
Chinesische Gcmä/dc.
CHINESISCHES GEMÄLDE: »HÄUSLICHER GENIUS MIT PLÄTT-E[SEN . (UM 160O.)
Tierbild, der Wegenerschen Sammlung zu sein.
— Man sieht Landschaften, blühende und
beschneite , von stärkstem Eindruck. Die
landschaftliche Szenerie besticht schon durch
ihr schönes, graziöses Material: durch die
schön gewölbten, hölzernen Brücken, durch
die dunkeln, haarigen Silhouetten der Aleppo-
kiefer, durch die seltsam steilen, hohen Berge,
die fast die Form von Zuckerhüten haben,
durch das feine, hängende Laubwerk der
Weiden und das duftige Schilfwerk an den
Gewässern und durch die zierliche kapriziöse
Architektur der Häuser und Pavillone. Man
findet Landschaften mit stark ausgeprägter
Perspektive , wenn auch nicht mit einer so
naturalistischen Perspektive wie wir sie heben,
sondern mit einer Perspektive mehr flächiger
und dekorativer Art. Daß der chinesischen
I\LTlcrci die Perspektive überhaujit fehle, kann
nur Unverstand behaupten. Aber auch der
stärkste Naturalismus, den man auf vielen der
chinesisclien Bilder antriflt , ist niemals so
naturalistisch, daß dabei das dekorative Element
übersehen würde. Dekorationen sind diese
Bilder immer in erster Linie. Es ist be-
wundernswert, mit welchem dekorativen Fein-
gefühl landscliafiliche Ausschnitte gegeben
werden; wie durch Überschneidungen, durch
das plötzHche Hereinragen von Zweigen bild-
hafte Wirkungen der intimsten Art resultieren ;
wie das Raumgefühl ausgeprägt ist — bei diesen
Bildern , die nach unseren Begriffen gerade
für die Entwickelung räumlicher Feinheuen
die denkbar ungünstigsten Formate besitzen.
Meistens sind die Landschaften von
Fisfuren belebt. Da ist ein Wasserfall von
78
r.KMAl.DE: .MONGOl.ISCHEK JÄGEK.. BEZ.: CH'KN-CHi-ClIUNG. MING-EI'ÜCHE. (1368 1644.1
1909. VIII. t
Dr. Havs Bethge:
CHINESISCHES GEMÄLDE: »NÄHENDE ERAUo.
BEZ.: CHANG-VVEI. ANFANG DER TSCHING-EPOCHE.
(1644 BIS JKTZT.)
ungeheurer Höhe, der schlank herabflutet an
wilden Felsen und dessen unten zerschäumen-
des Naß sich in ein ornamentales Gekräusel
auflöst, eine reine Landschaft, wie es scheint,
aber sehen wir näher hin , so erblicken wir
unten einen Pavillon mit kleinen Menschlein,
die angeregt dem Schauspiel des herabstürzen-
den Wassers zuschauen. Einsame Frauen
stehen in Landschaften und erfüllen sie mit
82
einer lyrischen Anmut wundervoller Art. Wir
sehen schlanke Gestalten von mädchenhafter
Holdheit und von einer Süße der Bewegung,
die uns ganz hinnimmt. Wir sehen Frauen
von ganz madonnenhaftem Wesen, wir werden
geradezu an die Madonnen der frühen,
primitiven Künstler in Italien erinnert, an die
Gestalten von Giotto und Cimabue. Eine
ganze Reihe von Bildern erinnert, wenn man
sie aus einiger Entfernung betrachtet, nach
Zeichnung und Farbe an die Malereien des
Trecento ; erst wenn man näher herantritt,
erkennt man die chinesische Linie.
Die schön wallenden Gewänder der f'raucn
werden mit großer Liebe behandelt , und
Bänder flattern dahin in ornamentalem
Schwung. Eine Blumen streuende Halbgöttin,
deren Gewänder wie ein schönes Ornament
erscheinen , mutet an wie eine liebliche
Tänzerin in den Lüften. Unter den eigent-
lichen Porträten finden sich sehr bedeutende
Stücke. Das nicht datierte Doppelbildnis
eines hohen Beamten mit seiner Frau , das
wir wiedergeben , ist von außerordentlicher
. Charakteristik und auch durch seine energi-
schen Farben sehr eindrucksvoll: wie mächtig
ist der Kopf der Frau gesehen. Das j» Weib-
liche Porträt«, das wir gleichfalls wiedergeben,
ist um 1600 entstanden, vermutlich durch
den Pinsel Chen- Lau- Lins, und wirkt be-
zaubernd durch seine Vornehmheit und Dis-
kretion; vor dem Original tauchen Em-
pfindungen auf, die nach Griechenland hin-
überweisen. Das »Bildnis zweier Damen«-
(Abbildung S. 70), das nicht datiert ist,
nimmt durch seinen grazilen Duktus, durch
die Anmut der Gestalten sofort gefangen.
Das Bildnis des Priesters Tamo (Abbildung
S. 74) ist nicht mehr Porträt zu nennen.
Das kostbare l?ild stammt von Tang-^'in
(1522 — 1567). Tamo geht in der Mongolei
auf die Jagd. Er und sein Kamel sehen
nach oben, dem über ihnen fliegenden Vogel
nach. Aber auch die Berge sehen nach
oben und die Höcker des Kameles und Alles.
Auf dem Bildrand steht: ^^Es wird Abend
und es fängt leise an zu schneien«. Winter-
liche Luft liegt über dem Bilde und eine ganz
mystische Stimmung, die etwas Ergreifendes hat.
Soviel von den chinesischen Gemälden,
deren Bekanntschalt wir Frau Olga Julia
Wegener verdanken. Auf diesen flächigen
Bildern, die den Schatten der Dinge wieder-
zugeben immer vermeiden , konnte man so
ziemlich alle Nuancen der malerischen Dar-
stellung verfolgen, die wir von unserer euro-
Chinesisc/ie Gemälde
päischen Malorci her gewöhnt sind: vom
absoluten ReaUsmus bis zur verfeinerten Stil-
kunst. Man sah ganz impressionistische Bilder
aus Zeiten, wo wir in P^uropa an den Im-
pressionismus noch nicht dachten. Man sah
die diskretesten Stilisierungen aus Zeiten, wo
wir in Deutschland in kultureller Hinsicht
noch auf Bärenfellen lagen und uns eine be-
wußte Kunstübung unendlich ferne lag. Man
sah die künstlerischen .Äußerungen einer unge-
heuer allen und mächtigen Kultur, man sah die
Kultur der chinesischen Linie an malerischen
Darstellungen, die unsere hohe, verehrungs-
volle .Achtung vor dem chinesischen Volke und
seiner Kunst noch verstärkte. Hoffentlich ist
diese Sammlung den deutschen Liebhabern ein
Hinweis geworden, sich in Zukunft nicht nur
mit dem chinesischen Kunstgewerbe, sondern
auch mit der chinesischen .Malerei zu befassen.
Eine Reverenz vor der Dame, die diese
Bilder ferner Gegenden und ferner Zeiten
gesammelt hat. Und einen langen Seufzer
tun wir zu dem Manne hinüber, dessen
Pflicht es gewesen wäre, die schönsten dieser
Bilder für das schon genannte, gejjlante Museum
in Dahlem zu kaufen, — Wilhelm Bode,
dem Generaldirektor der Museen zu Berlin.
Ich persönlich ging mit einem besonderen
Gefühl der Liebe durch diese Ausstellung
chinesischer Bilder hin. Ich hatte mich näm-
lich kurze Zeit zuvor des Näheren mit der
Dichtung der Chinesen befaßt und hatte, ent-
zückt über die Krischen Schätze, auf die ich
stieß, eine Anzahl der schönsten (-hinesischen
Gedichte aus allen Zeiten in deutsche Verse
umgegossen und zu einem Bande vereinigt
(»Die chinesische Flöte«; im Inselverlag zu
Leipzig). Jetzt sah ich viele dieser Gedichte,
in Malereien umgewandelt, wieder vor mir
stehen. Reizendere Illustrationen als diese
Malereien könnte ich mir für mein Buch
niemals wünschen. Da standen ja die
Mädchen mit den wallenden (}ewändern und
den langen .\rmeln, die ich aus den Versen
her schon kannte, l'flaumenbäume blühten
über ihren feinen Häuptern, und der oft
besungene Schmuck von Jade funkelte
in ihren Ohren und um ihren Hals. Da
ragten ja die kleinen Pavillone an friedlichen
Gewässern, von denen die chinesischen Dichter
immer so gerne sprechen, und hohe, mächtige
Trauerweiden breiteten ihre zarten Zweige
über sehnsüchtige Liebespaare aus. Die
chinesische Dichtung hat ihr Stärkstes in der
Lyrik hervorgebracht, alle großen chinesischen
Dichter waren Lvriker. Und versenkt man
I H INESISCH. GEMAI.RE: »MANN MIT SCHIRM IMSCHNKK«.
BEZ.: KAO-CH'I-P'EI. (UM I780.)
sich in diese holde Verskunst, so fühlt man
eine bang vorschwebende Zartheit lyrischen
Klanges, eine von Bildern ganz erfüllte Kunst
der Worte, die hinableuchtet in die Schwer-
mut und die Rätsel des Seins, ein feines
lyrisches Erzittern, eine quellende Symbolik,
etwas Zartes, Duftiges, Mondscheinhaftes, eine
blumenhafte Grazie der Empfindung. Ein
intimes Erfassen der Reize der Natur ist
für die chinesische Dichtung charakteristisch.
83
Chinesische Geii/älde.
Der chinesische Lyriker ist ganz verwachsen
mit der Landschaft, und ihr gewinnt er viele
seiner geHebten Svmbole ab. Ich möchte einige
chinesische Gedichte zitieren, man wird so-
gleich erkennen, daß sie geradezu als Beschrei-
bungen chinesischer Malereien dienen können.
Da ist eins der populärsten Gedichte von
Li-Tai-Po, dem großen Vagabunden, den es
ruhelos durch das Land trieb, der ein
Trinker war und seine Lieder zur Laute
vortrug und dessen übermütige Launen ab-
wechselten mit den Stimmungen tiefster
Melancholie, die seines Wesens Urgrund war.
Ich meine das kleine zierliche Gebilde :
DER PAVILLON AUS PORZELLAN.
Mitten in dem kleinen Teiche
Steht ein Pavillon ans grünem
Und aus weißem Porzellan.
Wie der Rücken eines Tigers
Wölbt die Brücke fidi aus jade
Zu dem Pavillon hinüber.
In dem Häuschen (i^en Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern,
Maudie Ichreiben Veife nieder.
Ihre feid'nen Ärmel gleiten
Rückwärts, ihre feid'nen Müljen
Hocken luftig tief im Nacken.
Auf des kleinen Teiches ftiller
Oberfläche zeigt fidi alles
Wunderlich im Spiegelbilde:
Wie ein Halbmond fcheint der Brücke
Umgekehrter Bogen. Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern.
Alle auf dem Kopfe ftehend.
In dem Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan.
Da ist ein anderes kleines Gedicht von Li-
Tai-Po, »DieTreppe im Mondlicht«, ganz ein Bild:
DIE TREPPE IM MONDLICHT.
Gefügt aus lade fteigt die Treppe auf,
Mit Tau bene^t, darin der Vollmond fchimmert.
Auf allen Stufen liegt der holde Glanz.
Die Kaiferin in fchleppendem Gewände
Schreitet die Stufen aufwärts, und der Tau
Näßt funkelnd des Gewandes edeln Saum.
Sie fdireitet bis zum Pavillon, in dem
Das Mondlicht webt. Geblendet bleibt fie auf
Der Schwelle ftehen. Ihre Hand zieht facht
Den Perlenvorhang nieder — und es finken
Die lieblichen Krirtalle, riefelnd wie
Ein Walferfall, durdi den die Sonne fcheint . . .
Da laulcht die Kaiferin dem Riefeln nadi
Und blickt voll Sdiwermut lange in den Mond,
Den herbftlichen, der durch die Perlen flimmert.
Und blickt voll Schwermut lange in den Mond . . .
Und nun zum Schlut) noch ein Gedicht,
ein sehr schönes Liebeslied, das von einem
unbekannten fahrenden Sänger aus dem dritten
Jahrhundert n. Chr. überliefert worden ist. Es
zaubert uns die hold und vornehm schreitenden
Gestalten chinesischer Frauen vor, wie wir sie
auf vielen der Bilder auf Seide finden:
DIE HERRLICHE.
Du bift wie eine Zauberin! Die Schritte,
Die Deine fchlanken Lenden tun, verwirren;
Der Maulbeerbaum umkolf Didi, dem Du nahlt.
Pflückll Du Dir Blumen, fliegen fie befeligt
In Deine Hände. Fällt Dein Ärmel rückwärts.
So feil' ich einen Arm, der himmlifch id.
Zwei gold'ne Reifen geh'n um Deine Knöchel,
In Deinem Gürtel prangen blaue Steine,
Ein kleiner gold'ner Vogel fchmückt Dein Haar.
Um Deinen Hals, der glatter ift als Jade,
Flirrt eine Kette großer, echter Perlen,
Die eine Spange von Korallen fc^lließt.
Wenn fidi der Wind in Deinen Kleidern fängt.
So baufchen Deine Kleider fich wie Wolken,
Darin die Götter durch den Himmel zieh'n.
Siehft Du mic4i an, fo glüh' ich wie die Hölle;
Streift mich ein Hauch von Deinen roten Lippen,
So atme ich den Duft der Blume Lan.
Begegnet Dir ein Reiter vor den Toren,
So hemmt er feines Rolfes wilde Hufe,
Ihm ift, als ob ein holdes Traumbild naht.
Sieht Dich ein Hungriger am Straßenrande,
So blickt er auf und laßt die Mahlzeit ruhen
Und ftauntDich an und weiß nicht, daß ihn hungert.
MALER LEOPOLD FORM NER - WIE>J.
AVandi-inln^e in Mosaik: P;ilias Athene .
Ausfülii-ung: Wiener Mosaik-Wcrkslätle.
EINE WIENER MOSAIK-WERKSTÄTTE.
Diese eigenartige (iründung ist allein durch
die energische Initiative eines ganz
jungen, von Professor Moser in der Kunst-
gewerbeschule ausgebildeten Dekor-Künstlers
entstanden. Leoi>old Forst ner gehurt in
jene Kategorie der ^denkenden Künstler«,
welche zum Glück jetzt immer öfter hervor-
treten, und deren Schulung nicht nur darin
besteht, über eine ausgezeichnete Werkstätten-
Bildung zu verfügen, sondern deren Interesse
sich vor allem dem Kulturbild ihrer Zeit zu-
wendet. Solche Künstler lernen aus den
sozialen Wandlungen, die Stil-Wandlungen be-
greifen und für die schwerlälligeren Evo-
lutionen der Baukunst, alle ihr entsprechenden
Dekor - Motive in vollendeter Durchbildung
bereitzuhalten.
Otto Wagners Lehrtätigkeit an der
Wiener Architekten-Schule hat die Betonung
eines tiefen Zusammenhanges aller Daseins-
Cicstaltungen zur Basis. Und der innige
Kontakt der zwischen diesem bedeutenden
15aukünstler und den Führern der öster-
reichischen Raum- und Dekorkunst besteht,
ließ solche Tendenzen zu grundlegenden
Prinziiiien erstarken. Schon im Jahre 1902
erschien Wagners Werk * Moderne .Vrchitektur«,
welches das Flächenideal propagiert. Und
beinahe gleichzeitig fand in der Wiener
Sezession die Beethoven-Ausstellung statt, in
der den Künstlern die .\ufgabe gestellt
wurde, dekorativen Mauerschrinuck in Material
auszuführen. Kolo Moser gab die Anregung
zu einem neuartigen Mosaik, das aus einer
85
t^ilt^-frHO«
LEOPOLD FORSTNER WIEN.
DETAIL DES NEBENSTEHENDEN MOSAIKS.
Eine Wiener Mosaik- WerksUilk.
Ll.OPOLD FORSTNER WIEN.
Mosaik mit Relief-Kigtircti für das Graiul-Hotel Wiesler in Graz.
All^fiillIlllly: Wiener Mosaik-Werkslatte und Wiener Kcratnik.
Kombination von Majolika, (ilas, Ku|>kT aul
zeinenticrten Mauergnind bestand. Solche
\ersuclie kamen Forstners dekorativen Slil-
bestrebimgen sehr entgegen. Die streng, bei-
nahe arrhaistisch empfundene .\rt seiner Kom-
Ijositionen, welche nur auf eine monumentale
Wirkung hin aufgebaut sind, liei3 dem Künstler
jenen Techniken den Vorzug geben, die über
starke Konturen und Fleckwirkungen gebieten
können. Frühe Arbeiten Forstners, deko-
rative Glasfenster, Gobelinwebereien zeigten
bereits das Bestreben des Schmuckartigen,
und die Neigung sonore Farbenharmonien
mit breiter Linien -Rhythmik zu verbinden.
Sehr eingehende Studien des alten byzan-
tinischen und modernen Venezianer Mosaik,
eine sicher erworbene Praxis, festigten des
Künstlers Absichten, ohne daU er nur einen
Augenblick lang der Gefahr erlegen wäre,
einstige, anderen Gesetzen entsprungene Deko-
rationsarten nun für die Gegenwart benützen
zu wollen. Immer strebte Forstner vom
Stifimosaik, wie Byzanz es gebildet, weg,
zum Flächenmosaik. Ist das erstere vor
allem für gewölbte Kuppel -Vcrklcidimgen
erfunden, so kann das letztere nur dort
sich entwickeln, wo die Horizontale und die
Vertikale, Linien -F.insäumungen für flächige
Konstruktionen bilden. Neue .Materialien be-
einflussen die moderne Bauweise aul das
Stärkste. So sieht Forstner im Beton, welches
gegossene Flächenkörper ermöglicht, das für
Großstadthäuser rasch in .\ufnahme gelangende
Material. Für die bislang als Fassadenschmuck
beliebte plastische Ornamentik aber, die dem
Sinn einer akademischen Stilarchitektur ent-
sprach, muß nun ein Ersatz gefunden werden.
Was in Italien einst das Fresko sein durlte,
eine großartig dekorativ wirkende farbige
Mauerzier, soll nun unserm Klima angepaßt,
ein neues Fresko m Material werden. Ein
allen Witterungs-Einflüssen unverändert Stand
haltendes Platlenmosaik, welches die hete-
rogensten Stoffe zu sonorer Gesamtwirkung ver-
bindet. — Die beigegebenen Alibildungon
werden besser als jede Schilderung den Findruck
der Technik vermitteln. Getriebenes Kupfer
und Majolika-Plastik geben die starken Akzente
der Körper. Farbiger Marmor- oder Glas-
Mosaik bildet den Hintergrund, während für
S?
LEOPOLD FORSTNER - AVrEN. \VAND-EINLAGEN~ TAUBE UND FISCH. Ausfiilirung: Wiener Mosaik -Werkstätte.
LEOPOLD FORSTNER -WIEN. GARTEN-VASE AUS BETON. Ausfülirung: Wiener Mosaik Werkstätte.
88
1909. Vlll. 3.
Eine Wiener Mosaik- Werkstätte.
LEOPOLD FORMNER WIEN. Musaik: h>t. (ja
Ausführunij: Wiener Mosaik- Werkstätte.
Detail-SchiWerungen, pchimmerndes Perlmutter,
Onyx, Malachit und andere edle Materialien
verwendet werden. Auf das glücklichste ver-
bindet sich die Strenge des stilistischen
Komposition -Themas mit einer prunkenden
ornamentalen Begleitung. Und auch die Farbe
fugt sich dem tektonischen Willen , der aus
l'orstners Platten-Mosaiken spricht. — Gerade
weil Forstner sowohl die alte Tradit'on des
Mosaiks sorgsamst aufgenommen hat, als auch
ganz neue, aus den Zeit - Konstruktionen sich
kri-tallisierende Mosaik-Probleme einer künstle-
risclun Lösung zuführt, erbliihen dieser Ueko-
r.ition^iait unbegrenzte Möglichkeiten bauliiher
Verwendbarkeit. Der moderne Werk Künstler
muLi auch ein Rechen - Künstler sein. Das
heißt, er muß seinen auf künstlerischen Voraus-
seizungen beruhenden Arbeiten, Industrie- Weite
geben können. Wenn für den Massenl edarf
der Architekten statt der Papp- Ornamentik,
deren sie sich jetzt en gros bedienten, ein
echtes Dekor-Mittel nun geboten werden soll,
und dies, wie Forstner meint, in dem Plaiten-
Müsaik gefunden ist, so kann nur ein rasches
und verhältnismäßig billiges System der Her-
stellung zum Sieg führen. Solche wirtschaft-
liche Lösungen künstlerischer Frai;en bringt
aber nur die Praxis. Und deshalb ist die
Kr. ffnung der Mosaik - Weikstätte durch
Forstner von eminent prakti-cliem Wert. Be-
leits jetzt arbeiten vier vom Künstler sorgsamst
ausgebildete Arbeiter an Aulgabi n aller Art.
In Linz wurde kürzlich eine große M^zart-
( '.edenktafel enthüllt, die aus schwarzem Syenit
gebildet, mit dem Majolika- Brustbild Mozarts
gesclimückt und von einer farbinen Mosaik-
Bordüre gerahmt ist. Diese, Dauerhaltigkeit
und ornamentale Bildwirkung vereinigende Tafel
ist wegweisend für eine erneuerte Ästhetik
des Straßeiibildes. Denn Forstners Gedanke
ist, daß sowohl an und um Portale, als,
Schilder-Schmuck, Mosaik-Firmen-Tafeln anzu-
bringen wären, die Leben und lu'.tige künst-
lerische Abwechslung dem Auge bieten würden,
wie einstens zur Zeit der Schmiedeeisenkunst
die herrlichen Gilde -Zeichen. Ein Hotel in
Graz läßt seine Festsäle und Speiseräume be-
reits ganz mit Platten-Mosaik dekorieren, und
auch die Lösung für das billig und unzer-
störbar herzustellende Fassaden -iMosaik ist in
Forsmers Werkstatt festgelegt worden. Große
farbige Glasplatten, die durch Metall -Knöpfe
sichtbar angeschraubt werden, ergeben eine
Wandbekleidung, die alle Reize der Poly-
chromie in sich vereint und großzügiger Linien-
wirkung ermöglicht. b. zuckerka.ndl.
LEOPOLD I-OKSTNER WIEN- . KiUwuif für cincn Brunnen in Linz.
Aiisfiiliriiiig in Sanilsti-in mit Mosaik-Einlayen. Kiijjpel iiiul Hliinu-nkülu-l vcrjjoldetes Schmiedeeisen.
GESCHMEIDE UND EDELMETALL-ARBEITEN
VO.V GOLDSCHMIED KMII, I.KTTKE liKKLlX.
Die Arbeiten E. Letlres
haben für uns jiro-
grammatische Hcdeutiing.
Der Mann und Künstler
wehrt sich z«ar dagegen,
in den Zank des T;iges ge-
zerrt zu werden. Ihm ge-
nügt das Werk , der Um-
gang mit edlen Metallen
und seltenen Steinen, die
oft soviel mehr Schönheit
und Charakter haben als
Men'^chen. Die spiclend-
ernste Reihung unerschöpf-
licher Gestaltungen beglückt
ihn wie jeden echten Künst-
ler hundertmal mehr als
öffentliches Lob oder das
Wirken seines Vorbildes.
Kr hat nicht das Bedürf-
KMII. l.Kl I KK liKKI.IN. I< !■ vi,' I.IM In ll' 11.
nis nach Keifall und Nach-
f ilgcrschaft. Von der Pre-
digernatur, d:e in sovielen
unserer Kunstgewerbler
steckt , ist keine S; ur in
ihm. — Und trotzdem
und gerade deswegen brau-
chen wir ihn und seines-
gleichen als Paradigma, als
J'rediger wider Willen für
einige Lehren, die eben
daran sind, die »Forde-
rung des Tages« im Kunst-
gewerbe zu werden. Un-
sere Leute denken zuviel,
sie sehen an allen Ecken und
Enden Probleme, Stilfragen
unrl Kulturfragen, sie rech-
nen, überlegen, ergründen,
debattieren, konstruieren.
91
Geschmeide und Edelmetall-Arbeiten.
philosophieren, wo sie sich ruhig auf das
Ahnungsvermögen des einfältig-kindlichen Ge-
mütes verlassen können. Man erschrickt oft,
wenn man erkennt, wie vollgepfropft junge
Künstler mit Prinzipien, Kulturgedanken,
modernen Programmsätzen sind und wie dürr
und öde ihre eigenen Arbeiten daneben stehen.
Diese korrekten Schülerarbeiten machen
niemand Freude. Sie können den Ursprung
aus dem Intellektuellen, aus der verstandes-
mäßigen Überlegung nicht verleugnen. Die
Hand, der Stoff werden zu Schönheitsquellen
nur dem, der mit den Sinnen lebt und dichtet.
Wenn wir nur die Wahl haben zwischen be-
Brosche und Ring. Gold mit Rubin bezw. ;Miiaragden.
wußter, taktfester Programmkunst und prin-
zipienloser, naivsinnlicher Kunst, können wir
getrost die schönen Prinzipien fahren lassen.
.\m glücklichsten wirken immer die Kunst-
werke, aus denen sich keine Prinzipien, keine
Theorien ableiten lassen.
Mit der bloßen Freude des Genießers
sollen Lettres Arbeiten betrachtet werden,
und das ist das Vorbildliche an ihnen, daß
sie zu dieser Betrachtungsweise zwingen. Er
ist kein »Zeichner*. Die Fülle der Einfalle
quillt ihm unter dem Werkzeug hervor. Histo-
risch oder modern, darum schert er sich
den Teufel. Er ist nicht unglücklich, wenn die
GOLDSCHMIEU F-M!L LEIIKZ FERLIN. L ntcr cea Linden
Salzfaß mii Salzlöfl'elchen. S.iber vergoldet.
r-
GOLDSCHMIED IMII I I 1 IKl •
COIITER MIT ANHÄNGER.
GOI.D, GRANAT UNI) MONDSTEINF.
GOLDSCHMIED EMIL LETTRE IN BERLIN.
EHRENPREIS FÜR DAS GORDON BENNETT-RENNEN DER
LÜFTE. SILBER MIT FARBIGEN STEINEN. Vi GRÖSSE.
GOLDSCllMIEU E.Mll- LETTK1-: BERLIN.
POKAL AUS BERG-KRISTALL UND SILBER.
Geschmeide und Edehiiefall-. Irbeitcti.
^M
Gebilde des Stichels oder der
Punzen, die er um einen
hübschen Stein gleich einer
Huldigung zieht, einmal einem
l'.arockornament ähnlich sehen.
Sie tragen doch alle den Druck
seiner Hand. Niemand wird
ihn darum der Erfindungsarmut.
der Anlehnung bezichtigen. —
Lettre tut wie die alten Gold-
schmiede gern des Guten in
Treib- und Schneidarbeit etwas
viel. Aber wie liebevoll, wie
sinnlich erfühlt ist hier jede
geringste Ranke gegenüber der
pietätlosen Ornamentierungs-
wut unserer Goldwarenlabriken.
Die Masse des Schmucks, die
zurzeit im Juwelierladen feil-
geboten wird (Goldschmiede
gibts ja kaum mehr), ist kein
Schmuck. Wozu soll man
diese gestanzten Zeichnungen
mit sich herum tragen? Es
ist kein Wunder, wenn die
Frauen ihre Gunst mehr und
mehr den schlichten , un-
gefaßten Steinen und Perlen
zuwenden, an denen kein
Zeichner was verderben kann.
DiePrunkschüssel, die August
Scher! für das vorjährige Gor-
don Bennett-Rennen der Lüfte
bestellt hat, verdient ein be-
sonderes Wort. Das ist Silber
in seiner echtesten Sprache,
kräftiger unverfälschter Werk-
stattdialekt. Aber das Metall
singt ein herrliches Lied in
dieser ungebrochenen Sprache.
Eine seltene Mischung von
Schurzfell und Smoking liegt
in den Formen, aber im
Ganzen sind sie doch das Be-
kenntnis eines Handwerkers.
»Der Stolz des Handwerks«:
möchte man das Prunkstück
benennen, das eigentlich nur
durch die Gediegenheit und
Liebe in der Arbeit prunkt.
Der ganze Bauch der Schüssel
mit dem überhängenden Hals
ist aus einem Stück geschlagen
— aber wer würdigt heute
noch solche Meisterschaft der
Hand? — a. jaumann.
96
VMW. 1.KTTR1-: BERLIN.
«.iHRRlNGE IN GOU) MIT
SMARAGDEN BESETZT.
RING MIT EINER I'ERI.K
UND ZWEI DIAMANTEN.
BROSCHE IN GOLD MIT EINEM OP.\L UND EINE PERLEN.
MANSCHETTEN-KNÖPFE MIT BRILLANTEN BESETZT.
ZIGARETTE N-feTUIS. SILBER MIT FARBIGEN HjU-BEUELSTElNEN. (PREIS MK. /j. — .)
1909. VIII, 4.
.■;,,^...,-..^«««Bra^.;s^
j%^g^J««J^gJ^
AKCHiriKl J. CHK. GKWIN DAKMSTADT.
SPEISE-ZIMMER.
Ausführung: Georg Ehrhardt & Söhne- Darmstadt.
ARCHITEKT J. CHR. GEWIN DARMSTAÜT.
Ausführung: Hof-Mobelfabrik J. Giückert— Darmstadt.
FREMDEN-ZIMMER.
AKCHITFKT H. I.RANI) KKII Ur.l KG.
lKÜHbiLLK.->-/lM.Ml.K. AusfiihninE: McUtcr ft Sclilcclil Mliii/ciibcri:.
ARCHITEKT KARL STIEF DARMS lA DT.
MUSIK-RAUM MIT ORCHESTRELLE.
Ausgeführt von der Choralion Company m. b. H. — Berlin.
AKCH. M. UALLL-Nl'A.NG DARMSTADT. BILL.VRD IN NUSSBAUM. Ausf . J li Doilditer, Hill.ird l.ibtik. Mainz.
100
.^^H«^W I.IIL^iB)II.IL IUI
Ak.llllK.Kl E. l;hUrl.NÜLK UAkMM AIU-HLILBRONN. PIANINOS M I 1 KU. IHK IMXKMA.
AusfGbrung: Ferdinand Thürmcr, Hof-Pianofortcdhrik. MciBen t. S.
U/./Al: MARX-D1E.STELMANN DKSSAU.
TISCH-DECKE IN GROBEM LEINEN MIT REICHER STICKEREI.
LIZZIK MARX-
DIESTELMANN — DESSAU.
ri'K-VUKHANG Mll
REICHER STICKEREI.
iM^^:
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KNIWL'KK; EklLH KLKUNHKMi'tL— iiKhMJKN
ükWKIJiK TISCH-DECKE.
tNTWUKI-
WAI.TKR CRANH
LONDON
I iscii-rmcKK.
Ausf.: Norbert Langer 8i Söhne, k. k. Priv. Leinwand ii. Tischzeug l-abrik, Deutsch-Licbaii in MÄhrcn.
MATHII.ÜK STEGMAVER DARMSTADT.
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ARCHITEKT J. KRUG DARMblAD'i.
GESTICKTE WANDFULLUNG.
FAVHNCE-KAÜKIK -ALLiUMA ■ -KurtNllAGLN.
Bluiiiciisclialen und Fayencen.
NEUE KERAMISCHE ARBEITEN.
VON ERNST /.IMMERMAMN.
ES kann kein Zweifel sein , unsere ganz
allmählich wieder zu einem gesunden,
natürlichen und innerlichen Kunstempfinden
zurückkehrende Zeit gewinnt langsam, aber
mit unausbleiblicher Sicherheit auch eine große,
starke Neigung wieder für jene farbenfrohe,
kuUurhohe Kunst der Keramik, die, in der
Hauptsache im Zeitalter der Renaissance unter
dem Einflüsse des Orients geboren, zu allen
Zeiten dann und in allen Ländern die regste
Kunst- Betätigung entfaltet hat, bis sie im
18. Jahrhundert schließlich, im Zeilalter des
Porzellans zu einer Leidenschaftlichkeit geführt
hat, für die die gesamte Geschichte des Kunst-
gewerbes, ja vielleicht der Kunst überhaupt
kein volles Gegenstück zu lielern im Stande
ist. Kein Monat vergeht jetzt, in dem nicht
ein größeres und reich mit Abbildungen ver-
sehenes Werk über irgend ein Gebiet dieses
Zeitraums erscheint, keine Woche, in der wir
nicht immer wieder kopfschüttelnd von jenen
erstaunlich hohen Preisen lesen, die heute lür
die besten und schönsten Erzeugnisse auf
diesem Gebiete aus früherer Zeit, die meist
vor zwei Jahrzehnten noch kaum beachtet
wurden, l)ezahlt werden. Immer neue Sammler
tauchen hier auf immer bedeutender werden
die keramischen Bestände in den Museen.
Die Keramik, und speziell das Porzellan, kann
heutzutage aul dem Gebiet der alten Kunst
geradezu Trumpf genannt werden.
Gleichzeitig kann ebenfalls nicht zweifelhaft
sein, daß auch für die keramischen Erzeug-
nisse unserer Zeit ein ganz anderes Interesse
wieder vorhanden ist, als noch vor wenigen
Jahren, ja daß dies mit erstaunlicher Schnellig-
keit wächst und aller Wahrscheinlichkeit nach
immer schneller noch wachsen wird. Es ist
heute vielfach eine ganz andere Sache, wie
noch vor recht kurzer Zeit, sich ein neues
Service zuzulegen, ja auch nur eine einzige
Tasse, aus der man selber trinken will, eine
ganz andere Sache, sich eine Blumenvase an-
zuschatTen, in der die Blumen, lür die sie
bestimmt auch wirklich zu Geltung kommen
sollen. Die frühere Gedanken- und Empfin-
dungslosigkeit ist hier nun oft genug vorbei,
mit ihr die künstlerische Anspruchslosigkeit,
sich wie Irüher, ein jedes keramisches Pro-
dukt, das sein Erzeuger schon für schön und
brauchbar erklärt hat, auch für ein solches
in die Hand stecken zu lassen. Die Kritik
hat hier gegenüber der keramischen Fabri-
kation jetzt vielfach mit aller Schärfe ein-
gesetzt: sie verlangt auch hier jet/.t ein
höheres künstlerisches Niveau.
Dem gegenüber ist es jedoch erstaunlich,
daß die keramische Fabrikation unserer Tage
diesen sich jetzt allmählich vollziehenden Um-
schwung in der Hauptsache noch keineswegs
begriffen hat. Wer z. B. die Lei])ziger Vor-
messe in diesem Jahre besucht hat, auf der
sich ja fast die gesamte keramische Produktion
Deutschlands ein Stelldichein gibt, der wird
190». Till. s.
105
VASKN UND bLUMENTOPF
IN FAYENCE MIT
BUNTER BEMALUNO,
FAYENCE-FABKiK
-ALUMINIA«
KOPENHAGEN.
Iü6
ASCHEN-l'RNK. VASh
UND rKLLEK
IN l-AVHNCR,
KAVP.NCE-FABRIK
«ALUMINIA«
KOPHNHACBN.
lOy
\a(e keramische Arbeiten.
sobald den Eindruck nicht vergessen, den
dieses in der unglaublichsten Weise verwilderte
Fach, das mit Kunst nicht das Geringste
mehr zu tun hat , auf jeden feintühligen
Menschen hier machen muß: es ist das Chaos
absoluter Geschmacklosigkeit, das sich hier
aufiut, eine allgemeine Verwirrung und Ver-
zerrung von Stil und Geschmack, aus der eine
Errettung kaum noch als möglich erscheint.
Es ist das Ende jeglicher keramischer Kunst,
ein wahres Ende mit Schrecken, für das es
kein Weiter mehr gibt.
So aber muß mit doppelter Freude alles
begrüßt werden , was gegenüber diesem
Treiben energisch Front macht und uns auch
in der Keramik wieder echte Kunstwerke ver-
schaffen will. Hier sollen einige Beispiele
dieser Ait den schon immer an dieser Stelle
gegebenen angereiht werden, die uns die feste
Versicherung der Möglichkeit einer wirklich
gesunden keramischen Kunst auch in unserer
Zeit zu gewähren im Stande sind. Zimächst
einige neuere Arbeiten der bekannten Stein-
gutfabrik >Aluminia< in Kopenhagen, deren
plötzliche Modernisierung vor einigen Jahren
für uns eine ebenso große Überraschung
war, wie die der mit ihr verbundenen Por-
zellanmanufaktur vor nunmehr einigen Jahr-
zehnten. Was diese Erzeugnisse auszeichnet,
ist die Schönheit und Wärme des gelblichen
Scherben, die erstaunliche Lebhaftigkeit der
leuchtenden, kräftigen Farben, vor allem aber
die Konsequenz, mit der man hier Steingut
Steingut sein läßt, indem man ihm, dem
derberen Produkt nicht, wie sonst fast überall,
die feinere, für dieses aber garnicht geeignete
Malerei des ja -»-iel zarteren Porzellans auf-
zwingt. Breit und kräftig sitzen überall die
Farben auf, meist in sehr richtiger Verteilung,
und so haben wir hier eine Keramik vor
uns, so krältig und dekorativ zugleich, wie
kaum eine andere in unserer Zeit geschafiene.
Schade nur, daß von diesen Erzeugnissen
unsere eigene Steingut-Industrie noch immer
mcht recht lernen willl Wir haben in Deutsch-
land bisher auf diesem Gebiete, das vielleicht
zur Zeit das am allermeisten bearbeitete unserer
heutigen Keramik darstellt, nur sehr weniges,
das gleichfalls, wie hier, mutig genug ist,
seinen dem Porzellan gegenüber etwas nied-
rigen Ursprung zu bekennen, indem es ruhig
in den Grenzen der ihm durch seine ganze
Natur angewiesenen bescheidenen Kunst bleibt.
Was wnr heutzutage in Steingut machen, heu-
chelt uns fast immer Porzellan oder Fayence
vor, hat nie seinen eigenen Stil, seine eigene
loS
Schönheit und seinen eigenen Reiz, und so
steht man hier oft genug vor Schöpfungen,
die völlig unwahr und danim völlig unschön
sind. So ist dies Gebiet noch immer eins der
unerfreulichsten unserer heutigen Keramik.
Ganz anders geben sich dann neben
diesen Steingutarbeiten die übrigen hier ab-
gebildeten Werke , die sämtlich zu den
jüngsten Erzeugnissen der Meißner Manu-
faktur gehören. Sie zeigen, daß wir jetzt
auch in Deutschland eine Porzellanplastik be-
kommen, die neben der des Auslandes d. h.
in erster Linie noch immer Kopenhagens be-
stehen kann. Inhalt dieser ist auch hier wie
dort in erster Linie die Tierplastik — es ist
merkwürdig, wie relativ leicht gerade auf
diesem Gebiete unsere heutige Porzellankunst
zu wirklich bedeutenden Erfolgen gelangt,
indeß es mit der figürlichen Kunst noch an
keiner Stelle in gleicher Weise gelingen willl
— und hier sind namentlich unter den etwas
strenger stilisierten Werken, deren Stilisierung
jedoch nichts mit der bis zur letzten Kon-
sequenz gehenden der Kopenhagener Tier-
stücke zu tun hat, einige Arbeiten zu erwäh-
nen, die schlechterdings als unübertiefiflich
bezeichnet werden müssen, ja die vielleicht
länger einen Reiz ausüben werden . als die
Kopenhagens. Denn stilisiert gleich diesen.
so daß sie gleichfalls den Eindruck höher
organisierter Kunstwerke machen, bleibt ihre
Stilisierung doch noch reicher in Details und
Nebenformen, so daß es hier nicht bloß einen
einzigen Eindruck gibt, der schon gleich alles
sagt und fast nur wie ein einmaliger, wenn
auch sehr guter Einfall wirkt.
Es ist mehr Inhalt in ihnen und so darf
man in ihnen wohl den Meißner Stil sehen,
der sich wie einst, wieder die Welt erobern
kann, wenn jener nicht sehr wandlungsfähige,
heute aber vorherrschende Stil Kopenhagens
an seiner allzugroßen Einfachheit zu Grunde
gegangen sein wird. Doch auch schon recht
gelungene figürhche Arbeilen hat Meißen
daneben aufzuweisen, von denen die Balleit-
tänzerin Eichlers durch ihre Anlehnung an den
alten erprobten Stil Kändlers, des Schöpfers
der Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts,
besonders erfreulich wirkt.
Hier tun sich gleichfalls Perspektiven für
die Zukunft auf, die zu großen Hoffnungen
berechtigen und uns vielleicht auch hier bald
eine ausgedehnte Porzellanplastik verschaffen
werden, die der ^'e^gangenheit sich würdig
an die Seite reihen kann, und eine wirkliche
Bereicherung dieses Gebietes bedeutet. —
MODKLLErR C. P. WAI THKR - JlEISSrN.
PORZELLAN. -KAMl'lSi HNKI'KEN
WI.IJHAUER O. PÄSSLER DRESDEN. PORZELLA.N. KKoPFl AUHI-.N«.
Ausgeführt von der KgL Sächsischen l'orzeMan-Manufaktur in .MciUcn.
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.,^ .^„ PORZFLLVN ZEBU-GKUPPE . »BULLDOGGE« VON PROF. HOSEL.
MODELLEUR ROCHMANN MUbbEN. PORZELLAN. ZLBU üiiu
Ausgefülirt von der KgL Sächsischen Por^cllan-Man.ifaktiir in Mcilien.
OTTO PILZ— DRESDEN.
roRZF.I.I.AN. K \MI'1-F-NDE ESKl,
OTTO PII Z DRKSDEN.
PORZELLAN. »SCHÄFER MIT SCHAFEN«
Ausgeführt von der Kgl. Sächsische" Purzella.i-Mjmifaklur In Meinen.
K. TH. KICHLER MEISSEN.
TANZKRIX KON IG DRESDEN.
MADCHEN MIT KIND .
PROFRSSOR
E. HÜSKI,
MRISSHN,
»HAHN".
Ausgeführt von der Königlich Sächsischen Porzellan-Maniifjktur in Meißen.
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wiLHEin HARTZ, Dresden;.
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KMIL PRKElukUS DAKMSTADl.
Dekoraliver Fries 3x1 m.
Dunkelgrün auf getontem Wtitt.
EMIL PREETORIUS.
Romantische Ironie — so könnte wohl das
Stichwort dieses jungen Künstlers lauten,
dessen kluge, träumerische Hand uns kiirzlich
die höchst romantische Gestalt des Herrn
Peter Schlemilil hat lebendig werden lassen.
Klug und träumerisch, skeptisch und sehr
empfindsam ist die Linie dieses Zeichners,
dabei so rein und so keusch — ich weili
kein anderes Wort dafür — daß man sich
den Schöpfer kaum als üürger dieser über-
lauten und nicht sehr sauberen Welt denken
kann. Er sitzt irgendwie hinter den Dingen,
zum mindesten hinter irgend einer spanischen
Wand, von der aus er die Welt und den
Tag mit den Augen eines Fremden, nicht
Dazugehörigen beobachtet.
Es mag einem an dieser Linie zuerst ein
groteskes, ein sarkastisches Element auffallen,
ich gebe es zu. .\ber ich behaupte, daß
Preetorius' Linie in diesem ihrem Sarkasmus
rührend ist. Das macht ihre ])einliche, aus-
gei)utzte Sauberkeit, ihre Heimlichkeit und
Stille. Sie ist in all ihrem Spotte, den die
Sordine des Leides sonderbar dämpft, so
wenig laut, sie hat die Fähigkeit des Schweigens.
Ganz natürlich, denn dieser Spott, dieser
Sarkasmus geht nicht von sozialer Kritik, auch
nicht von einem ethischen oder ästhetischen
Ideal aus. Seine Wurzeln liegen, ganz wie
bei den alten Romantikern, im Metajjhysischen,
und seine letzte Kennzeichnung lautet, ich
wiederhole das Wort, romantische Ironie.
Das neckische Ornament, zudem sich Preetorius'
Linie gerne kräuselt, scheint mir eine Art
lächelnden Verzichtes zu bedeuten. Ks stellt
den Ausdruck jenes resignierten, romantischen
Leichtsinns dar, von dem Hrentano in seinen
Versen so gerne spricht. Es ist Welisatire,
was diese Linie liefert. Von lirentano wird
erzählt, daß es keinen Menschen und keinen
Gegenstand gab, der ihm nicht sogleich
Anlaß zu irgend einem Witzwort Oder zu
einem spöttischen Lächeln geliefert hätte.
Etwas ähnliches, nur mit veränderten
Temperamentsqualitäten, liegt bei Preetorius
vor. Zwar unterscheidet auch er zwischen
Naturstudie und Karikatur, aber beide stehen
sich bei ihm doch recht nahe. Seine Karikatur
geht nicht von der einzelnen witzigen oder
humoristischen Beobachtung und Steigerung
aus, sondern sie ist allgemeiner, ich möchte
fast sagen : wellanschaulicher An. .Man sieht
seinen Karikaturen gesellschaftlicher Typen
sofort an, daß nicht ihre besonderen
Lächerlichkeiten Anlaß zu diesem Lachen
und Kichern der Linie gegeben haben. Sondern
rein als Individuen reizen sie diesen Künstler,
seinen Witz an ihnen zu üben. Das ist
Schuld daran, daß Preetorius' Zeichnungen,
wie sie verschiedentlich im iSimplizissimus
erschienen, aus dem Rahmen dieses Plattes
beträchtlich herausfielen. .Man muß einige
Dinge wenigstens ganz ernst nehmen können,
wenn man ein Karikaturist im Sinne des
heutigen Witzblattyps sein soll. Nun betrachte
man aber das, was für Preetorius »Naiur-
Studien bedeutet: diese Herren und Damen
ringeln sich förmlich vor launischem < )rnament,
und das Schwergewicht der Darstellung liegt
entschieden auf der Seite des Subjektiven.
Viele dieser »Naturstudien ' sind in selir
kurzer Zeit entstanden. Und doch enthalten
1909. VIII. 6.
II?
Wilhelm Michel:
EMIL PREETORIUS DARMSTADT.
PORTRÄT-SKIZZE J. P.
Aquarell: Hellgrün iind Grau
sie eine ganze Fülle von sub-
jektiv-geistiger Verarbeitung
objektiver Daten. Diese Ver-
arbeitung gedeiht vielfach bis
zum reinen , ornamentalen
Schnörkel. Mit anderen Wor-
ten : Was gemeinhin Ergebnis
eines energischen Umsetzungs-
prozesses ist, findet sich bei
Preetorius schon in der »Natur-
studie« vor. — Diese hyper-
trophische Subjektivität kann
wohl nur zum Teil als ein
Vorzug angesprochen werden.
Sie hindert den Künstler
zweifellos, die ganze Strenge,
die rauhen wohltätigen und an-
spornenden Zurechtweisungen
des Objektes zu erfahren. Aber
sie hindert ihn auch an jenen
Formlosigkeiten, denen Künst-
ler, die allzu rückhaltlos auf
die Anforderungen des Objektes
eingehen, leicht verfallen. —
Es steckt in Preetorius viel
subjektive, eingeborene Form,
vor allem nach der Seite des
Geschmackes hin. Ich stelle
freilichdie Qualitäten
des Geschmackes
in einen gewissen
Gegensatz zu den
Qualitäten schöpfe-
rischer und genia-
lischer Produktion.
Allein Formquali-
täten sind sie sicher-
lich auch , ganz
abgesehen davon,
daß Preetorius trotz
seines romantischen
Schnörkels zu denen
gehört, die ein gül-
tiges, ein maßgeben-
des Wort über die
Erscheinung der
Welt mitzusprechen
haben. Geschmack
ist gerade die Eigen-
schaft, die unserem
Volke in seiner künst-
lerischen Produktion
1'ORTR.\t-ski/.ze: renk p.
Oetönle Bleistilt-Zeichnuuji .luf Japan
Emil Preelonui.
^
^
KMIL HREETORIUS DARMSTAUT.
Skuze.
vielfach abgeht. Er äußert sich letzten
Kndes in der umfassenden Gefällgkcit, in
der überzeugenden Selbstsicherheit der Dar-
bietung. (ieschmackvoU ist, was sich den
Sinnen empfiehlt, was Rundung der Ge-
berde hat, was ».\uftrelen« besitzt.
Diese Eigenschaft wird man bei Crcetorius
niemals vermissen. Sie tritt hervor in dem
hohen dispositionellen Wohllaut seiner Schöp-
fungen. Ich meine damit nicht nur die
gefällige Art, wie seine Zeichnungen im
Raum sitzen, sondern auch die überaus
gelungene Verteilung der Massen, die feine
kompositorische Linie, den hohen, kulti-
vierten Anstand, mit dem sich seine Schöpfungen
geben. Stets sind sie, von ihrem Ausdrucks-
gehalt abgesehen, auch als flichenkünstlerische
Leistungen zu loben, und es ist geradezu ein
GenuLj, zu sehen, wie brillant bei der farbigen
Zeichnung, die diese Publikation begleitet, der
leere Raum des Blattes im Bilde mitspricht
Preetorius hat nicht nur eine gewandte und aus
druoksvolle, er hat auch eine sehr kluge Hand
l!ncl diese Klugheit ist von jener Art, wie sie
nur hohes Kuliurgefiihl, Bildung und wohl
gepflegte Faniilientradition zu geben vermögen
Man wird Preetorius vielleicht nachsagen können
daß er als Künstler vielfach und ziemlich enge
limitiert ist, aber untadelhaft ist die Kultur seines
K^"'
y
KMil. PRF.KTORIUS UARMSTADT
Skizze.
"5
[Vilhelm Michel:
BMII, PRE^rOBlUS
DARMSTADT.
■jQ) "^ i
V'^.\-<
UJKK <.AL,\N«.
AyUAKELL-
/EICHNUNG.
WEISS, GRAU,
VIOLETT, GELB
UND ROSA AUF
MAl-THM WKISS.
MIT GENEHMlGUNr. DKS SIMPLIZISSIMUS«
Auftretens, die Sicherheit seines Gesclimackes.
— Artistisch liegt der Schwerpunkt seiner
Zeichnung durchaus auf der l-inie, genau wie
bei Beardsley und den japanischen Holz-
schnittkünstlern, denen Preetorius' Schaffen
die nachhaltigsten Eindrücke verdankt. So
viel Sinn für Farbe seine gelegentlichen
koloristischen Arrangements auch verraten
mögen, malerische Elemente fehlen bis jetzt
seiner Zeichnung vollkommen. Dafür hat er
aber auch das Geheimnis der reinen Linie
bis zu einem seltenen Grade entschleiert. Sie
ist ihm gehorsam wie eine Magd, nicht nur
in den Blättern, wie wir sie hier reprodu-
zieren, sondern vor allem auch als Umriß-
linie, in den Silhouetten und den flächig ge-
arbeiteten Illustrationen zum Schlemihl. Sie
entfaltet da ein ungemein reiches Leben,
deutet alle nötigen Formen sicher und ge-
schwind an, findet dabei in all ihrer Stumm-
heit noch Crelegenheit, zu lachen und zu
kichern und die Massen kompositionell sehr
reizvoll anzuordnen. Ganz abstrakt und los-
gelöst vom Leben tritt sie in dem letzten
Ii6
Emil Prettorms.
hMlL PHHMlOHir»
DAKM^rAUT.
\^
.V
»KONVBRSAT1US-.
AgrAKKI.L-
/hlCHNUNr. IN
OKANGK r, C.KAr.
MIT l.lShHMli.l.N.. Ut> SlMt'l.l/l^MMl!i
größeren Ilhislrationswerke des Künstlers,
»Isolde Weißhand', auf. Sie hat da von
ihrer natürlichen l'lauderhaftigkeit das meiste
abgelegt und deutet von dieser körjicrhnften,
von tausend Perspektiven durchwühlten und mit
prunkenden Farben überschütteten Welt nur
einen sachten Dult und Dampf noch an. Hin
brillant gelungenes, stilistisches Experiment!
Als Illustrationen, als bildliche Kommentare
zu bestimmten Textstellen, kommen sie kaum
in Betracht. Aber von der weltentrückten,
hieratisch starren .Art de^ alten bretonischen
SagenstotTes, an den sich der Text anlehnt,
bewahren sie sehr viel. Sie kommentieren
weniger die konkreten Situationen der Dich-
tung als vielmehr deren ganzen Cleist und
das Wesentliche ihrer Slimmung.
Was von den Geschmacks-(Jualilaten des
jungen Künstlers gesagt wurde, gilt in aller-
erster Linie von seinen Buchzeichen. Hier
kommt es ja darauf an, irgend eine kleine
^literarische« Idee nett und witzig zu ge-
stalten, sie reizvoll in den Raum zu bringen,
so (lau das Ganze an sich amüsant wirkt
!■:
E)>ül Preetoi ins.
EMIL PREETORIUS DARMSTADT.
und zugleich die Fläche schmückt, auf die
es aufgeklebt wird. Hier kommt Preetorius
die Gabe, alles, was er gibt, auf eine über-
zeugende, runde Formel zu bringen, außer-
ordentlich zu statten. Abwechslungsreich in
den Einfällen und in der Zeichenmanier, bald
elegant und schöngeistig, bald geistreich und
witzig, bald derb humoristisch und voll breiten
Lachens — so spiegeln diese kleinen Kunst-
werke auf engem Räume den Menschen und
Künstler Preetorius fast vollständig wieder.
Ahnliches gilt von den Plakaten. Sie sind
daneben höchst charakteristisch für die Sicher-
Porträt-Studie: Otto W.
Gelb auf getöntem Weiß.
heit, mit der er den
Begriff »Fläche
festzuhalten \er-
steht. -^ Neuerdings
wendet sich I^ree-
torius der Farbe
zu. Da seine Art
der Zeichnung ihn
gelehrt hat , die
Ökonomie jeder
Fläche mit Über-
legenheit zu be-
herrschen . wird
man von seinen
\'ersuchenzu deko-
rativer Malerei aller-
hand Interessantes
erwarten dürfen.
Jedenfalls würde
das dekorative Ge-
mälde die natür-
liche nächste
Etappe seines Ent-
wicklungsganges
bilden. Was seine
begabte, kluge und
feinfühlige Hand
dem neuen Mate-
rial an sonstigen
Möglichkeiten wird
abgewinnen kön-
nen, ist noch nicht
vorauszusehen. Das
zeichnerische Werk
des Künstlers, wie
es heute vorliegt,
ist jedenfalls ein
Ganzes, in sich ge-
schlossen und ab-
schließender Be-
wertung fähig.
WILHELM MICHEL.
Vom unbewußt schaffenden Künstler.
Es gibt Kraftprotzen. Auch in der Kunst.
Doch der unbewußt schaffende Künstler,
der stets auf den Gott wartet, der ihm sage,
was er künde, der sich nur als Medium fühlt,
ist ein Märchen aus der Kunstschule. In
Trancezuständen ist noch kein wahrhaft großes
Werk entstanden. Hinter jeder künstlerischen
Tat liegt ein faustisches Ringen, ein Anspannen
aller Energien mit einem einzigen und be-
wußten Zweck. Kunstschaffen ist ein Schaffen-
wollen. Gleich der Zeugung der Natur. Sie
II.S
Voiu Huhnviißt üchaffetuieu Künstler.
ist docli der Wille LW
Zweien. Das Kunst-
schaffen wird auch zur
organischen Lust , zur
üetreiung von dem dump-
len Druck der unge-
borenen Idee, wenn der
Schöpfer bereit ist.
Wenn er seine ganze
Kraft gesammelt, seine
Fähigkeilen diszipliniert,
.•\uge und Hand ge-
bändigt hat. Wenn er
voll von l-'igur ist und
ihm jedes Gebilde voll
Figur wird. Nie haben
verworrene Fmpfmdung
und dumpfe BewulJtlosig-
keit die eherne Klarheit
der höchsten Form ge-
boren. In der klassischen
Ruhe steckt immer po-
tenzierte Logik. Eine
Logik , die vielleicht
schon im Unterbewußt-
sein des Gehirns schlum-
mert, während sie in der
Hand lebt und sich zeu-
gend auswirkt. Das beste
Kunstwerk ist fertig, be-
vor der Künstler an die
Ausführung schreitet.
Groß und rein muß es
vor ihm stehen, wenn
es ihn zum gewaltigen
Kampf mit der Materie
anspornen soll. Solch
mühevolles Formen ist
gleich einer F.ntbindung.
\'orher die bewußte Idee,
nachher die bewußte
Tat. Der unbewußt
schafTende Künstler ist
wie der Globetrotter, der losfährt ohne Ziel,
ohne Zweck , ohne Notwendigkeit. Irgend-
wohin kommt er ja. Er hat schon etwas
aufzuweisen — Bilder , die für einen Noten-
deckel gut genug wären , Plastiken , die als
Bibelots lächeln machen, Architekturen, die
auf dem Papier eine gute Schwarz-weiß -Wir-
kung au^üben, wenn es anch für sie keine
Grundrisse gibt. Die Sachen machen den Ein-
druck der rnbeholfenheit, weil im Gegensatz
zur disziplinierten Rede alles hilflos heraus-
gestammelt erscheint. Ihnen fehlt jene kluge
Strategie, jene weise Sparsamkeit, mit denen der
\\(
A^
'<^
■r9V/
EMIL PREETORIUS
DARMSTADT.
Aqliarc1l-Zeiolinuiii,':tHf II -Orange,
Porträt des F"reiherrn v K.
Mative.iind Grau auf Bctiinlfm Wcid
echte Rhetor Wendung um Wendung steigert,
um immer eindringlicher, immer machtvoller zu
wirken. Wer sich nicht vorher die Gedanken-
folge zu kneten vermochte, wird jedenfalls nur
Worte herausstainmeln, leere, hohle Worte. . .
Lieber Kunsijüngling, wenn dir nur die
geheimnisvolle Stunde der Intuition zur Ent-
fesselung deiner ungeahnten, unbewußten Kräfte
fehlt, so kaufe dir eine warme Samnietjo])])e
und warte, warte, warte Die starke
Energie erirot/.t sich den Schöplertag. I )ionysos
erscheint, wenn er gerufen wird — aber auch
nur dann. p,mi. wi'-imi im.
qhole/
2500vArd/
öroKFlotttJecK-
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EMIL PREETORIUS DARMSTADT.
PLAKAT. SCHWARZ UND BLAU AUF WEISS.
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\'.. PRRKTOmUS
DARMSTADT.
uns.: HKSSivcHits
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IN »AKMSTAm.
CxldinJ
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EMIL [•REETORIUS DARMSTADT-MÜNCHEN. EX-LIBRIS UN» TITEL ZU EINER AUSSTELLUNGS-EINLADUNG.
1909. VIll.
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EMIL PRKKTORIUS— DARMSTADT. Vollbild aus Peter Schlemihl.. Verlag Hans von Weber-München.
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Vollbild aus 'Peter SdilemihU, Verlag Hans von Webcr-Münclicn. EMIL PREETORIUS I>ARMSTADT.
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ARCHITEKT EMIL PIKCHAN.
LAUFER UND KISSEN IN AUFNAHARBEIT.
DIE ARBEIT DER KUNSTGEWERBE-VEREINE,
19. DELEGIERTEN-TAG ZU HALLE A. S.
Zuweilen, man braucht nicht einmal mißmutig,
nur ein wenig nachdenklich zu sein, möchte
einem die Notwendigkeit der Kunstgewerbevereine
beinahe problematisch erscheinen. Was wollen
sie eigentlich und wozu sind sie da? Einst, da
das Kunstgewerbe langsam und sehr diskret zu
keimen begann und noch früher, da es im Schatten
der Museen schlummerte, waren die Vereine die
einzigen Stätten für die Diskussion über die
Probleme des Tages, die respektabelste Kneip-
gelegenheit, um die würdigen Grofiväter der
Renaissance anzuprosten. Aber heute, da das
Kunstgewerbe mehr als eine Angelegenheit der
Handwerker und der Künstler ist, da es ein
zentrales Kulturproblem wurde, ein Problem, das
der mannigfaltigsten Fragestellung zugänglich ist
und einen kaum übersehbaren Kreis von Inter-
essenten dauernd in Erregung hält, heute scheint
das Kunstgewerbe dieser ehrwürdigen Vereine,
dieser mit den Musen schäkernden Trinkgenossen-
schaften entbehren zu können. In der Tat, die
Kunsigewerbevereine des alten Stils, die Kunst-
kpänzchen und Konventikeln der sogenannten
Fachleute, haben ihr Existenzrecht verloren -
für den Kunstgewerbeverein, wie wir ihn verstehn,
hat die Zeit der eigentlichen, der fruchtbaren
Arbeit aber eben erst begonnen! Und jene
skeptische Bewertung wendet sich allein gegen
die Rudimente der Gilden und Rauchklubs, deren
Sergeanten im Zeichen Dürers oder Cellinis
gegenseitige Verehrung mimen. Davon gibt es
hier und da im Lande verstreut noch vertilgungs-
werte Reste und auch das gibt es noch: eng-
brüstige Sekten, die ob den Interessen ihrer
Branche, ob der eigenen Mittelmäßigkeit keinen
Instinkt für die wahre Bedeutung und eigentliche
Aufgabe dessen haben, was wir den Lebenskreis
des Kunstgewerbes nennen. Doch diese Kurz-
sichtigen und Temperamentlosen sind in der
Minderheit, sind im Aussterben; das Gros derer,
die sich in den Kunstgewerbevereinen zusammen-
schlössen, will aus Einsicht und mit Energie den
Fortschritt und die Reife der neudeutschen
Kultur. Ob solchem Wollen sich ein ausreichendes
Können verbindet, wird abzuwarten sein, ist zu
erhoffen. Jedenfalls, zunächst wird viel erstrebt —
gestrebt. - Das war auch wiederum die Signatur
des let5len Delegiertentages der Kunstgewerbe-
vereine, der Ende März zu Halle abgehalten wurde.
- Die Hauptthemen der Verhandlungen: die
Organisation der kunstgewerblichen Produktion,
der Erziehung und der Propaganda. Das mannig-
fache Verlangen nach einer würdigen Honorierung
der kunstgewerblichen Leistungen soll endlich
in die Scheuern kommen. Die vielerörterte
„Eisenacher Ordnung" wurde angenommen. Da-
mit bekamen die Kunstgewerbler eine materielle
Basis, wie sie die Architekten seit 1888 in der
Hamburger Norm besitjen. Dieser Gewinn ist
an sich so wichtig, daJ3 darüber die Frage nach
den Einzelheiten zurücktritt. Das war auch die
Meinung der Versammelten; freilich fehlte es
nicht an der Einsicht, daß mit der Annahme
dieses Tarifes keineswegs seine Durchse^ung für
126
Die Arbeit der Ktitistoeiverhe- Vereine.
die Praxis, seine allj^emeine Anerkennung durch
die Unternehmer und das Publikum, gesichert sei.
Besonders Muthesius warnte vor zu hochge-
spannter Erwartunt^, mit Recht liielt er es für
sehr problematisch, ob der Richter die „Ordnung"
auch in den Fallen, da auf sie nicht ausdrücklich
bei Anbahnung des üeschäftes Bezug genommen
wurde, als die natürliche Norm bedingungslos
würde gelten lassen. Grade weil hierfür keine
absolute Garantie, war es notwendig, daß die
berechtigte Interessenvertretung des Kunstge-
werbes, speziell der Entwerfenden, geschlossen
für den Preistarif eintrat. Hoffentlich tut nun
auch ein jeder das Seine zur Realisierung des
papiernen Geset3es. Die Einwendung, dag die
Gebühren bei grOf;eren Objekten zu hoch seien,
wird dadurch erledigt, dafi sie der absteigenden
Skala unterliegen ; bei einem Objekt von 10 000 Mk.
können nur 50 " n, bei einem Objekt von 400 000 Mk.
nur 30"'o der auf 1000 gestatteten Grundgebühren
erhoben werden. .
Das wird schon gehen, wird sich regeln; die
Hauptsache ist: das Fundament zur wirtschaft-
lichen Gesundung der Kunstgewerbetreibenden
ist gelegt. - Das nicht minder wichtige Problem
des Urheberschu^es für kunstgewerbliche Erzeug-
nisse konnte leider nicht mit der gleichen Gründ-
lichkeit erledigt werden; Osterrieth war ver-
hindert. Doch da Jessen einsprang, so bekam
die Versammlung nichts Gleichgültiges zu hören;
vielleicht wurde die eigentliche Fallgrube und die
wichtigste Revisionsbedürftigkeit des Kunstschut)-
geset3es von diesem trefflichen Kenner der Praxis
eindringlicher erfaßt, als dies je ein Jurist ver-
mocht hätte. Darin liegt die Hauptgefahr für die
.Anwend.mg des Geset5es, läge sie selbst für die
.Anwendung eines vollkommeneren: der Richter
beginnt das Künstlerische erst beim Naturalisti-
schen, speziell beim Figürlichen, zu schät3en;
das Tektonische, der Wohllaut der Abmessung
ist dem juristischen Empfinden häufig noch keine
selbständige künstlerische Schöpfung im Sinne
des Gesetjes. Das miserabelste Ölbild erfüllt den
Paragraphen, während der vorzüglichste Rahmen
ob seiner Schlichtheit des Schut3es nur mit Mühe
teilhaftig wird. Da alles Recht Iet3ten Sinnes
nichts anderes ist als eine Formel gewordene
Usance, so wird man sich billig gedulden müssen,
bis den Männern der Justiz das Gefühl für das
künstlerische Stigma eines gewerblichen Gegen-
standes wuchs. Wie arg es aber damit heute
noch bestellt ist, das bewies eine Episode, die
WeiJ3, der Vorsitjende des Verbandes deutscher
Kunstgewerbe-Zeichner, vortrug: Einem Ange-
stellten, der im Büro einer Möbel-Firma Werk-
zeichnungen machte, wurde vom Gericht die
Qualifikation der höheren technischen Dienst-
leistung abgestritten; er hatte somit keine sechs-
wOchentliche, nur eine vierzehntägige Kündigung.
Die Begründung sagte, daß der Arbeil des Klägers
ein höherer Wert nicht zuzusprechen wäre,
da sie ja nur - in Strichen beständen hätte.
Der Fall ist typisch, umsomehr, als dieser Zeichner
den wünschenswerten Weg von der Werkstatt
durch die Schule zum Atelier genommen hatte.
Hätte er die Werkstatt nie kennen gelernt, so
würde ihm das Gericht ohne weiteres die höhere
Qualifikation zugesprochen haben; so aber war
er nur ein Tischler, der Striche machen konnte.
Zum pädagogischen Teil verlangte Professor
Groß- Dresden: der Verband möge ein offizielles
A. B. C. des Geschmackes herausgeben. Die Ver-
sammlung schien von diesem Vorschlage nicht
überrascht zu sein. Mir aber, der ich vorigen
Jahres in Hannover dabei war, als Groß seinen
.Auftrag bekam , war dies Resultat ein wenig
wunderlich. Daß es auf eine Neugründung ab-
gesehen, hatte ich damals nicht verstanden. Mir
schien, als wollte man untersuchen, welche
Schäden die verschiedenen speziellen Fachzeit-
schriften haben und wie solchen abzuhelfen wäre;
mir schien, als wollte man über Mittel nach-
sinnen, rückständige Organe ein wenig zum Fort-
schritt zu reizen. Das hatte guten Sinn gehabt
und wäre (etwa durch eine Korrespondenz oder
durch Gratisüberlassung von guten Bildern und
Klischees) ausführbar gewesen. Statt dessen
kam nun dieser neue Vorschlag eines
approbierten und staatlich subventio-
nierten Katechismus. Auch gut; es läßt
sich darüber reden. Nur: man soll sich
derartige literarische und buchhänd-
lerische Unternehmungen gar nicht so
leicht vorstellen. Man sollte sie nicht
dadurch begründen, daß bisher noch
nichts ähnliches geleistet wurde. Noch
weniger sollte man (zwischen den Zeilen)
die Anklage erheben: Daß bisher über-
haupt keine brauchbare kunstgewerbliche
Literatur existiere. Leider findet sich
selbst bei den trefflichsten Praktikern
zuweilen keine Einsicht für das, was
die Publizistik - das Buch, wie die
Zeitschrift - gerade auf dem Gebiete des
Kunstgewerbes während der leßten Jahre
geleistet hat! Es ist höchst bedauerlich, daß
niemand aus der Versammlung (und es waren
da viele, die gute Ursache dazu gehabt
hätten) auf Grund der bereits vorhandenen und
ständig kontinuierenden Literatur das Verdienst
der deutschen Schriftsteller und Verleger aner-
kannt hätte. Wir unsererseits wollen uns durch
127
Die Arbeit dn l\iii!s/>'nfcr/i('-J'r,
solche Ungeschicklichkeit nicht abhalten lassen,
auch weiterhin unsere Pflicht zu tun; ja, wir
wollen sogar, falls der Vorschlag Grog Wirklich-
keit wird, willig helfen, daf; die schwierige Auf-
gabe möglichst gut gelöst werde. Das helfet, wenn
man uns haben will. Künstler und Künstlergenossen !
ich spreche nicht für mich, noch für meine
Freunde. Aber: Eine Zeitschriften-Kommis-
sion, eine Kommission für die Herstellung
einer Serie von Monographien, eine lite-
rarische Kommission, in der kein Schrift-
steller, kein Verleger von Ruf sit^t, kann
nur taube Früchte tragen.
Als ein wirksames IVlittel der Propaganda
wurden im vorigen Jahre Wanderausstellungen
beschlossen. Die Erfahrungen der ersten Kam-
pagne waren im allgemeinen zufriedenstellend;
München, Krefeld und Pforzheim hatten kollektiv
Ausstellungen zirkulieren lassen. Auch fernerhin
soll bei dieser Praxis geblieben werden; damit
aber die Qualität und der künstlerische Wert
dieser als mustergültig sich gerierenden Vor-
führungen gesichert bleibe, wurde ein dem-
enlsprechender Antrag des Professors Scharvogel
angenommen. Des weiteren beschloß man, daJ3
künftighin Schülerarbeiten in diesem Zusammen-
hang nicht mehr ausgestellt werden sollen. Dieser
Beschluß scheint mir nicht glücklich, ja geradezu
gefährlich. Manche Orte dürften ohne Schüler-
arbeiten eine Ausstellung überhaupt nicht zu-
sammen bekommen; und dann: es gibt genug
Städte, ja selbst Künstgewerbeschulen, die allein
durch ihre Schülerarbeiten Beachtung verdienen.
Es gibt Lehrer, die wohl moderne Formensprache
lehren können, die aber selbst im Bann der alten
Zeit stehen. - Ein weiteres Gebiet der Erziehung
von Produzenten und Konsumenten wurde durch
Professor Heinrich Lange, den Direktor
der Krefelder Färbereischule, aufs neue der Auf-
merksamkeit empfohlen: die Echtfärberei. An
einer wohlsortierten Sammlung zeigte Lange die
immer noch alltäglichen Schäden einer mangel-
haft echten Färberei. Er gab zugleich die be-
ruhigende Versicherung und den Nachweis, daß
man sehr wohl heute den verschiedenen An-
forderungen der Echtheit so für Garne und Seiden,
wie für Stückware, für Papier und Leder genügen
könne. Erforderlich ist, daß alle Kunst-
gewerbler unbedingt auf die jeweilig
notwendige Echtheit ihrer Materialien
dringen. Sehr interessant waren die Batik-
färbungen, die Lange zeigte; klare und milde
Töne, gleichmäßig schön und echt. — Ein viertes
pädagogisches Thema behandelten die Referate
über die mögliche Mitwirkung der Kunstgewerbe-
vereine am Denkmalsschuß und am Städtebau.
Es gibt da Möglichkeiten; es ist auch wünschens-
wert, daß der oft einseitigen Architektenzunft
tüchtige Kunstgewerbler, noch besser Kunst-
freunde mit wirklich lebendigem Empfinden,
assistieren. Besonders für den Denkmalsschuß
und die Renovationen gilt dies. Ein Architekt
wird, wenn er ein gefährdetes Stück Altertum
schüßen soll, notwendig an ein Erneuern denken,
er will eben bauen. Ihm einen ästhetischen
Hemmschuh anzulegen , dürfte vorteilhaft sein.
Noch wichtiger ist die Teilnahme pietätvoller
und schönheitsbedürftiger Sachverständiger bei
der Aufteilung alter Stadtviertel, bei der Anlage
neuer Straßen und Pläße; das in all solchen
Fällen der Kunstgewerbeverein herangezogen
wird, kann jedenfalls keinen Schaden bringen.
Vorbildlich darf die Beratungsstelle des Kunst-
gewerbevereins Halle — Merseburg (neben der
älteren Stuttgarter) genannt werden; von ihren
Erfahrungen und Erfolgen möge sie zu ge-
legener Zeit berichten.
Neben diesen verschiedenen Fragen der
Exekutive wurde ein theoretisches Kapitel ge-
lesen. Dr. Wolff, der Direktor des statistischen
Amtes in Halle, versuchte den Begriff der
Volkskunst zu definieren. Mit Recht basierte
er ihn auf eine Wirtschaftsform. Die Volkskunst
gehört der geschlossenen Hauswirtschaft, entsteht
in wirtschaftlich gesicherter Lage, bei völkischer
Selbständigkeit, ist Produktion für den eigenen
Bedarf, seßt die autonome Ausführung der be-
treffenden Techniken voraus. Damit ist erklärt,
daß und warum es in der Zivilisation der Gegen-
wart eine eigentliche Volkskunst nicht mehr
geben kann. Dr. Dohrn wies darauf hin, daß solche
nüchterne Erkenntnis mit dazu helfen könne, der
Phrase von der Volkskunst der Professoren und
Maurermeister den Garaus zu machen.
Der nächste Delegiertentag wird in Berlin
stattfinden. Wir sind gewiß, daß er nicht minder
als der Hallenser eine Parade der Arbeit der
Kunstgewerbevereine sein wird, kobert breuer.
'immw.
128
t
ALFRED MESSEL
BERLIN
GESTORBEN IN »F.RI.IN
AM 24. MÄRZ 1909.
Einem Manne gilt es heute den letzten
Spruch zu sprechen, an dem wir noch
lange Freude zu haben gedachten. Zwar
war Altred Messel seit Jahren gebrochen an
Kräften des Körpers, aber dennoch wußten
wir ihn auch in der Krankenstube am Werke,
dem sein ganzes sechsundfünfzigjähriges Leben
gehörte , in dessen Ausbau er seit einem
Menschenalter Stufe um Stufe der Vervoll-
kommnung zugestrebt und Erfolg an Erfolg
gereiht hat. Er war nicht einer v<m denen, die
mit einem Schritt fertig hervortreten. Flinem
Künstler wie Schlüter schien die festliche
Fc^rmensiirache und der überquellende Reich-
tum, Knobeisdorf die heitere (irazie, Schinkel
die zweifache Gabe von grandioser l'hantasie
und schönem Gleichmaß vom ersten Tage an
voll und reif zur Verfügung zu stehen. Messel
gehört zu denen, die heutzutage auf allen Ge-
bieten öffentlicher Tätigkeit auftauchen, die in
härtester .Arbeit an sich selbst im Laufe eines
ganzen Menschenlebens ihre glücklichen An-
lagen voll entwickeln , denen es nicht ver-
gönnt ist. vom ersten Schritt an den leichten,
nicht zu vei fehlenden Weg zu gehen. Nicht
ruhig und einfach sieht ihr Bild schon vor
den Zeitgenossen, sondern wechselnd in seiner
Gestalt, das letzte Urteil erst von den Nach-
kommen erwartend.
Und doch war Alfred Messeis Entwicklung
bevorzugt schon in ihren Keimen. Ein Kind
der Stadt, in der diese Zeilen erscheinen,
der Sohn einer angesehenen Darmstädter
Famihe , in glücklichen Verhältnissen auf-
wachsend, besaß er als den Grundzug seines
Wesens süddeutsche, künstlerische Sinnlich
keit, einen auf das Reale gerichteten ( )ptimis-
mus, der nicht grübelt und in Problemen
stecken bleibt, sondern mit entschlossener
Hand nach dem Greifbaren laßt. Mit diesem
Grundzug, der ihn zum l'aumeister machte,
führte ihn das Schicksal einen Weg. wie er
zukunitsvoller einem .\rchitekten unserer Tage
garnicht beschieden werden konnte: den nach
Berlin. Nicht als ob durch diese Fügung
der Erlolg für einen Menschen schon ver-
129
Alfred Messe!
brieft gewesen wäre, der sich mit gutem
Talent geschickt unter andern zu bewegen
weiß. Das Berlin der siebziger Jahre hat
mehr als einen der zahllosen Zuwandernden
sein 15estes gekostet, nicht wenige auch unter
den Baumeistern, die von überall her herbei-
eilten, als die ehemalige Kleinstadt begann
nach allen Seiten zu wachsen, ihren Umfang
zu verdoppeln, zu vervierfachen, allenthalben
das Alte durch Neues zu ersetzen. Viele, die
in diesen Strudel gerieten, sind tlariii unter-
gegangen, als die Schwächeren gegenüber den
verwirrenden, ungezügelten Verhältnissen. Ihm
wurden diese zum Element. Nicht mit einem
Schlage. Aber die Jahre hindurch hat er in
immer steigendem Maße gezeigt, daß er das
Zeug besaß, ihr Meister zu sein, als Künstler
sie zu beherrschen. Sein Wesen brachte ihn
nicht in Konflikt mit diesen chaotischen Zu-
ständen, wie einer hätte fürchten mögen, der ihn
den Weg nach Berlin nehmen sah. Ihm war es
gegeben, in ihnen zu finden, was für ihn taugte,
die Stelle, wo sie anzupacken waren. Ihm ist
es geglückt, in seiner an Ausdruck reichen
Architektur-Sprache das werdende Berlin der
letzten drei Jahrzehnte in Form zu fassen.
Tnd das ohne öffentliclies Amt, ohne die
Möglichkeit, die Mittel des Staates oder der
Stadt für sich nutzbar zu machen. Einfach
durch die Gelassenheit, mit der er all den
einen Berliner Baumeister umdrängenden Wirr-
warr von sich abhielt, durch die ruhige Ziel-
bewußtheit, mit der er an die ganze Vielfältig-
keit der Aufgaben und gerade an die traditions-
losesten herantrat. Nicht mit niederstürmender
Originalität, aber im immer gefestigter werden-
den Besitz eines ausgeglichenen Kunstgefühls,
dessen Vorbedingungen er aus der solchen
Anlagen günstigeren Heimat mitgebracht hatte.
Vom eigenthch Modernen hielt er sich ab-
seits, ohne darum zum bloß philologischen
Beherrscher der alten Stile zu werden. Und
doch: war einer moderner als er, in der An-
passung des Grundrisses an den gegebenen
Zweck , wußte einer , bei aller Fähigkeit aus
der Vergangenheit zu schöpfen, von der Ab-
hängigkeit vom bloß Antiquarischen so frei
zu bleiben wie er? Er hat zwischen der
Tradition und den lebendigen Forderungen
eine Linie gefunden, in deren Verfolgung er
nicht zum Eklektiker zu werden brauchte.
Die Formen der historischen Stile schienen
m seiner Hand zu neuer Beweglichkeit und
Anpassungsfähigkeit zu erwachen, gerade im
Konstruktiven begab er sich nicht seiner
F'reiheit, dafür zog er in der dekorativen
Durchbildung des (ierüstes Nutzen aus einer
seltenen Fähigkeit, sich in den t'.eschmack und
die verfeinerten Techniken der Vergangenheit
einzuleben.
So ist sein Wesen nicht mit wenigen
Worten zu umfassen. Er war nicht, wie man
ihn nennen wollte, lediglich der Realist unter
den Baumeistern, sondern vor allem auch ein
Mensch von Phantasie, der die notwendige
Sinnlichkeit des künstlerischen Eindrucks auch
in der Konstruktion nicht vergaß. Fr hat
sich andererseits niemals an unklare Wirkungen
und Geschmacksfinessen verloren; davor be-
hütete ihn sein stark entwickelter Sinn für
die Realität, die aus Steinen und Eisen spricht.
Sein verlassener I'latz bleibt leer. Kaum
jemand verkörpert in sich gerade die glückliche
Mischung von Anlagen, die er besaß. Dieses
Gefühl bei den Mitlebenden zu hinterlassen, ist
viel in einer Zeit, die Qualitäten so wenig fein
unterscheidet wie die unserige. Es wird nicht
vielen zuteil, daß sie das l^rteil über sich der
Nachwelt so ruhig überlassen können, die von
den persönlichen Gehässigkeiten wie vom
Überschwang ohne Maßstab gleich weit ent-
fernt sein wird. d«- fritz woi.ff.
Die bedeutendsten Schöpfung:en des entschlafenen Meisters sind in der Deutschen Kunst und Deko-
ration veröffentlicht worden. So erschienen: im Maiheft 1S9S das Warenhaus Wertheim in Berlin,
mit 30 lllustrat. und Text von Fritz Stahl— Berlin, im Februarheft 1905 der Neubau des Warenhauses
Wertheim in Berlin, mit 36 lllustrat- und Text von Dr. Fritz Wolff- Berlin, im Dezemberheft 1906
das Landesmuseum in Darmstadt, mit 30 Illustrationen und Text von Victor Zobel — Darmstadt.
130
ADOLF ilUNZER: BADENDE.
AlMtl.K MIN/.ER MLNCIILN.
Liegender Akt vor ilciii .Spieycl.
ADOLF MÜNZER-MÜNCHEN.
Die Entwicklung Adolf iMünzers in seiner
künstlerischen 1-rühzeit ist untrennbar
verbunden mit der Entwicklung der bedeutungs-
vollen Künstlergruppe »Scholle« , die nicht
nur für die Münchner Kunst, sondern für die
ganze neuzeitliche deutsche Kunst den Sauer-
teig bedeutet. Als die »Gruppe G«, wie sich
die »Scholle früher nannte, im Jahre 1899
im Münchner Glasjjalast zum erstenmal heraus-
trat, da war unter den Bildern eines, das
schon durch seinen Titel: »Eaustgedanke.^
den schweren literarischen Gehalt verriet, der
damals allerwärts in der deutschen Malerei
spukte und erst heute, nach einem Jahrzehnt,
zu 'gunsten der ästhetischen Reinlichkeit und
der absoluten Malerei endgültig verbannt zu
sein scheint. Der Schöpfer des Bildes >Eaust-
gedanke« war .Vdolf .Münzer, der, wie die
ganze junge Gruppe, der er sich verschrieben,
damals noch sehr in den Anfängen steckte;
freilich waren es hier wie dort Anfänge, die
bedeutungsvoll in die Zukunft wiesen
Adolf .Münzer ist , wie seine Scholle-
llenossen Fritz und Erich Krler. ein geborener
Schlesier; in Pleß erblickte er am 5. Dezember
1870 das Licht der AVeit. Er diente von
der Pike auf im Reiche der Kunst : er be-
gann als Dekorationsmalerlehrling, kam dann
an die Breslauer Kunstgewerbe.-chule und
bezog endlich im Jahre 1890 die Münchner
Akademie, wo er sich der Leitung des idealsten
aller .Akademiejirofessoren, Paul Höckers, an-
vertraute. Bei Höcker war damals ein richtiger
»Geniekasten« beisammen, die besten Kräfte
der jungen Künstlerschaft trieb es instinktiv
zu diesem Lehrer, von dem sie ahnten, daL'j
er aus ihnen herausholen würde, was nur
immer herauszuholen sei. Nicht nur mit dem
Lehrer verband diese jungen Leute ein schönes
Freundschaltsband, sondern auch unter ihnen
selbst waren mehr Fäden der Gemeinsanikeit
gesjtannt, als es sonst unter jungen .Akademikern
üblich ist. .Äußerlich dokumentierte sich das
in der gemeinsamen Mitarbeit an Georg Hirths
»Jugend' und in dem späteren Zusammen-
schlulj zur j Scholle .
h;
] )i. (jforo 'Jacob JIW/.
c.
^
\
ADOLF MUNZER MÜNCHEN.
Wie für Erler, Eichler, Putz, Püttner be-
deuten auch für Münzer die beiden Momente
Jugend' und ^Scholle- die entscheidenden
Lebens- und Kunstfaktoren. Äußere , rein
technische Gründe brachten es mit sich, daß
sich die Mitarbeiter der »Jugend' in jener
ersten Zeit fast ausschließlich zeichnerisch
betätigen mußten : die aul der Technik der
Farbenphotographie beruhende Druckart war
damals noch nicht bekannt ; so mußten sich
also die »Hauskünstler«, zu denen auch Münzer
gehörte, auf die kolorierte Zeichnung be-
schränken. Das war aber gerade Münzer
nicht sehr angenehm. In ihm schrie alles
nach Farbe, nach kräftigem Kolorismus. Und
so trat denn, wenn er vor die Leinwand ge-
stellt wurde, bei ihm das ein, was man auch bei
Erler, Georgi und Eichler wahrnehmen konnte:
das Bediirfnis. »sich auf der Leinwand aus-
zuleben«-. Dieser Umstand erklärt die Riesen-
formate dieser frühen »Scholle«-Bilder, und
Bildnis meines Bruders.
dieses Riesenformat wiederiuii macht es be-
greiflich, daß es sich hier nicht um intime, be-
sonders delikate und reizvolle ^L^lerei handelte:
das war ein Losweltern, ein breites, zügiges
Herunterstreichen von Bildern, die einerseits
stark auf »Idee« hin gearbeitet waren, anderer-
seits unter der Hand ihrer Schupfer ganz
unbewußt und ungewollt ins Großzügig-Deko-
rative hinüberstilisiert wurden. Für Münzer
ist in dieser Hinsicht besonders sein Früh-
werk »Arbeit und Luxus« charakteristisch,
aber auch auf sein etwas späteres Münchner
Karnevalsbild triflt manches des hier (ie-
sagten zu.
In dem Grade, als die »Jugend« an sich,
die »Scholle« an sich für Münzer an aus-
schließhchem Interesse verloren , trat eine
Differenzierung und lndi\ idualisierung seiner
Kunst ein. Immer mehr fand er seine eigene
Note' , die allmählich zum ausgesprochenen,
aber weder eigenbrötlerisclien , noch eigen-
'34
Adolf Münzer— AfiincJifn.
ADOLF MÜNZER- MÜNCHEN. Gemälde; »Schwäbin«.
Original im Besitz von Alexander Koch — Darrnslatlt. Mit Gcncliniigunt; der \V-rla{;s1iandluiig Velhapen & Klasinn— Bielefeld.
sinnig gewahrten, als endgültig betrachteten
-persönlichen Stil« wurde. Miinzer entwickelte
sich zum Maler der Mondaine. Daraul hatten
bereits die Zeichnungen für die »Jugend'^
hingewiesen, die gerne schöne Frauen mit
heißen Ulicken und in der .-Xnnuit der Jugend,
in der Pracht der IJlunien und der gefälligen
rmhüUung einer chiken Mode zeigten. Kine
Reihe von Jahren hindurch gab Müuzer das
wieder in Bildern, die einem oft den Ge-
danken durch den Kopf gehen ließen, hier
sei ein moderner Watteau unter uns aufge-
standen. Auf jeden Fall ist Münzer auch
heute noch in der Schar der ziemlich demo-
kratischen »Scholle'I.cute der ausgesprochen
.aristokratische: aristokratisch im Sinne der
Freude am Schönen, an der Frau, ah wohl-
gebildeien Körpern, an graziösem Spiel, an fa-
shionablem Sport, an Lichtern, Seide, Blunun,
Festen: odi ])rofanuni vulgus et arceo . . . das
könnte man über seine Kunst schreiben Unter
solchen Umständen hatte ein längerer .\u(ent-
halt in Paris für Müni'er etwas Lockendes,
dem er nicht widerstelien konnte. Im Ja^ir
1900 ging er in die Seinestadt. Aber nicht
um » Kunst r zu studieren vor den Alten im
l.ouvre, in der .Akademie Julien, bei den
Iniiircssioniston, in l'arbiztm oder sonst wo.
Hi
Dr. Gcoig Jacob II o//:
ADOLK MUNZER MUN'CHEN.
Sondern um das »Leben« zu studieren, um
es einzufangen mit beweglichem Stilt, um
Herz und Hirn mit scliwebender Leichtigkeit
und Helhgkeit anzufüllen. Und diese Art
der Kunst hat auch heute, wo Münzer wieder
seit sieben Jahren in München schafft, bei
ihm noch Geltung, dokumentiert sich noch
und stets aufs Neue in zahlreichen Arbeiten,
zumal in solchen, die einen leicht dekorativen
Einschlag haben. So besonders in den köst-
lichen i-echs Ovalen, mit denen Münzer den
Konfektion?rauni der .\usstellung München 1 908
schmückte. Welche Fülle von Grazie, welche
Eleganz, welcher »Chik«! Aber doch nichts
von dem iNur-Eleganten« , von dem Chik
Porträt Frau V.
als Selbstzweck , der vieler begabter Maler
Kun«t verkitschte und zerschlug. Die Vor-
züge Münzers bleibea eben nicht wie bei
jenen am Stofflichen hängen, sondern steigern
sich ins Rein-Malerische, wo namentlich eine
raffiniert vornehme Palette und ein sicheres
Gefühl für wohltuend- dekorative Wirkung
Münzers bestes Teil ist. In diesem Sinne
muß man auch seine beiden Wandbilder
»Quelle« und «Ritter--, die als Pendants die
Anmut und Märchenseligkeit des deutschen
WaHes umschreiben sollen, ansehen oder das
letzte und in mancher Hinsicht bewunderns-
werteite Werk des Künstlers, vier dekorative
Supraporten, die für den Gesellschaftssaal
136
^^^^^^B^^^ ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H
Hkw^y*'—^
Ei^*ti'
^^^^^^^^^^^^k t^tfii^^^^^^^^^^B ^^^H
t^ IX
^l^m ^\l1
^H f^HBytft 4ifl
^^IM^^K. .^^^^^^^^^^^1
Adoll Münzer— München.
ADOLF MUN/.EK MÜNCHEN.
eines Hamlnirger Hotels bestimmt sind. "Ge-
sang', Schauspiel', ^Maskerade , 'l'anz-:
das sind die Titel — Frauengestalten mit ein-
leuchtender Symbolik verkörpern diese frohen
Dinge. Die lineare Schwierigkeit, die durch
das breite, niedrige Format gegeben war, ist
durch die geradezu glanzende, ganz unge
zwun^cne Kom])Osition liervorragend gelöst,
ebenso wird es einem vor diesen Bildern
kaum bewußt, daß da nicht zu geringe kolo-
ristische Probleme gestellt waren : diese Bilder
sollen festlich-heiter sein, aber sie haben einen
ganz weißen Saal zu schmücken. Das be-
dingte auf der einen Seite eine gewisse Bunt-
heit, auf der anderen eine diskrete Dämpfung
Uiliinis Fräulein H.
der F"arbe, soll sie nicht laut und schrill aus
dem architektonischen F.nsemble herausjilatzen.
.Münzer hat sich hier genial aus der .Vffäre
gezogen, indem er, bei aller Selbständigkeil
jeder einzelnen Arbeit, doch einen gemein-
samen koloristischen Nenner für den ganzen
Zyklus fand. Töne aus dem einen Bild findet
man im anderen wieder, manches ist durch
das Gesetz der Komj)limentärfarben auf ein-
ander abgestimmt und auch ein ■ gewisser
Linienrhythmus, der durch die ganze Serie geht,
dient als verbindendes und ausglei< hende-i Glied.
Neben solchen .-\rbeiicn, die im Grunde
doch den Künstler von vorneherein in der
einen oder anderen Richtung binden, gehen
D). Gcoyo Jacüh VVoll :
AUOLK MUNZER -MÜNCHEN.
ganz freie Schöpfungen absoluter Malerei
einher. Diese Kunst atmet die Frische der
Natur. Schöne Frauen finden wir in hellen,
sonnendurchflirrten Wäldern, die eine in der
heiteren Hülle eines lichten Sommerkleids,
die andere m der Pracht ihrer schönen, ü])pig-
reifen Nacktheit. Die Naturfrische, das Luftige,
Helle trägt Münzer auch in seine Innenräume,
und da liebt er das Nebeneinander einer
Nackten und einer modisch Angezogenen,
ein Problem, das seit Tizians Zeiten die Maler
immer wieder mächtig zog; und so liebt er
auch die Spiegelwirkungen , wie aui einem
vorzüglich gestalteten, besonders in der Be-
leuchtung sehr eindrucksvollen ruhenden Akt
vor einem Spiegel, den er vor kurzem malte.
Auch dem Porträt widmet Münzer neuerdings
seine Aufmerksamkeit. Seiner ganzen Ent-
wicklung nach müßte man glauben , daß es
Porträt: Direktor Franz Josef Brakl.
ihn reize, Frauen von Lenbachscher Anmut
und Rasse zu malen. Aber wie keine Be-
gabung ohne irgend einen inneren Wider-
spruch ist, so ist auch das Kapitel »Münzer,
der Porträtist« nicht ganz in einer strengen
Entwicklungslinie unterzubringen. Gerade auf
diesem Gebiet treibt er seine tollsten male-
rischen Kapriolen. Hier interessiert ihn vor
allem die Oberfläche. Psychologisch hingegen
schürfen seine Bildnisse nicht sonderlich tief.
Man sehe sich darauf hin seine jüngsten
Frauenporträie oder das Bildnis seines kunst-
händlerischen »Managers« Franz Joseph Brakl,
dieses unermüdlichen Förderers der i^Scholle«-
Leute, an. Das sind, bei aller Porträtähnlich-
keit im Sinne korrekter Oberflächennach-
schöpfung, koloristische Stilübungen. Das
Lineare ist hier nur untergeordnet, das Gesicht
ist farbige Erscheinung : freilich dann mit
142
AiM f M ünzer- M lim k
-i
♦
AIJOl.K MLNZF.K »n NIHEN.
delikatem l'insel und ai)artester Palette fest-'''
gehalten. Bewundernswert ist an diesen Bild-
nissen die schmissige und zügige, dabei ganz
geschlossene Behandlung , die nicht zuletzt
darin begründet ist, dati Münzer seine Bilder
sehr rasch hcruntermalt. Die Stimmung hält
unter solchen Umständen vor, und das oft
blitzartig auftretende Abspringen, das mancher
temperamentvolle Künstler während einer
zähtlicL'ienden Arbeit an einem Bilde nicht
vermeiden kann . und das alle stilistische
Rundung zerstört, ist unter solchen Umständen
ausgeschaltet: es sind wohlabgerundete, kunst-
ökonomisch ganz ausgezeichnete Arbeiten.
Das etwa ist der Münzer von heute : Ein
Dekorateur festlichen Stils, aber nie in die
äußerliche Makartart umschlagend, ein hervor-
ragender Aktmaler, der seine meist geschickt
ins Interieur gesetzten Nackten mit fast
Rubens'scher Freude herunterstreicht, ein
ernsthafter Techniker, als den ihn seine wohl
dunhk(;mpoiiierten Figurcnbilder qualifizieren,
ein l'orträtist von Eigenart und - wenn man
das Wort recht verstehen will — über-
Oemiilde: Sitzender Akt .im Spicycl.
Ori|;iiial im Hesit/ von Alexander Koch— DannsLidt.
raschcndcm koloristischem Humor, ein ge-
wandter und interessanter Zeichner, dessen
Hinneigen zum Eleganten aller glatten Süß-
lichkeit entbehrt. Dieser Münzer ist gegen-
über dem Münzer, der vor zehn Jahren
bei der *(;riip|)e G^ auftauchte, ein fertiger
.Meister. Fertig — und doch nicht. Denn
seine Kunst hat sich nicht in einer Sack-
gasse verlaufen, hat sich noch nicht end-
gültig auf eine »Nuance« festgelegt, von der
sie nicht mehr loskommt, sondern besitzt
namentlich nach der Richtung des großen
Figurenbildes hin noch reiche Entwickhings-
möglichkeiten, und jeder Tag kann uns eine
neue, überraschende und beglückende Wendung
oder eine weitere Entfaltung von Münzers
Kunst bringen, u» nEoKd jacoh w(m.k mCnchk.n.
Kann man vom hihatte eines Kunstwerkes
sprechend Was haben die unzähligen gematten oder
genieißetten Madonnen anderes mit einander getnein
als den Namen f Was ist der Inhalt in der Musik!
Nur die Form! Vnd iit's in der Malerei nieht
trenau ehrn^'i' Max f.iehermonii.
15
PROFESSOR MAX I.IEBERMANN.
L. PROCHOWNIK KKRI IN.
ZeicbDUD^: iMarkische Landscbalt.
ZEICHNENDE KÜNSTE.
VON D« HANS BETHC.E.
Die Berliner Sezession bot uns in ihrem
Hause am Kurfürstendamm eine Winter-
Ausstellung , die den zeichnenden Künsten
gewidn''et war. Nun, diese Ausstellung war
verschwommen. Es war eine konturenlose
Ausstellung, man sah zwar vieles Gute, aber
es fehlten ganz und gar die .Stütz- und Ruhe-
punkte. Diese Ausstellung bleibt in der Er-
innerung nicht als ein einheitliches Bild,
sondern nur an Einzelheiten erinnert man
sich. Sie war übrigens viel zu groß. Eine
so umfangreiche Darbietung der zeichnenden
Künste muß notgedrungen ermüden, zumal
wenn der markanten Punkte so wenige sind.
Es waren viele dilettantische Sachen da.
Vieles Gleichgültige, aber auch Schönheiten,
gewiß. Das ganze Arrangement war nicht
gut. Die einzelnen Sachen der Künstler
hingen zum Teil weit von einander getrennt.
Meint man denn , daß man den Genuß der
Betrachtung durch dieses diffuse Hängen,
dessen Zweck nicht einzusehen ist, erhöht?
Wie viel genußreicher, wenn die gesamten
Sachen emes jeden Künstlers kollektiv bei-
einaniler hängen ; es gibt doch einen ganz
anderen Überblick der einzelnen Persön-
lichkeiten; seltsam, daß man dies erst aus-
sprechen muß.
Man dachte bei dieser Ausstellung sehn-
süchtig an jene kostbare Schwarz-Weiß-Dar-
bietung zurück . die uns die Sezession anno
190.3 in ihrem kleinen, intimeren Hause in
der Kantstraße arrangiert hatte. Damals sah
man ein ganzes Zimmer angefüllt mit un-
vergleichlichen Handzeichnungen von Rodin,
das Werk A. Beardleys wurde uns in er-
lesenen Stücken vorgeführt, andere schöne
Kollektionen waren zu sehen. Rodin hat
unterdessen Zeichnungen nach siamesischen
Tänzerinnen gemacht, über die man das
Rühmlichste vernommen hat, — warum hat
man sie nicht herbeigeschafft? Vergangenen
Herbst war eine Kollektion neuer Rodinscher
Zeichnungen in Leipzig ausgestellt, — warum
hat man sie sich nicht für den Winter ge-
sichert? Man hat vorgezogen, der Winter-
Ausstellung eine umfangreiche Sammlung von
Zeichnungen Franz Krügers, des Vorgängers
190». IX. i
'i;
Dr. Hans J adlige:
ZZ. i. OC (■^J((v/fJ
M. BKCKMANN-HERMSDORF.
Menzels, einzuverleiben ; aber diese vortreff-
lichen Sachen passen in die Sezession durch-
aus nicht hinein ; sie stören das Ensemble,
man wünscht sie sich fort, so gern man sie in
einer geschlossenen Sonder - Ausstellung bei-
sammen sähe. So war das Bild dieser Aus-
stellung ohne rechte Einheitlichkeit, man sah
ein verschwommenes Gesicht, es fehlten die
energischen Umrisse.
Aber man sah vielerlei Schönes. Von
Max Liebermann sah man 75 Arbeiten
beisammen: Radierungen, Pastelle, Zeich-
nungen. Eine sehr schöne Sammlung, aus
der einem das Bild des Graphikers Lieber-
mann sehr deutlich wurde. Diese Impressionen
mit der Nadel und dem Stift zeigen die
Sicherheit eines modernen Meisters, der durch
ganz notwendige Traditionen hindurchgegangen
ist. Bei manchen der radierten kleinen Land-
schaften aus Holland wird man an Rembrandt
erinnert, so delikat ist die Führung der Nadel,
so lebhaft ist die holländische Atmosphäre
gestaltet worden. Leise Andeutungen werden
zu charakteristischen Erscheinungen auf diesen
Blättern , Liebermann verfügt über die Gabe
der Abkürzung in einer beneidenswerten Weise.
Sein Selbstporträt, das in der Auffassung an
das frühere Ölbild denken läßt, ist sehr schön.
Noch eine andere neue Radierung erinnert
Zeichnung.
an eine frühere^Malerei : Simson und Delila.
Simson ist als Erscheinung nicht ganz be-
wältigt, aber wundervoll ist Delila: hier ist
ein klassischer Umriß gegeben , die Linie
dieses Weibes hat Größe in ihrer Einfachheit,
in ihrem genialen Schwung. Was auf Lieber-
manns Blättern immer wieder entzückt, ist die
Vertiefung alles für die Zwecke der Radierung
Notwendigen im Räume und die meisterhche
Abstraktion von allem Unwesentlichen.
Diese Abstraktion vom Unwesentlichen
zeichnet auch die Radierungen einer Dame
aus, die sich an Liebermanns Kunst in glück-
licher Weise erzogen hat — ich meine die
Blätter von Erna Frank, einer mulier nova.
Auch Erna Frank gibt Landschaften aus
Holland. Die auf dem Strande liegenden
Boote, die wir abbilden, gehören zu ihren
besten Blättern. Erna Frank gibt Abrisse,
die das Wesentliche bereits mit einer auf-
fallenden Sicherheit betonen, sie hat einen
klaren Blick für das Charakteristische land-
schafthcher Ausschnitte, ihre Arbeiten haben
ein inneres Leben, das ganz von der Im-
pression beherrscht wird. Ihre Blätter wirken
selbstverständlich, etwas Leichtes und Klares
ist im Strich, sie sind ganz ungekünstelt, in
ihnen ist die technische Wesenheit der Ra-
dierung begriffen.
146
Zeifhnendt Künste.
PROFESSOR MAX LIF.llEKMANN KEKI.1.S.
Von Max Slevogt, der neben Lieber-
mann die wichtigste Säule der Berliner Sezession
darstellt, waren außerordentlich schöne Feder-
zeichnungen da. Slevogt widmet sich in den
letzten Jahren mit besonderem Glück den
zeichnenden Künsten. Seine schönen, von Leben
sprühenden Lithographien zur Ilias haben
sich viele Freunde gewonnen , die Tusch-
zeichnunsen zu Ali Baba hatten eine F'antasie
Kadierurg: Selbstporlrät.
und Verve seltener .\rt. jetzt kommt er uns
mit sehr leinen Federzeichnungen zu » Rübe-
zahl und zu iCoronna«: und mit Lithographien
zu »Sindbad der Seefahrer«. Slevogt zeich-
net in einer Technik, die an den Menzelschen
Strich erinnert, ohne daß sie von ihm ab-
hängig wäre. F.s ist eine innere Wesens-
verwandtschaft in der zeichnerischen Manier
dieser beiden (wobei man an den jungen.
■47
Dr. Hans Bet/i^e:
ERNA I'KANK BERLIN.
nicht an den alten Menzel zu denken hat).
Slevogts Blätter haben ganz den Reiz der
schnellen, von einem heftigen Impuls diktierten
Handschrift, und es ist viel sichere Kultur
in diesen dünnen, von Leben erfüllten Strichen.
Von Max Beckmann, dem jüngsten
Mitgliede der BerUner Sezession, sah man
sehr sympathische Zeichnungen. Beckmann
hatte als Maler mit seiner v Kreuzigung'- einen
sehr großen Anlauf genommen, um dann mit
seinem Riesenbilde »Die Schlacht« zu ent-
täuschen. Aber in diesem Künstler stecken
große und ehrliche Fähigkeiten, und er hat
uns vielleicht noch sehr Wichtiges zu sagen,
wenn erst eine Klärung in sein Talent ge-
kommen sein wird. Seine Zeichnungen lassen
das Allerbeste hoffen. Sie sind von einer
erfreuUchen Einfachheit und Aufrichtigkeit,
sie wollen gar nichts weiter sein als die hurtig
empfundenen Niederschriften eines Tempe-
ramentes, — und als solche sind einige von
ihnen geradezu bestechend. So diskret wie
in diesen Zeichnungen hat sich Beckmann,
dessen Talent so leicht zur wilden Flamme
auflodert, noch nicht gezeigt. Es wäre schön,
wenn sie eine Vorbedeutung wären für eine
zukünftige größere Diskretion in seinen
Malereien.
Radierung.
Von Edward Munch war eine umfang-
reiche Kollektion da. Sie enthüllte keine
neuen Seiten dieses großen spröden Talentes,
sie befestigte nur die Meinung, daß dieser
mystische Seher uns oft die seelische Seite
der Dinge mit bewunderungswürdiger Deuter-
kraft zu erhalten weiß , ohne daß er uns
künstlerisch das Letzte zu sagen vermöchte.
Er hat bei aller Geistigkeit in seiner Kunst
doch etwas vom norwegischen Bauern, ihm
fehlt die Kultur im höchsten Sinne, bei ihm
ist immer ein Widerstreit zwischen Robustheit
und Seele , sodaß das Resultat so gut wie
niemals ganz rein aufgeht. Etwas Unheim-
liches weht uns aus dem Doppelbildnis Walter
Leistikows und seiner Frau entgegen; das
Porirät eines Totkranken , der schon nicht
mehr dem Leben zu gehören scheint , und
einer Frau, die mit einem süßen Lächeln
noch ganz an die Erde gebunden ist.
Ernst Barlach, ein Bildhauer, der sich
durch gute, nur freilich etwas kunstgewerblich
wirkende Skulpturen russischer Bettler bekannt
gemacht hat, hatte zwanzig Zeichnungen aus-
gestellt, die für Viele der Clou dieser Aus-
stellung waren. Nun. diese Zeichnungen sind
in der Tat interessant und gut — aber sie
sind nicht so gut wie die Barlachschen Skulp-
14S
Zekhucnde Küusic.
A. SCHINNERER- -TENNESLOHE.
turcn, und sie sind trotz ihrer starken persön-
lichen Reize von der Vollkommenheit noch
ein Stück entfernt. Sie wirken ganz und gar
als die Zeichnungen eines Bildhauers. Diese
IJinge sind ganz skuljJtural ge.sehen , und sie
sind beherrscht von einer e.votisch-karikieren-
(ien Tendenz , die einen Zug ins Mystische
hat. Die eine Zeichnung, auf der die Kari-
katur keine Rolle spielt (siehe Abbildung),
löst ein Empfinden aus, ähnlich wie man es
bei Minne hat; diese Zeichnung ist mir die
liebste unter den Barlachschen Blättern. Aber
das beste, was der Künstler aiil dieser Aus-
stellung zeigte, war keine Zeichnung, sondern
eine Skulptur: ein »Wanderer im Wind?, aus
Holz geschnitten , von einem großen und
sicheren Rhythmus, von einer schönen Bildung
in sich bewegter skulpturaler Flächen. Ja,
Barlach ist ein Bildhauer.
Radierung: »Seiltänzer«.
Von Leo Prochownik sah man einige
vortreffliche iilätter. Dieser stille und sehr
aufrichtige Künstler hat die märkische Land-
schaft mit eigenen Augen gesehen, ein ruhiger
lyrischer Rhythmus schwingt wohltuend in
seinen Zeichnungen, die etwas von der Seele
landschaftlichen Daseins einzufangen wissen.
Ein im besten Sinne deutscher Künstler
ist Adolf Schinnerer. Wir geben eine
seiner schönen Radierungen wieder, die ihn
ausgezeichnet charakterisiert. Man erfreue
sich an der Einfachheit, an dem sicheren Stil
und dem prachtvollen Humor dieses Blattes.
Von Karl Walser sah man Radierungen,
die als Buchschmuck gedacht sind: 16 Blätter
zum Don Quichote und 16 ganz kleine Blätter
zu den Ciedichten Robert Walsers, der ein
Bruder des Malers ist. Die beiden schweizer-
ischen Brüder zeigen in ihren Wcirten und
'■ly
Dr. Hatis Bethge:
ED. MUNCH KOPENHAGEN.
hingegriffelten Strichen, daß sie auch Brüder
im Geiste sind. Der Stil des einen wie des
andern weist eine sehr persönliche, zarte,
zierUch-naive und nicht selten etwas karikatu-
ristische Note auf. Etwas Traumhaftes blüht
aus den Versen und den Radierungen hervor.
Eine stille Melancholie in den Stuben und
in der Landschaft. Resigniert wandelt der
Dichter, die Hände in den Hosentaschen,
durch die Büsche des nebeligen Feldes oder
lümmelt sich an einem sonnenlosen Tage zu
Haus auf dem Sofa.
Von dem jüngst verstorbenen Rudolf
Wilke sah man eine große Kollektion seiner
für den ;»Simplizissimus« gezeichneten Biälter.
Am besten sind ihm immer die Säufer, Penn-
brüder und Landstreicher gelungen. Er hatte
eine eigentümlich kriselige Art die Feder zu
Lithographie.
füliren, er verstand es Typen zu individuali-
sieren , wie wenige unserer Karikaturisten,
und man konnte in dieser Ausstellung gut
erkennen, wie weit er über seine Kameraden
Thoeny und Reznicek herausragte, von denen
man auch eine Reihe Blätter beisammen sah, —
einigermaßen oberflächhch empfundene Blätter.
Die allzu stofflichen Arbeiten von Hans
Baluschek wissen wenig zu interessieren.
Auch Marcus Behmer, der freilich ganz
anderen Zielen zustrebt, wirkt wenig erfreulich:
kalt und epigonenhaft. Die Pastelle, die
Ludwig von Ho ff mann geschickt hatte,
erinnerten an den Charme der früheren Pastelle
dieses Künstlers, aber ohne ihn zu erreichen.
Von Emil Rudolf Weiß sah man reizende
kleine Holzschnitte und eine vorzügliche
Radierung: den wilden Akt einer Frau ; dieser
150
Zeichnende Kümk
Künstler scheint sein graphisches Werk im
übrigen kaum weiter auszubauen, sondern sich
ganz nach der malerischen Seite hin zu ent-
wickeln. \'on Theo von Brockhuscn gut
gesehene, aber innerlich etwas arme Zeich-
nungen. Drollige Typen des Berliner Prole-
tariats von Heinrich Zille, dem sein Stil
freilich schon langsam zur Schablone wird.
Hübsche, aber etwas oberflächliche Illustra-
tionen von Ernst Stern, der an Walser
längst nicht heranreicht.
Bleibt noch auf die große Sammlung der
Zeichnungen Franz Krügers hinzuweisen.
Die Ausstellunsf hätte kleiner und gewählter sein
können, sie hätte uns dann das Profil dieses
Künstlers in schärferer Prägtmg gezeigt. Krügers
Porträt-Zeichnungen, die dem charakteristischen
Wesen der Menschen mit liebevoller Hingabe
nachgehen, haben etwas stark bürgerliches an
sich. Dieser Zeichner stand fest auf der F.rde,
und er gibt niemals Perspektiven in weite Hori-
zonte. Sein Kreis war klein, aber er herrschte
in ihm. Er ging der Natur mit einfachem,
meist etwas nüchternem Sinne nach, Solidität
ist die Basis seiner freundlichen Kunst, in
der mannigfache kulturgeschichtliche Reize
stecken, der aber die geniale Note fremd war.
Krüger war ein liebenswertes Talent. —
E. BAKLArH BERLIN.
Zcichnunij.
HI
l'Kcib. HKliXK. iMETZENDORK BENSHEIM. HERRSCHAFTS-HAUS DER GRÄFIN DE LIEDEKERKE— WÜRISHOFEN.
PROF. HEINR. METZENDORF— BENSHEIM. BRUNNENHOF IM HAUSE DER GRÄFIN DE LIEDEKERKE WÖRISHOFEN.
152
l'Koh. HEINRICH MEI/.ENllOKF IIEX.SHEIM.
UAUS DEK GKAHN IJE LIEUEKERKE \Vi IKISHOKEN.
PROF. HEINRICH METZENDORF-BENSHEIM.
Am Werk des Baukünsllers . dem dieser
kleine Aufsatz gewidmet ist, läßt sich
leiclu und sicher nachweisen, wie eine zu-
nächst in der Kleinstadt einsetzende künst-
lerische Arl)eit ihre Kraft über die en<;en
lokalen Grenzen hinaus zu dehnen vermag,
an bedeutenden Aulgaben in den nahen großen
Kachbarstädten heranwächst und schließlich
Beachtung und Anerkennung bei der Gesamt-
heit der künstlerischen Fachgenossen erzwingt
und in deren Einschätzung den besten ].ei-
stungen der Zeit
nahegestellt wird.
— Vor mehr als
zwull Jahren ist
Prof. Heinrich
.Metzendorf aus
der Hast einer im
I nd ustriegebiet ver-
brachten Tätigkeit
an die ihm heimi-
sche Bergstraße
zurückgekehrt. Er
fand zum ersten
Mal Muße zur
-1^
ORUNDRI5S ZU OBIGRM HKRRSCHArlS-HAl's.
Sammlung und zu ruhigem Schauen. .\m Hang
der den Odenwald gen Westen .abgrenzenden
Bergstraße sind breite, in die Ebene auslau-
fende Täler eingeschnitten. Sie lockten zur
Wanderung in das Gebirg und seine stillen
Dorlchen hinein. Da standen die alten frän-
kischen und alemannischen Bauernhäuser in
malerischer Mischung ihrer Bauanlage, kaum
hier und da verdorben durch den Einbruch
städtischer NachäfTung. Dam.als begann das
\'orbild des englischen Landhauses bei uns
zu wirken und das
Auge zu schärfen
für den Zusammen-
hang seiner Form
mit dem Stil bäu-
rischer Bauweise.
Der junge Archi-
tekt erkannte, was
in den Bergen sei-
ner Heimat Bau-
sittc gewesen und
er fand die reiche
und mannigfaltige
Möglichkeit der
'53
PBOFESSOK HEINRICH
METZEXDORF — BENS-
HEIM A. D. BERGSTK.
HAUS KOMMERZIBNRAT
DR. WEVL — BENSHEIM.
^
l
'^ftttYJtllr^ ■■■■
V
1
Hfe. IT
pn
i
154
Ilehiiuh Metzendorf- liemhei
I'ROF. HKINRIIH METZE^-DORF— HENSHEIM.
Dachbildung, zumal der
Giebelaufsätze und der
verschiedenen Führung
der Höhe und Fläche
je nach der Lage des
Hausplatzes am Berg
oder an der Straße
oder auf dem ebenen
Wiesengelände. l'nd
er sah die feine und
sinngemäße Verwen-
dung des Fachwerks
über dem steinernen
Sockel und die präch-
tige Wirkung steiler
Schindel - (liebel, zu
denen der nahe Wald
das Material lieferte,
lauter Dinge, die man
draußen in den städ-
tischen Siedelungen an
der Bergstraße langst
übertüncht oder her-
untergeschlagen hatte,
um ja die Sjiuren bäu-
rischer Zeiten zu tilgen.
r.Rl-SDBISI /fM HAfS K()MMt:H/lE\K \T HR. WKVL — BFN-^IIKIM .
BRUNNENHOF IM HAUSE WEVI. HENSHEIM.
So ist Metzendorf ganz
naiv und aus sich zu
den Grundlagen einer
auf alte Heimatsitte ge-
stellten und doch ganz
persönlichen Bauform
gekommen , zu For-
derungen und An-
schauungen, die heute
geläufig und selbstver-
ständlich sind, die sich
aber gegen Ende des
vergangenen Jahrhun-
derts erst langsam
hervorgewagt haben.
Heute sieht Metzendorf
auf ein paar Anfänger-
leistungen in Renais-
sance und englischer
Gotik als aul Jugend-
sünden zurück, Seine
ersten freien Gaben
folgten der von den
anderen verlassenen
bodenständigen Tra-
dition imd nutzten
155
PROF. HEINRICH METZENI'OKF KENSHEIM.
HATs !)>' HAl'Mi.AK 1 I \ \\ ' iRlSHDt E.N.
PROF. HEINRICH METZENDORF— BENSHEIM.
H.\US HEITEFUSS— BENSHEIM. (SEITEN-ANSICHT.)
156
PROF. HEINRICH MET/.ENUORF liEN^^HElM.
HAUS D". BAUMGARTEN WORISHÜKEN.
PROF. HEINRICH METZENDORF- BENSHEIM.
HAUS HEITEKUSS BENSHEIM. (VORDER-ANSICHT.)
'37
Professor H. Werner-Beiis/wi,
'Uli .
PROF. H. METZENIIORF. LANDHAUS ("hOLZBAI') DES GEH. RAT VOITH IN SCHACHAU AM BODENSEE.
das Material, das die nächste Umgebung in
Fülle bot. Es wuchs längs der ganzen Berg-
straße ein Haus nach dem
anderen in eigener Schön-
heit empor. Alte , von
Stumpfsinn und Gedanken-
losigkeit verdorbene Gebäude
wurden auf des Künstlers
Anregung im Schmuck der
vom Überputz befreiten Holz-
architektur wieder hergestellt,
und rasch verstummte der
Spott gegen den erst un-
willkommenen Neuerer. Die
Bewohner erkannten, daß
ihre Städtchen und Dörfer
158
bauliches Sondergepräge erhielten. — Solch
ein rückschauender Bericht im Chronistenstil
scheint in aller Kürze not-
wendig, wenn nun von den
neuesten iMetzendorfbauten
gesprochen werden soll, wie
sie die Abliildungen dieses
Heftes vor die Leser bringen.
Längst ist ihres Schöpfers
Tätigkeit über den Kreis der
Heimat hinausgewachsen. Es
sind ihm aus ganz Mittel-
und Süddeutschland Aufträge
in großer Zahl geworden.
Das trug in die Form seiner
Kunst fortwährend die An-
//iinrit/i M,/zt^}ii/oi I— /iiin/ifini.
PROF. HEINRICH MKTZENDOKF IIENSHEIM.
regung und Xotwendigkeit zum Erfinden
Umbilden im Zusammenhang mit der im
neuen Beschaffenheit der Baustellen und
umschheßenden Umgebung. Diese wach
den äuL'jeren Forderungen aber
sicherten dem Schaffen Metzen-
dorfs voranschreitende Entwicke-
lung. Will man deren Ziel und
das schon jetzt erkenntliche Er-
gebnis — vergl. unsere Bilder
— zusammenfassend bezeichnen,
so wird man sagen dürfen : es
ist eine bestimmte Sicherheil der
Formbehandlung erreicht, in der
Sachlichkeit des Nutzungszweckes .
und gröl'jtr Einfachheit zusammen-
OBERFÖRSTEREI LOFKENAU IN WÜRTTEMBERG.
und fließen. Natürlich aber bleibt auch dabei die .\b-
mer sieht einer schmückenden, also der eigentlich
der künstlerischen Wirkung bestehen. Dabei sind
sen- die Iliuiser soviel wie möglich von innen
heraus gebaut, man erhält aus
dem Studium der Grundrisse
den Schlüssel zum Verständnis,
zu der rechten Emschätzung der
.\ußenarchitektur. Die Anlage des
herrschaftlichen Hauses der Gräfin
de Liedekerke in Wörishofen for-
Ijy dert die besondere Erläuterung,
— I daß es sich um eine auf weit-
gedehntem grünem VVicsen])lan
ganz freiliegende Besitzung einer
Dame handelt, die eine große
13^
HEINRICH METZENDiiRF IIENSHEIM.
HAUS KRANZ BAHNER BENSHEIM.
HEINRlC-H MJiTZENDORE hENSHEIM.
HAUS GUtK.ENHElM WORMS.
i6o
». IX. 1.
GRUNDRISSE ZU DEM LANDHÄUSERN VON HEINRICH METZENDORF.
i
1 B*e
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S)_
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((v^r^-'-e
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A »
OBfHÄEfCHOJl
o icQq' "^
£Hrw,e(mriy
1. ARllElTERHÄUSER W. EULER- BENSHEIM.
2. VILLA OTTO HEITEFÜSS- BENSHEIM.
3.U.4.VILLA KOMMER ZIENRAT I)"- DIFFENE BENSHEIM.
5. VILLA L. GUGGENHEIM \VOU.\LS.
6 HAUS DU BAUMGARTEN— WÖRISHOFEN.
r. VILLA BAHNER— BENSHEIM A. n. BERGSTRASSE.
Heinrich Mftzfiifior/-Ben!tficiin.
Tietfreundin ist. Darum ist ein Stallgebäude
durcli eine gedeckte Wandelhalle mit dem Wohn-
haus verbunden. Ein großer, vom Hause ganz
zu überschauender umfriedeter Hol gibt den
Liebhngen der Besitzerin den Tummelplatz, und
die Schau ül>er den Wicsen])lan und zu den in
der Ferne aufsteigenden Alpenketten gew.'ihrt ein
umbauter Turm, der in seiner allen Wettern
und Winden ausgesetzten Lage eines be-
sonderen deckenden Schutzes bedurlte. Am
ganzen Werk dieses Wörishofer Hau5es läCt
sich nun das Auge für die Kunst lormaler
Zerlegung und Zusammenfassung , wie sie
Metzendorf übt, auch im Hinblick auf die
Prüfung der folgenden .Abbildungen gut ein-
stellen. Der Beschauer erkennt, wie sicher
und fein die einzelnen Teile der GröLje nach
in Beziehung gesetzt sind. .Man könnte von
einer geometrischen Aufteilung der Flächen
reden, und doch drängt diese Abwägung sich
nicht nüchtern und kalt auf, dem Ganzen
eignet ein wohnlicher, traulicher Eindruck.
Die geistige IJurcharbeitung des Entwurls
kommt auch im Einzehverk zum Durchbnich,
die Abbildung des Brunnenhofs und die Prüfung
der Turmecke gibt guten Aufschluß darüber.
Nach dieser stilisierenden Leistung ist das
Bensheimer Haus W'eyl mehr aus dem t leiste
einer behäbigen Behaglichkeit gestaltet, so
recht ein Ruhesitz. Ein fester Hausteinsockel,
ein Schindelgiebel mit s])itz aufsteigendem
Dach darüber, ein breiter Loggiaeinbau und
ein leichter Pergolavorbau, Dach und Giebel
dem steil emporfuhrenden Gelände und der
Wellenlinie der dahinter ziehenden Bergkette
halbci stark betont und ausgebildet, damit
ein energischer Ausklang nach oben für den
Schaupunkt von der tieferen Straße gewahrt
ist. Günstig stimmen vor den grünen Wein-
bergen die natürlichen Farben des Materials
zusammen mit dem weißen An'^trich des
Rahmen- und Lattenwerks, und in solchem
Bedacht auf die farbige F'rscheiniing in der
Landschaft liegt auch ein \'orzug der .Metzen-
dorlschen .\xi.
Die Wohnhäuser Heitefuß in Bensheim
und Baumgarten in Worishofen stehen aul
ebenem Gelände für sich. Es konnte ihnen
durch eine stärkere Hervorhebung großer und
bestimmter Linien im Aufbau eine gewichtige
Bedeutung geschenkt werden , und es ist
interessant zu erkennen, wie das im ersten
Falle durch .Ausbildung des Sockelgeschosses,
im zweiten durch Zerlegung des Daches und
Giebeleinfügung gelungen ist. Für beide
Häuser geriet auch die Grundrißlösung be-
merkenswert praktisch und einfach. Wieder
wäre auf Farbe und M.aterialnutzung zu ver-
weisen.. Wie fein der Steilgiebel mit dem
vorgebauten Balkon aus gerauhtem Beton un<l
seinem wuchtigen dekorativen Zierat am Hause
Baunigarten! Danach bietet das Landhaus
Voith am Bodensee bei Bad Schachen wieder
eine ganz andere Leistung. Das Haus vor
dem Hintergrund eines Parks mit der Front
nach dem See gestellt. Breit und tief, so
recht zum schirmenden Schutz das Dach
herabgezogen, in die vordere Wand aber Leben
und Wechsel getragen durch die eckigen Aus-
bauten zur Seite, die reiche Belichtung durch
die (ein verteilten Fensterausschnitte und die
zurücktretenden .Mittelstücke über und unter
dem in der ganzen (^)uere verlaufenden Hol/.-
balkon. Nur der niedere Sockel ist von Stein,
der ganze Aufbau der zwei Stockwerke da-
gegen durchweg aus dunkelfarbenem Holz
geschehen, in .\nlehnung an nordiselien Brauch
und in der farbigen Stimmung vortrefflich dem
breiten Rasenteppich davor und den dunklen
Bäumen im Grunde angeschlossen. ,\uch
dies Beispiel erfreulich im Sinne der Gliederung
des Baus und doch auch seiner Fassung zur
geschlossenen Einheit. Nach solcher Be-
trachtung ergeben sich leicht die Vorzüge der
übrigen im Bilde gezeigten Schöpfungen.
Wie Beschaffenheit und Lagerung der Bau-
stelle den Wechsel der Form und die L"ni-
gebung die stilistische Haltung bestimmen,
mag eine Verglei( hung des Hauses F"ranz
Bahner im Landstädtchen Bensheim und des
Guggenheimschen Hauses aus einer Wormser
Stadtstraße lehren. Aber auch dem Einfach-
sten und ganz Anspruchlosen ist Metzendorfs
.\rbeit zugewandt, ohne daß sie ihren künst-
lerischen Grundzug aufgibt. Im landschaftlich
prächtigen Zeller Tal bei Bensheim hat der
.Architekt ein paar Arbeiterhäuser erbaut, wie
sie jjraktisch gleich nutzbar nicht besser ge-
dacht werilen können. Und wieder ist der
Eindruck nicht zum mindesten aus dem .Ma-
terial unmittelbar gewonnen. Vor allem beweist
das obere Doppelhaus (Abb. Seite 161)
die glückliche Verwendungsmöglichkeit des
glatten Holzfachwerkes für die Zwecke
der Arbeiterwohnung in kaum sonst ange-
wandter .\rt, und es ist auch zu ersehen,
wie gut sich die große Front durch die mit
sicherem Gefühl eingesetzten hellfarbigen
Schlagläden der Fenster bewegen und be-
leben läßt. Das schmucke Sommerhaus Diffene
aber mag man in seiner glücklichen Ein-
fügung in das Waldbild der Neckarlandschaft
i6i
HKINRl' H Ml-.l/l .M'"K1' BENSHEIM.
bei Eberbach , in der Er-
wägung seiner allgemeinen
Form und in der Ausarbei-
tung der Teile als letzte
Schöpfung Prof. Metzendorfs
noch einmal zum Anlaß
einer prüfenden Erwägung
seines Bildens und Könnens
nehmen. Darin scheint um-
schlossen, was seine beste
Kraft ausmacht und be-
stimmt : eine glückliche Er-
findung, die jeder neuen Auf-
gabe eine eigene Lösung
sichert und von Werk zu
Werk hinaufführt zu einer
1 .äuterung des Ausdrucks
im Sinne der ungesuchten
Schlichtheit, die nur der
reifen Kunst eigen ist. —
PROFESSOR H. WERNER-BENSHEIM.
HAUS KOMMEBZIEN-
R AT DR. DIFFF.NK
IN F.nRRBACH I. O.
164
Kit üAkl) KIl.Ml.KM.iJMll) Ml NCHEN.
Schlafzimmer in massiv Elch'
DEUTSCHE WERKSTÄTTEN FÜR HANDWERKS-KUNST
DRESDEN UND MÜNCHEN.
Für den Freund des Kunstgewerbes gibt
es kaum etwas Amüsanteres, als einige
Stunden in den \'erkaul'sstellen der Dresdner
Werkstätten zu flanieren und zu kramen. Ich
weiß nicht zu sagen , wo mir mehr Ver-
gnügen wurde : drüben in den bescheidenen
Räumen, die sich die Firma herrichtete, als
sie mit der öffentlichen Propaganda energisch
einsetzte, oder in den überaus vornehmen
Läden, die sie sich vereint mit den Münchner
Werkstätten in Berlin baute. Hier wie dort
trifft man die gleiche Ware, die gleiche Sach-
lichkeit und den gleichen (leschmack. der
aus trefflichem Material liebenswürdige Still-
leben zusammenstellte . trifft man Verkäufer
in dem idealen Sinne des Wortes, F'achleute,
die einem nichts aufschwätzen, die dem Fragen-
den Bescheid geben und selbst Bescheid
wissen. Man kommt nicht in eines jener
unförmlichen Magazine, die mit ihren zwanzig
oder fünfzig Musterzimmern renommieren, die
einem mit sämtlichen Stilen aufwarten können,
die mit derselben Inniirkeit ihr Louis seize,
ihre Sezession oder die allerletzte .Mode
jjreisen, die jeden zivilisierten Menschen nach
kurzem Leiden wirblig machen und den dch-
rockmann, der tausend unnützige Worte i)lät-
scherte, verwünschen lassen. .Man kann es
kaum anders ausdrücken , man muLl sagen :
diese X'erkaufsstellen haben ihre eigene, wohl-
temperierte Kultur , sie wirken gepflegt und
reserviert und erfreuen durch ihr freimütiges
unverhülltcs Selbstbewußtsein. Das Prinzip,
nach dem sie geleitet werden, ist garnicht
zu verkennen : nichts Schlechtes, nichts, was
nicht der Zeit und ihrer Art gehört. Wie
oft seufzen doch die Ciesrhäftsleuie, daß das
Moderne niclit ginge, daß das Publikum
immer wieder nach dem guten Alten ver-
lange, daß das sich nun einmal nicht ändern
ließe, man müsse Stil führen, und könne das
Neue nur nebenbei protegieren. Das eben
ist jene verkehrte Methode, die es aller Welt
gerecht machen möchte und dabei nur Un-
recht schafft. In den Verkaufsstellen der
Dresdner gibt es nicht das, was das Publi-
kum will, vielmehr das, was es haben muß.
Dies allerdings in einer so überzeugenden
Form und in einer Vollkoinnienheit, daß
selbst arge Skeptiker und träge Ciewohn-
lao». li. 5.
i6s
ARCHITEKT KARL BERTSCH- MÜNCHEN.
SCHLAFZIMMER IN BIRKEN-HOLZ GEBEIZT.
PROF. RICHARD RIEMERSi HMID-MÜNCHEN. SC HLAt/.lMMER. IIIRKE.N-HOLZ WEISS LACKIERT.
Ausführung: Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst G.m.b. H.— Dresden und München.
l'KOF. RICHARD RIF.MtRiCHMlU MÜNCHEN.
WOHNZIMMER IN MAHAGONI.
r^
PROF. RICHARD RIEMEKSCHMII) MÜNCHEN. HERREN/IMMER IN EICHEN-HOL/..
Ausführung: Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst G. ni. b, H.— Dresden und Mtinchen.
16:
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iApOOOOOOOOQOOOOOOOOQL«!
QoaooooooaooooQOi
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^Q;ic3£7^S&a5:
PROF. OTTO GT'SSMANN -DRESDEN.
KNUPF-TEPPICH.
ARCHITEKT MAX HANS KÜHNE DRESDEN.
KNUPh-TEPPU H.
Die Datisfheii ]] crks/dffe».
hoitsmcnschen aut-
gcrültelt und be-
siegtwerden. Durch
diese Räume \er-
niag niemand zu
gehen und mit
törichtem Pathos
und protziger Bla-
siertheit zu säuseln :
<las ist uns nicht
vornehm .i;cnui;, bei
unserm \' erkehr und
unserer Stellung uni.1
überhaupt, l )der: det
sieht ja nach uischt
aus. Wer hier ein-
tritt, wird vielleicht
erschrecken , wie
der l'arvenu er-
schrickt , wenn er
an alten Adel ge-
rät ; wer hier ein-
tritt, und von guter
(Besinnung ist, wird
Haltung bekommen.
Wer es bisher nur
unsicher spürte, daß
es eigentlich ein Un-
sinn sei, das Speise-
TKUCtlSSOR
II lU C.USSMA.N.N
UKKSDF.N.
Zimmer Hämisch,
den Salon F,m])ire
und Sihlal'-ZimnuT
engliscli sein zu
lassen , dem wird
zwischen ' diesen
reifen Früchten red-
lichen Strebens die
Gewißheilaufgchen:
ein jeder Mensch
bedarf dessen, was
am reinsten die
Sinnesart seiner
Zeit zum Ausdruck
bringt ; dies hier,
iliese Möbel, dieses
Metallgerät , diese
Keramik, diese (le-
webe und Sticke-
reien zwingen zu
dem Bekenntnis :
(ieist von unscrni
Cleist. — Ks ist in
Deutschland wäh-
rend der letzten
Jahre vieles, sehr
vieles besser gewor-
den. Den Dresdner
Werkstätten wird fiir
SPIHGF.L l.N'
GUTRieilKNKM
MKS-SING.
169
i
PROF. ADELEEKT NIEMEVER MÜNCHEN. PORZELLAN-V.ibE UNIJ FRUHSTUCKS-GESCHIRR.
Ausfiihnmj;;: Königlich Baycrisclie PorzelLin-Manufalitur Nymphenburg.
VERTRIEB DURCH DIE DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN FÜR HANDWERKSKUNST G. M. B. H.— DRESDEN.
PROF. ADELBERT NIEMEYER— MÜNCHEN.
TINTENZEUG IN PORZELLAN.
Die Datfsrhni IVerks/äf/cn.
PROF. MAX L/VUGER KARLSRUHE.
immer der Ruhm bleiben, daß sie frühzeitig er-
kannten, was not tat. Von ihrem Gründer Karl
Schmidt darl man sagen, daß er zu jenen Unter-
nehmern gehört, die, wenn sie ans Ziel gelangen,
wenn sie verdienen, zugleich den völkischen
Reichtum mehren, den Ruf der nationalen Pro-
duktion sichern helfen. Was bedeuten schließ-
lich all die schönen Worte der lobesamen
Kultur] )rediger, der feinnervigen Ästheten;
eine einzige, anständige Wohnungsausstattung,
ein guter, brauchbarer Tisch, ein geschmack-
voller 're])]iich leistet mehr. Und mm haben
die Dresdner \\'erkstätten seit manchem Jahr
Waren produziert, deren Sachlichkeit zugleich
ihre Schönheit, deren Rhythmus notwendig,
deren Charakter ein Spiegelbild der besten
Tugenden unserer Zeit ist. Sie haben nicht
wie ein bescheidenes Veilchen im Dunkel
vegetiert, noch haben sie ideologisch über
den Unverstand der Barbaren geseufzt; sie
sind kecken Mutes mitten in den Markt ge-
s]irimgen und haben die Ellbogen gebraucht.
Das, was sie als das Richtige erkannt, haben
sie nie verleugnet, haben ihm vielmehr mit
allen Mitteln dieser Welt den Sieg zu ver-
schaffen gesucht. Und haben gesiegt. Dresd-
ner Werkstatten, das bedeutet heute: einer
V.isen in Steinzeug.
der größten deutschen Ik-triebe für Innen-
einrichtung, der sich aus eigenem Entschluß
und mit unbeirrbarer Konsequenz unter das
Gesetz der Qualität und des Geschmackes
gestellt hat.
Dieser Erlolg wäre Karl Schmidt nicht
geworden , wenn er nicht von .\nfang an in
engster Gemeinschalt mit weitblickenden und
fähigen Künstlern gearbeitet hätte. Er hat
sich nie auf alte Musterbücher gestützt und
hat sich nicht damit begnügt, einmal einen
modernen Entwurf zu erhandeln, um ihn dann
auf Teulel komm 'raus zu variieren , markt-
gängig zu machen. Er hat in intimster
Wechselwirkung das Seine dazu beigetragen,
daß des Künstlers Absichten immer voll-
kommener und selbstverständlicher wurden ;
er hat keine Anregung ungenützt gelassen,
und nie geglaubt, daß es an seiner Ware
niclits mehr zu vervollkommnen gäbe. Er
hat auch von vornherein begriffen, daß gute
Arbeit nur durch gute .Arbeiter geleistet werden
kann, daLi nichts lür die konstante tjualität
einer Produktion gefährlicher ist, als wenn
die Fabrik einem Taubenschlag gleicht. Er
hat heute noch Arbeiter aus jenen Tagen,
da er mit drei Mann anfing; und heute sind
171
PROF. ADELIIERT iNIEMK\tR MÜNCHEN.
FRUHSTUCKS-SERVICE IN PORZELLAN.
PROF. ULAX L.\UGER- KARLSRUHE.
SPEISE-W.ARMER IN STEINZEUG.
l>K(iPF.SSiiK ADKLBEKT NIEMEVKR MLNCIItN.
FROhSTUCKS-SERVICE in PORZELLAN.
Ausf.: K. B. Porzcltan-Maniifaktur-Nymplirnburf.
v^^^f^S^^^^*^^
^Biir
p.^fe
■^■■^K I^Hi
m ■
PROFESSOR MAX LÄUGER KARLSRUHE UND R. RIEMERSCHMIL» UÜN< HKN. PKLANÜENBEHÄLTER IN STKINZEUO.
1909. IT. 6.
173
ENTWURF UNIJ AUSFÜHRUNG: FESTERSEN HERLIN.
VASEN UNIi SCHUSSELN IN STEIN/.EUG.
ENTWURF UND AUSFÜHRUNG: FESTERSEN -BERLIN.
JOANNEN IN STEINZEUG.
ENTWURF UND AUSFChRI"NO: FKSTERSEN- BERLIN.
KANNEN IN STEINZEUG.
ENTWURF Vni) AUSFÜHRUNG: FE.STERSEN BERLIN.
KANNEN IN .STEINZKUG.
General-Vertrieb: Deutsche Werkstittcn fur Handwerkskunst— Uresderi.
'/:>
PROFESSOR MAX LAUGEK— KARLSRUHE.
\-ASEN IN STEINZEUG.
PROFESSOR MAX LAUGER KAKI.SRUHK. VASEN UND BLUMEN-KUKEL IN STEINZLUG.
Deutsche Werkstätten fiir Handwerkskiiiist— Dresden und München.
177
RICHARD RIEMER-
SCHMID— MÜNXHEN.
TISCHDECKEN MIT
KURBELSTICKEREI.
TISCHDKCKK MIT
KL'HBBLSTICKBRHI
l'ND nKDRU( KTR DKCKI'
HSIWURI KtCHAKO
RIKMHR5CHMID.
Al'SFl'HRUNt.: »RUrsi Hl!
« krkstXttes kür
HANfiWBRKSKrNST.
■79
Robert Breuer— Wilnicrsdorl :
'ihrer beinahe vierhundert. Da ist es offenbar,
daß solch ein Personal sich eingelebt hat,
daß es mit erfüllt ist von dem Wollen der
Leitimg. Die Trinitat von intelligentem,
eine neue Kultur witterndem Unternehmer,
erfindungsreichem, nie versiegendem Künstler
und gut erzogenem Arbeiterheer, die ist es,
der die Dresdner Werkstätten ihren Ruf und
Kinfluß verdanken.
Der Künstler, der am innigsten mit den
Dresdner Werkstätten verbunden, ist Richard
Riemerschmid. Das ist bekannt genug, als
daß es notwendig wäre zu zeigen, wie dieses
Iirachtvollen Mannes kühle Sachlichkeit und
herzfreundliche Hingabe an die heilige Auf-
gabe, das Heim der Menschen zu bauen, den
Typus des Dresdner Möbels bestimmt hat.
Riemerschmid hat einen bewundernswerten
Instinkt lür das Wohnbedürfnis, für den be-
rechtigten Komfort arbeitsamer Bürger; er
gibt allem, was er schafft, so viel Physiologie,
daß es zu einem neuen, bisher noch fehlen-
dem Glied des Menschen bestimmt zu sein
scheint. Seine Stühle umfangen, seine Schränke
schließen ein, der geringste Bestandteil an
einem jeglichen Stück hat nicht nur für dieses,
auch für den Benutzenden eine Funktion zu
verrichten. Riemerschmid zwingt dem Menschen
nie etwas auf, wonach dieser nicht aus letztem
Sehnen selbst verlangte; er zwängte kein Material,
weder das Holz, noch das Metall, noch die
textile Faser, in Formen, die nicht schon
latent darin geschlummert. — Die .\bbildungen,
die heute hier gezeigt werden, geben zunächst
ein Zimmer Maschmenmöbel. Man weiß,
daß es sich dabei um einen Massenartikel
handelt, allerdings im besten Sinne dieses Be-
griffes. Es sollen möglichst billige Möbel
mögüchst gut und geschmackvoll hergestellt
werden. Dazu ist notwendig, daß dies in
vielen Exemplaren geschieht, daß die Maschine
zuschneidet, hobelt, fräst, bohrt. Nur die
Montage verbleibt der Hand, muß aber präzis
und schnell erledigt werden können. Diese
aus ökonomischen Gründen notwendige Tech-
nik fordert schlichte Formen; die Maschine
darf keine unnützen Schwierigkeiten, keine
überflüssigen Widerstände finden. Glatt heißt
aber nicht formlos ; die Maschine schneidet
jedes Verhältnis, die Schönheit des Ma-
schinenmöbels ruht in seinen Proportionen.
Xiemand hat das besser begriffen als Riemer-
schmid, Dutzende von Zimmern beweisen dies,
auch das hier abgebildete. Haben diese Betten
mit ihrer reizvollen Gliederung und ihrem
amüsanten Stabwerk auch nur eine Spur von
i8o
jener berüchtigten Billigkeit, jener elenden
gefühlsrohen Schablone, die weithin den Fluch
aller Massenware bildet'!*' Sie sind aus Eiche
hergestellt und kosten (das komplette Zimmer)
555 Mk. Ein wenig teurer ist das zweite
Schlafzimmer; aus Fichte, weiß lackiert,
kostet es 760 Mk., gestrichen 730 Mk.
Die Betten sind diesmal metallen, sie sind
die knappste F'ormel einer solchen Kon-
struktion. Die Beschläge an den Schrank-
türen sind (wenn es auch schlecht klingt) :
der ganze Riemerschmid. Sie greifen von
der Wand auf die Tür und machen das Gelenk
deutlich fühlbar (freilich nicht in der Abbildung),
sie sind zugleich ein redliches und zierliches
Stück Schmiedearbeit. Das Herrenzimmer
muß man mit irgend einem jener Monstren
vergleichen, die bisher selbst in anständigen
Familien hergerichtet wurden. Ein Herren-
zimmer muß urwüchsig und markig sein,
sagen die Leute ; wie viele , selbst unsere
Modernen, verwechseln das Herrenzimmer mit
einem Arsenal, einem Apjtarat falscher Würde.
Manche machen daraus auch ein Boudoir.
Riemerschmid trifft aufs Haar den richtigen
Ton; an diesem Schreibtisch zu sitzen, braucht
sich niemand zu schämen, braucht sich darauf
auch niemand etwas einzubilden. — ■ Wenn
Riemerschmid nichts anderes als Möbel ge-
macht hätte, so hätte er schon viel getan ;
aber er tat mehr. Es gibt wohl kaum ein
Gebiet der Inneneinrichtung, kaum ein hier
angewendetes technisches Verfahren, das durch
Riemerschmid nicht neue Kräfte empfangen
hätte; er schuf Tapeten, Linoleum, F"enster-
bekleidungen , Möbelbezüge , Beleuchtungs-
körper, Keramik und Glas aller Art. Wir
bekommen diesmal drei Decken in Schnur-
stickerei, und eine bedruckte Decke zu sehen.
Es sind dies schöne , große Stücke besten
Leinens (im eignen Betriebe der Werkstätten
gewebt), darauf wurde nach vorschabloniertem
Muster eine Schnur festgenäht , sie bleibt
unter den Stichen der Maschine verborgen,
läßt diese aber voll und plastisch erscheinen.
Neben Riemerschmid haben die Dresdner
^^"erkstätten sich noch manchen anderen
Künstler zum Wegzeiger gesetzt. Deren einer
ist Bertsch; auch er arbeitet mit wenigen
Mitteln, nutzt sie aber zu vornehmeren und
mehr eleganten Absichten. Das abgebildete
Zimmer ist aus Birkenholz; dessen warmes
Strahlen eint sich prächtig mit dem kalten
Schein der Kacheln, die in die Wände des
Erkers gesenkt sind. — Noch flüssiger in
seinen Formen, noch prächtiger in seinen
Die Daitschoi ]]'c>kstäffr>i.
larbcn ist l in LI mann; er hat eine besonilers
glückliche Hand für das Textil. Seine
Teppiche sind aus dem feinen RJiythmus,
dem leichten Wogen der unter dem schrei-
tenden Füll sich elastisch regenden Nopjten
empfunden. Kr ist einer tier wenigen Tcx-
tiliker, die keine Muster zeichnen, sondern die
Technik schön organisieren; als er den hier
gezeigten Te])pich entwarf, vollzog sein Ge-
fülil den Prozeß des Knüjifens. Man be-
achte daraufhin die großen, unregelmäßigen
Karbtlecko, die erst zusammenwachsen, wenn
ihre Peripiierie durch die Faserbüschel in
ein Wogen und Zittern aufgelöst wird. Die
Dresdner Werkstätten haben nun diesen Tep-
l)ich weben lassen; man darf sagen, daß es
gelungen ist. Ein guter' Teil der urs])rüng-
lichen Wirkung blieb erhalten; der Preis aber
sank erheblich, der Teppich kostet bei drei
bis vier Metern 325 Mk. Reizvoll sind die
Spiegelrahmen,, die (nißmann in Messing-
blech treibt; sie blinken hell und freundlich
und amüsieren durcli ijire flackernden Lichter.
Ein außerordentli(-]i scliönes und wertvolles
Lager unterhalten die Werkstätten in ihrer
keramisclien .\bteihing. Sie meiden alles.
was niclit zu dem besten des heute Hervor-
gebrachten gehört. Sie haben Niemeyer,
Läuger und die entzückenden Wiener.
Sie sammeln auch alle gute Bauernkeramik
und Jiaben in der letzten Zeit die .-\rbeiten ties
i5erhners Festersen in Generalvertriel) ge-
nommen. Von Niemeyers Porzellanen zu
schwärmen, von ihren klingenden F'ormen,
ilirem purpurnen und rosaen Leuchten, ihrem
goldenen Aufblitzen zu träumen, muß jedem
F.m])findsamen ein seltenes Vergnügen sein.
Läuger ist derber, auch monumentaler; sein
Steinzeug liat von Japan profitiert; er be-
herrscht ein praciitvolles Blau, und ein sehr
interessantes Braun ; er wagt mit gutem Ge-
Ungcn stark plastische .\uflagen , mit ge-
ringerem Erfolg das Einlegen von Glasmosaik.
Festersen verarbeitet eine ziemlich grobe
Masse , er weiß die ihr geliörende l'^orm zu
finden; seine Farben sind grau, grün und
mejirere Töne \ on Blau. In lustigen Flocken,
in Kreisen und Wcjlken s|)iek'n diese Nuancen
auf indifferentem Grund. Es ist dies eine sehr
gesunde, sehrkräftigcKeramik, ausderuns sicher
nocji manches gute Stück kommen wird. —
BKRLIN-WII.MKKSDORK.
ROBERT BREUER.
lIAUBMb
III LL :l
>iki«lb^«
f^*b»i*Wte
ENTWURF:
BAILLIE SCOTT.
m
glas-schraNk
in ebenhoi./,.
1909. IX. 7
iSl
cbifon Jaiiniaim :
VERniSSMEIN-
NICHT IN
HAl'KRNSCHi'sSEL.
MARGAKETKN U.
r.KTBI IDK IN
HAFUKSCHWINGE.
BLUMEN -BINDEKUNST.
zu liEN AkHKlTEN \ ON hKAN/ISKA BRUl K.
Die landläufige Bindekunst verwischt alle
Erinnerungen an das natürliche Wachs-
tum der Blumen ; ihr erster und einziger
Zweck ist es, Dekorationen zu schaffen, die
Blumen sind dazu nichts weiter als Material.
Ihie Ideale sind Fülle und Pracht. Oder
»Sinnigkeit«. Da wird eine unglaubliche
Materialverschwendung getrieben, diese Bou-
quets müssen wirken wie ein Feuerwerk, wie
ein Vulkan kostbarster Blüten, sonst werden
sie nicht beachtet. Es ist immer verdächtig,
wenn eine Kunst des Überflusses zur Wirkung
bedarf, und der Eindruck pflegt dann auch
nicht sehr tief zu gehen. Die Dekorationen
unserer Gärtner und Bindekünstler können
nicht mehr, als für einen Augenblick berücken;
die Jjlumen selbst, die man züchtet, sind ja
oft sehr schön, und man erstaunt zunächst
über ihre Menge. Aber es schleicht sich
auch gleich ein Gefühl des Bedauerns ein,
daß diese feinen Geschöpfe so in Massen
zusammengeworfen sind, wo ihre persönliche
Würde, ihr innerer Gehalt so gar nicht mehr
zur Geltung kommen kann. Alle diese
»Arrangements« geben im Grunde dasselbe,
sie erzählen nichts von der Blume , sie
dienen ihr nicht. Ob sie nun »gefällig«,
»süße oder »prunkvoll« sind, sie haben
keine Kraft, keine feineren Reize und keine
Tiefe. Es sind Dressurstücke, die den
elementaren Naturcharakter aulgehoben haben.
Sie wirken im ersten Moment oft bestechend,
aber es sind eigentlich keine Blumen mehr,
sie haben nichts mehr von Erde, Sonne und
freier Luft.
A'on den schlimmsten Greueln rede ich
hier gar nicht, den Blumenkähnen, Kreuzen,
Harfen und Ankern. Sie sind nur die
lf^3
B/uiiien - Bitidekunst.
Konsequenz einer Bindekunst, die die Blumen
innerlich verachtet und mißhandelt. Vor ein
paar Jahren gab es eine Mode, die uns
zeiu'te, was alles aus Holzschwamm hergestellt
werden kann; man konnte ganze Zimmer-
einrichtungen aus Hülzschwamm kaufen. Der
Stolz des Bindekünstlers, der aul der Höhe
seines Faches steht, ist, durch keinen Auftrag
verblüfl"t zu werden, er »macht alles aus
Blumen«. Er kann aber noch etwas: er
weiß , wie man alles mit Blumen verzieren
und schön machen kann. Bei Hochzeiten
soll es vorkommen, daß ab und zu auch
ein prosaischer, aber nützlicher Gegenstand
geschenkt wird. Unser Blumenkünstler zeigt
dir, wie man solche häßliche Zweckmäßigkeit
durch Blumen entschuldigt und erträglich
macht. Man bindet ihnen mit einem himmel-
blauen Bändchen ein Sträußchen um, oder
wenn es eine Bratpfanne ist, füllt man ihren
Bauch hübsch mit Vergißmeinnicht. Irgend
eine innere Beziehung muß vorhanden sein,
daß PantölTelchen mit Stiefmütterchen gefüllt
worden, denn in einer Gärtnerlehranstalt war
das in der Klasse eines berühmten Gärtner-
philosophen als vorbildlich zu sehen. Ebenda
wird auch gelehrt, daß einer Dekoration
womöglich eine poetische ^Idee- zugrunde
OL-WKIDK.
VASK ENTWOKf-BN
VUN FRANZISKA
HKf( K.
183
Allton JaitDiaini :
IRIS, SCHILF UND WASSER-ROSEN IN ALTJAPANISCHER KUPFER-SCHALE.
liegen solle. Man trage alle rosa Blüten
zusammen, deren man habhaft werden kann,
und behänge alle Gegenstände des Raumes,
die das irgendwie zulassen, mit zartgrünen
Bändchen und dann sage man der Hochzeits-
gesellschaft, diese Symphonie von Zartgrün
und Rosa drücke das Thema »Frühlingsweben«
aus und sei eine sinnige Huldigung für die
jugendliche Braut! Man vergesse aber ja
nicht, dies mitzuteilen, sonst kommen die
Gäste am Ende auf den Gedanken, bei der
-»Frühlingswoche eines Warenhauses zu sein.
— Von hier zur Pflanzendekoration des
I apaners scheint nur
ein Schritt. Auch sie
ist mit Ideen stark be-
lastet. Der Japaner
genießt dabei ebenso
die intellektuelle Lei-
stung wie die sinn-
liche Schönheit. Die
ganze Theorie und
alle die Paragraphen
der japanischen Pflan-
zen - Dekoration aus-
führlich zu entwik-
keln , mangelt hier
der Raum. Es dür-
fen nur ganz be-
stimmte Pflanzen und
Pflanzengattungen zu-
sammengestellt wer-
den , ihr Verhältnis
untereinander und
zum Gefäß ist genau
vorgeschrieben. Pa-
ragraphen bestimmen
über die Menge und
Gruppierung der Blü-
ten und welche Farbe
das Gefäß dazu haben
muß. Das alles kann
schließhch noch mit
stilistischen Absich-
ten begründet wer-
den. Für uns aber
unverständüch sind
Dogmen wie die von
den männlichen und
weiblichen Farben
und Pflanzen, von der
Bedeutung der Him-
melsrichtung , vom
Symbolismus der
Linien in der Füh-
rung der Zweige. Der
Japaner liest aus einem solchen Pflanzenbild
sehr viel heraus, was den Pflanzen absolut fremd
ist. Er hat eine »Blumensprache« und eine
Dekorationsgrammatik, in der man den sonst
so sinnlich kultivierten Japaner nicht wieder
erkennt. Nehmen wir zu seinen Gunsten
an, daß das meiste von diesem theoretischen
Wust auf das Konto fremder Religionen und
Philosophien zu setzen ist.
In seinen Dekorationen ist der Japaner,
der doch die Blumen so sehr lieben soll,
oft recht gewalttätig gegen sie. Er begnügt
sich nicht mit der Auswahl von Zweigen,
184
Bhtnieu -Bhidektmst.
die ihm für sein Deko-
rationsgedicht besonders
geeignet erscheinen , er
reiLlt auch Blätter \ind
Blüten ab, wie es das
Dogma verlangt , und
verbiegt und beschnei-
det die Zweige ganz
nach Willkür. Das lite-
rarische Element ist so
stark, daß solche Pflan-
zen-Dekorationen sogar
mit Bildern und Schrift-
täfelchen kombiniert wer-
den, um die ildee« mög-
hchst vollständig u. deut-
lich auszusprechen. —
Trotzalledem hat jede ja-
panische Prtanzendeko-
ration feine künstleri-
sche Reize und unsere
Blumenkünstler könnten
von den Japanern noch
eminent viel lernen. Der
Japaner überlädt seine
Dekorationen nicht. Die
Häufung der Blumen,
bei der keine voll und
rein zur Wirkung kommt,
kennt er nicht. Es sind
immer nur ein paar
Bflanzenindividuen , die
er in eine Gemeinschaft
bringt und die werden
so behutsam eingeord-
net , daß keiner ihrer
leinsten Reize Einbuße
erleidet. Neben unseren
Gärtner - Prunkstücken
sieht so eine japanische
Idylle kümmerlich aus.
Und doch sagt da eine
Blume mehr als dort ein
ganzes Dutzend. Vor allem gehen bei unserer
Dekorationsweise die Feinheiten der Linie
meist ganz verloren, während sie der Ja])aner
ins beste Licht stellt und sie ihren ganzen
Charme entfalten läßt. Der Japaner weiß es
mit kaum merklichen Mitteln einzurichten,
daß auch die intimsten Schönheiten der
Pflanze mitklingen und beachtet werden: die
Gruppierung der Zweige und Blüten, die
Nuancen der Farbe, der individuelle Charakter
untl endlich die Beziehungen zum Raum und
zum Menschen. Im Material ist der Japaner
nicht engherzig. Er findet auch an groben
LlLIIiNZWIilG IN ALTJAI'ANISCHER VA.SE. Pl-LANZENDHKORATION VON FRANZISKA IIKICK.
Asten die Schönheiten des Wachstums, die
Blüte spielt durchaus nicht die Hauptrolle
wie bei uns. In solchen Dingen kann uns
der Japaner die besten Anregungen geben,
wenn wir auch seine gewaltsame Linien-
stilisierung und seine Symbolismen ablehnen.
Recht fremdartig mutet es uns auch an,
landschaftliche Andeutungen in die Dekoration
hineinzubringen. Für den Japaner ist die
Dekoration immer eine Art Exzerpt eines
Landschaftsbildes. In der Horizontale der
Gefäßoberfläche ist ihm die Erde angedeutet,
in der \'ertikalen müssen dann natürlich auch
i.Si
1 ' MIDKE I'NH ALOE.
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PIXAN^EN-UEKOKATIONEN VON FRANZISKA BRÜCK- BERLIN.
JUNIPERUS.
Bluvieti -Biudekuusl.
Gebirgs-, Tal- und Wasserptlanzen in der
richtigen Abstuluni; sich folgen. Solch eine
malerische Auflassung im Stile des japanischen
Miniaturgartens geht uns zu weit. Wohl aber
wird die feinere Emiilindung verlangen, daß
nur Pflanzen und Zweige verwandten Charakters
zusammengebracht werden.
Der Jajjaiier ist, wie gesagt, sehr sparsam
in seinen I'tlanzendekoratiuncn. Daß man
einen Raum mit einem Dutzend und mehr
»Arrangementsc füllen kann, ist ihm unver-
ständlich. Dazu faßt er die Pflanze doch zu
individualistisch auf.
Die eigentliche Bindekunst, auf die unsere
Oärtner so stolz sind, existiert dort überhaupt
nicht. Der Japaner hat doch soviel angebore-
nen Geschmack, daß er nie in die Versuchung
kommt, aus Veilchen Schiffe und aus Mai-
glöckchen Triumphpforten zu errichten (eine
Leistung, die bei der letzten (Gartenbau-
Ausstellung- im »Zoo« den Preis der Kaiserin
erhielt!) Auch wird er keinen Pantoftel mit
Stiefmütterchen füllen. Selbstverständlich hat
kein Mensch etwas einzuwenden gegen einen
lllumenstrauß, derein Blumenstrauß ist. und
gegen einen wirklichen Kranz. Mit solchen
gemeinen Dingen geben sich unsere Blumen-
bindereien schori gar nicht mehr ab. Strauß
und Kranz sind dem Japaner zu architektonisch
strenge Gebilde. Aller Symmetrie pflegt er
mit größtem Raffinement auszuweichen. Dazu
liegt aber für uns natürlich nicht der mindeste
Grund vor. Strauß, Kranz und Girlande
gliedern sich unsrer Architektur aufs beste ein.
Franziska Brück, von deren einzigartiger
Kunst unsere .Abbildungen ein i)aar Proben
geben, hat auch in diesen abendländischen
Stilformen schon Vorbildliches geleistet. Aber
am merkwürdigsten ist doch, wie sie in die
(Geheimnisse desja])anischen Pflanzenschmuckes
eingedrimgen ist. Sie hält sich nicht sklavisch
an die olt unvernünftigen Dogmen der Japaner,
aber die Kunstmittel ihres Dekorationsstils
beherrscht sie mit souveräner Sicherheit. Sic
schafft in ihm weiter und weiß selbst dem
Japaner neue Möglichkeiten seines Stils zu
zeigen.
Es liegt hier keine der verpönten Imi-
tationen vor. Franziska Brück war nie in
Japan und hatte auch von jajianischer Binde-
kunst nichts gekannt, als eines Tages kon-
statiert wurde, ihre Dekorationen wären ja
ganz japanisch. Es war eine Art Wahl-
verwandtschaft, die sie in diese Richtung
trieb. Sie hatte von Jugend auf Blumen ge-
liebt und gepflegt, ohne aber als Gärtnerin
oder Binderin in ihnen die Ware, das Materi.il
zu sehen. Sie war immer nur die Lieb-
haberin der Blumen und ist es wohl noch
heute. Sie sah die Pflanzen nur als Künstlerin;
sie schätzte jedes Hälmchen, jeden frischen
oder welken Zweig, aber ohne Gedanken an
die Verwendung in Arrangements, sie sah
überall die Feinheiten der Farbvaleurs, der
Gru])pierangen, der Linien, der Charaktere,
all die heimlichen Schönheiten, die auch die
Japaner suchen und scliätzen. Zudem wächst
ja die Natur selbst immer unsymmetrisch,
wer einen Zweig oder Blumenbüschel ohne
Zwang in die rechten Gefäße stellt, dem
bilden sie fast von sellist japanische Gruppen.
Der japanische Stil in den Brucksclien Deko-
rationen war also eher da, als die Bekannt-
schaft mit den Japanern, die sie dann aUer-
dings eingehend studiert hat. Sie hat von
den Japanern auch manche Anregungen über-
nommen, aber auf die literarischen Finessen
sich nie eingelassen, und zu dem grausamen
Biegen und Zerschneiden der Zweige konnte
sie sich nie verstehen.
Anregungen gaben die Japaner besonders
für die Kombination verschiedener Pflanzen-
arten, für die Geläße und für die Befestigung.
Die Körbchen, die Bambus- und Rindenstücke,
das sind sehr hübsche Motive, von denen
öfter Gebrauch gemacht werden sollte. Leider
sind unsere guten alten Blunienampeln fast ganz
verschwunden. Franziska Brück verwendet
die verschiedensten (Gefäße, jede Art, kann
man sagen, soweit sie wirklich Blumengefäße
und geschmackvoll sind. Andere Kleinkunst
wird als Ergänzung der Dekorationen nicht
verschmäht, so liegt auf dem ersten Bild ein
buntes Bauerntuch, das wie selbstverständlich
zu diesen ländlichen Blumen zu gehören
scheint. — Es ist oft schwer zu entscheiden,
ob die Blumen bei diesen Dekorationen
.Mittel oder Selbstzweck waren, ob es sich
mehr darum handelte, mit Pflanzen zu deko-
rieren oder Pflanzen in günstigster Weise
zur Schau zu stellen. Jedenfalls betrachtet
Franziska Brück die Blumen nie als bloßes
.Material, sie behandelt sie wie Kinder und
sorgt ängstlich, daß sie nicht leiden, physisch
nicht und ästhetisch nicht. — Für die Ber-
liner (Gesellschaft waren solche Prinzi]iien
freilich ganz neu und es kostete ihr manchen
harten Kampf, ihren künstlerischen Eigen-
willen durchzusetzen. Ihr N'erdienst ist es,
keine Kompromisse eingegangen zu sein.
Sie hat sich ihre reine Künstlerschaft in
einem Beruf bewahrt, in dem die kras-
1S7
Blunicii-Bijidckuiisi.
MODERNE
BUCH-EINBÄNDE.
seste Geschmacks -Vorbil-
dung bisher das beste Mittel
zum Erlolg war. Man muß
sich wundern . daß sich
noch nicht mehr unserer
überflüssigen Kunstgewerb-
lerinnen diesem schönen,
bedeutungsvollen und recht
fraulichen Beruf zugewandt
haben. Ein empfindlicher Farbensinn, zärtliche
Liebe zur Natur und der so weibliche Trieb zu
pflegen und zu schmücken, die könnten sich
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hier aufs glücklichste ver-
wirklichen. — Freilich die
Grundgesetze des Pflanzen-
schmucks sollten mit der
Zeit Allgemeingut werden
wie in Japan. Sie gehören
unbedingt zu dem, was die
junge Hausfrau wissen muß.
Zu diesem volkstümlichen
Blumenschmuck wie zu der »höheren« Deko-
rationskunst wird Franziska Brück eine schätz-
bare Führerin sein. — anton jaumann— Berlin.
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ENTWURt UND AUSKÜHRUNG: JOH. RUDEL ELBERFELD. BUCH-EINB.\NDE MIT HANDVERGOLDÜNG.
l88
FRITZ OSSWALD-MÜNCHEN.
GEMÄLDE: »SOMMERTAG«.
FRITZ. OSSUALU Ml NCHEN.
i icnialde; Landsleute
Mit Geneliniinung der Münchner -Jugend
MALER FRITZ OSSWALD- MÜNCHEN.
Kunstzeitschriften sind wie die großen
Salons der Gesellschaft: man ist in der
Regel schi)n bekannt und liegutachtet, wenn
man in ihnen vorgestellt wird. Sie drücken
dann nur noch das Siegel auf vorhandene
und bereits gewürdigte Verdienste und öffnen
neue Wege den Kräften, die sich schon als
marschfähig erwiesen haben.
( )sswald ist kein homo novus. Nicht
gerade frühe, aber reichlich und ohne Reserve
kam der Erfolg zu ihm. Spät genug, um
das freie Werden einer selbständigen Be-
gabung nicht zu gefährden, frühe genug, um
die Produktion dieser Begabung krältig an-
zufeuern und zu reicher Selbstoffenbarung zu
nötigen. Ausstellungen und Verkäufe haben
seinen Namen in Süd- und Mitteldeutschland
bekannt gemacht, die Kritik, die sich jungen
Kräften gegenüber gerne blamiert, hat sich
in seinem Falle recht wacker gehalten. ( )ss-
wald gehört zu den ersten Vertretern dessen,
was man so oft als den reichhaltigen künst-
lerischen Nachwuchs Münchens preisen hört.
Mein Gott, es steht mit diesem Nachwuchs
nicht so prächtig, als der unziemlich ins Kraut
geschossene Lokalpatriotismus dieser guten
Stadt meint. Er ruht in Wirklichkeit auf
fünf, sechs, sieben »neuen« Namen, das heitU
auf Namen, die nicht schon in den allerersten
Mitgliederlisten der Sezession vertreten waren.
Der gesamte andere »Nachwuchs' lebt mehr
oder minder von den t(jtal verkehrten Mei-
nungen, die in München über die Kunst des
Malens verbreitet sind. Der genius loci ist
191
Wilhcbn Michel:
KRITZ OSSWALI) MÜNCHEN.
unmalerisch. Unmalerisch ist die oberbay-
rische Landschaft, die gewaltige, leidenschaft-
liche Farben flächenhalt und schier gänzlich
unnüanziert neben- und übereinanderschichtet
und aus mancher guten jungen Begabung, die
sich ihr wehrlos überläßt, in wenigen Jahren
unintime Dekorateure oder spitzfindige Ma-
nieristen macht. Münchens wirkhcher .Nach-
wuchs« ruht auf den paar jungen Kräften,
die sich weder vom genius loci noch von
dieser an sich wundervollen, aber malerisch
problemlosen Landschaft ihre malerische Form
rauben lassen. — Osswald gehört zu Mün-
chens Nachwuchs, weil er Maler ist, weil er,
der i'Naturahst«, die .Schönheit und den Zauber
des Materials Farbe besser kennt als so
mancher junge Hexenmeister, den das Wohl-
wollen unserer allzukonzilianten Kritik trästt.
Gemälde: »Forsthaus«.
Poesie — das ist das Wort, das ich als
Überschrift über Osswalds Schöpfungen setze.
Karl Scheffler hat den Deutschen vor Jahren
in einer temperamentvollen Streitschrift gesagt,
was es mit der bei ihnen beliebten Poesie
des Gegenstandes auf sich hat. Auch im
Falle Osswalds handelt es sich nicht um solche
formelhafte, hingesagte Poesie, die man eine
im weiteren Sinne allegorische Poesie nennen
könnte. Es handelt sich bei ihm um inhärente
Poesie, um die Poesie des Technischen, der
Farbe, des Pinselstriches, der malerischen
Problemstellung.
Vor allem sind seine sämtlichen landschaft-
lichen Darstellungen erfüllt von der Poesie
der Räumlichkeit. Die Möglichkeit, Räum-
liches klar zu erkennen, bietet dem Auge
immer eine tiefe, geheime Befriedigung. Und
192
Fritz Ossunld-Müticlh
FRITZ OSSWALI) MÜNCHEN.
zwar handelt es sich hier nicht um den Raum,
den der Künstler darzustellen sucht, also um
die Raumwerte des von ihm zugrunde ge-
legten Xaturmotives, sondern es handelt sich
um den Raumeindruck des Cemäldes, der
mit dem Raumeindruck des Naturmotivs
höchstens verschwistert, nicht aber identisch
ist. Osswalds sämtliche Oemälde sind Raum-
poesien erlesener .Vrt. Und ich glaube, daß
der groUe Erfolg gerade seiner Schneebildcr
darauf beruht, daß sie in den Raumwerten
s.j untadelhaft sind. Sämtliche Entfernungen
sind auf der weißen Schneedecke bei ihm in
eiQwandfreiester Weise abzulesen, sei es an der
Hand von Tau-Flecken oder von Baumstämmen
oder auch bloß von leichten Schatten, wie
sie sich aus leisen Celändewellen ergeben.
In der Regel begegnen sich in seinen Bildern
Gemälde: »Pagodenliurg .
zwei verschieden gerichtete Räumlichkeiten:
eine, die in das Bild hineinführt, und eine
zweite, ([uer laufende, die auf der ersten senk-
recht steht. Man begegnet diesem Scliema,
das sich grajihisch etwa durch die Form des
lateinischen T ausdrücken läßt, fast auf allen
seinen Gemälden. Reichere Raumwirkungen
versagt er sich deshalb nicht. So enthält
z. B. (las (iemälde mit der niedrigen Tannen-
schonung vor dem umzäunten Hause eine
sehr differenzierte RäumHchkeit, die sehr
übersichtlich gegeben und durch reizvolle
Überschneidungen belebt ist.
Aus dieser Poesie des Raumes wächst
aber, fast als Folgeerscheinung, die Poesie
der F'arbe und des \'ortrages hervor. Ganz
natürlich: Raumprobleme sind es, die dem
Maler seine eigentlichen Aufgaben stellen, die
193
Uli hei w Jfn-M:
%
FRITZ OSS WALD -MÜNCHEN.
seine Farben differenzieren und die Pinsel-
führung beleben. Denn sie variieren den
Lokalton, bringen zahlreiche Abstufungen in
die Lichtstärke und in das Maß der Model-
lierung. Indem der Künstler diesen Problemen
nachgeht, entwickelt sich das Material unter
seiner Hand gleichsam von selbst und offen-
bart sich selbst so reich als möghch. Klarheit
und Einheit der Raumanschauung sind nicht
möglich ohne Klarheit und Einheit der kolo-
ristischen Anschauung. Denn nur innerhalb
einer geschlossenen, einheitlichen Koloristik
kann die Farbe zum Raumwert werden. Diesen
Vorzug besitzt Osswalds Farbe in hohem
Gemälde; »Bach im Winter«.
Maße. Wenn man der Münchner Malerei
mit einigem Rechte nachsagt, sie weise durch-
geh ends falsche Valeurs auf, so trifft dieser
Vorwurl" bei Fritz Osswald nicht zu.
Getragen werden alle diese Vorzüge von
einem sehr kräftigen, forschen Temperamente,
eben jenem Temperamente, das in dem enorm
flüssigen und eloquenten Vortrag der Farbe
bei ihm zum Worte kommt. Fest und sicher
ist bei ihm alles, im höchsten Maße gekonnt.
Man sieht diesem krausen, impressionistischen
Striche schon an, daß es dem Künstler Ernst
um die Farbe ist und Ernst um das, was er
mit ihr auszudrücken strebt. Das Epitheton
194
/'V/Zr Oss7i <t7/t/— . I fi'mchni.
FRITZ OSSWALU— MÜNCHEN.
>gefällig< kann man dieser Kunst wahrlich
nicht geben. Um so erstaunUcher ist der
Erfolg, dem die Arbeiten Usswalds neuerdings
in immer steigendem Maße begegnen. Man
wird nicht umhin können, einen Teil dieses
Krfolges der Tätigkeit des Galeriedirektors
F. J. üraki zuzuschreiben, der sich des jungen
Künstlers aufs wiirmste angenommen hat.
Einiges muß zu diesem Erfolge noch be-
merkt werden. Er gründet sich vor der Hand
liauptsächlich auf des Künstlers Schneeland-
schaften, niesegelten als Osswalds Spezialität
und sie nehmen daher verdientermaßen auch
in dieser Publikation den beherrschenden
Gemälde: »Kleines Gartenhaus«
Raum ein. Ebenso Vorzügliches aber wie
auf diesem Gebiete hat Osswald auch auf
anderen Gebieten der Landschaft geleistet.
Der Erfolg hat die Neigung, den Künstler
auf eine Spezialmarke, die sich als begehrt
erwiesen hat, festzulegen. Pflicht des Kritikers
ist es, demgegenüber auf das Ganze der
Künstlerleistung hinzuweisen und zu verhindern,
daß eine nach den verschiedensten Richtungen
entwicklungsfähige Begabung alizufrühe um-
grenzt und festgenagelt wird, ich stelle daher
fest, daß Osswald nicht daran gedacht hat,
sich zum Spezialisten lür die Schneeland-
schaft zu machen. Das beweisen einige aus-
195
Frifz Oss'iü 'a/d—3fii>/c//fii.
wKJft I I i 4 I
FRITZ OSSWALÜ— MÜNCHEN.
gezeichnete Landschaften nach sommerlichen
Motiven, die das gefürchtete Problem »Grün«
in hervorragender Weise bewältigen ; das be-
weisen ferner zahlreiche Blumenstilleben, die
mit ganz unmünchnerischem Leben gemalt
sind ; das beweisen schließlich die häufigen
Versuche Osswalds auf figürlichem Gebiete,
Versuche , denen des Künstlers eigentliche
Liebe gilt und die sicherlich eines Tages zu
überraschenden Ergebnissen führen werden.
Man bedenke : dieser jugendliche Meister hat
erst einunddreißig Jahre; eine, die erste
Blüteepoche seines Schaffens liegt abgeschlossen
vor. Er hat in ihr seine malerischen Aus-
drucksmittel üben und beherrschen gelernt
und wird von da aus neue, stimulierende
Aufgaben suchen.
Osswald ist Schweizer, geboren in Zürich,
hat aber fast seine besamte Ausbildung in
Gemälde: »Schloß Nymphenburg«.
München, unter Gysis, Weinhold und W. v.
Diez, empfangen. Aus seinem Ringen, aus
seiner Entwicklung spricht nicht nur eine
wertvolle Begabung, sondern auch eminent
viel menschliche Tüchtigkeit, ohne die nun
einmal das bedeutendste Talent nicht zu maß-
gebenden .Manifestationen gelangen kann. In
der Münchner Sezession ist Osswald seit 1904
ein regelmäßiger Gast. Größere Kollektiv-
Ausstellungen haben seinen Namen in vielen
deutschen Städten bekannt gemacht. Man
ist auf ihn aufmerksam, man verfolgt mit
Interesse sein W'erdeo. Ich schätze in ihm
den Vertreter einer guten, modernen male-
rischen Weltanschauung, der ich wünsche, sie
möchte gerade in unserem abgeschlossenen
und von allen Gefahren künstlerischer Inzucht
bedrohten München mehr als bisher Boden
und Werbekraft gewinnen, wilhelm michel.
196
I-KliZ OSSWALlJ .Ml Nt HKS.
(iomäliie: »Tannenschonung«.
AUS EINEM BRIEF AN DAS 18. JAHRHUNDERT.
Lieber Diderot, lieber Cazotte, lieber Cham-
^ fort, lieber Rivarol, ahnet Ihr und Ihr andern
alle, deren Sprache ich spreche, deren Gedanken
ich denke, deren Geist mir wie eine leicht und
köstHch zu atmende Luft ist, ahnet Ihr, was
ich leide in dieser unbeschreiblich gemeinen
Zeit? Ihr Arglosen ahnt es nicht; denn es ist
das ungeheuerlichste Märchen, das ein Galland
Euch aus dem andern Arabischen unserer
Epoche in Eure wunderbare Sprache zu über-
setzen zögerte. Euch, selige Wandler an Ab-
gründen, in die dann alles gestürzt ist, was
uns Enterbten, Entblößten Kultur heißt.
\'emehmt schaudernd, wie der Tag Eures
armseligen Nachfahren verläuft — woran das
Bemerkenswerteste das ist, daß neben ihm
Hunderttausende sich eigentlich wohl fühlen !
— Er erwacht müde , erhebt sich mit allem
Aufwand an notwendiger Energie — auf solche
Dinge , wie das Aufstehen , geht heut die
Energie drauf, die damals etwa in einem
Degenstoß sich entlud ; zehn Lebensjahre für
solch einen Degenstoß, der durch und durch
ginge! — ; er setzt sich an den Toilettetisch,
sich zu rasieren. Was grinst ihm ins Eenster
im grellen Morgenlicht r Eine Eassade . . .
Ahnt Ihr, Begnadete, was uns paar Gemar-
terten heute eine Fassade heißt? Ihr ahnt
es nicht. Lasset mich davon schweigen.
Etwas Gemeineres gibt es nicht, hat es nie
gegeben. Was sind .Menschenopfer von Kanni-
balen gegen den Kannibalismus unsrer Groß-
197
Richard Sclmithal :
(.'1/ t^
(ff u
FRITZ OSSWALD MÜNCHEN.
Stadt-Fassaden ! Ein Feentraum , ein Pastell
von Lancret. — Lasset mich schweigen über
die Unsäglichkeiten unsrer Kleidung , die
Hosenträger, Westen, Kravatten, Hemdknöpfe
und den sonstigen Trödel einer Tracht von
Handlungsgehilfen.
Der also Gekleidete verläßt, viele Stiegen
hinabsteigend , durch ein Prachtportal das
Monumental-Zinsgebäude, darin alles: Türen,
Fenster, Treppengeländer, Kandelaber, Portier
prunkvoll, ordinär und unecht ist.
Er ist auf der Straße. Was wisset Ihr
von einer großstädtischen Gasse ! Von Plakaten,
Kaffeehäusern , Panoptikum , Galanteriewaren-
Schaufenstern, Dienstmännern, Hundehändlern,
198
;
Gemälde: »Verschneiter Garten«
Blumenweibern, Annoncen - Ausbietern usw.!
Was wisset Ihr vor allem von dem Publikum
der frühen Vormittagsstunden, dieser zum Ge-
schäft, zum Amt, zum Dienst eilenden, einer
dem andern gleichgiltigen Menge von Sklaven
in ihrer geschmacklosen Individualisation,
ihrem unrhythmischen Tempo, ihrer brutalen
Vereinzelung 1 Alles ist störend, jedes Element
dieses wimmelnden Mosaiks scheußlich. Und
alles das, die Wagen, Tiere, Menschen,
Maschinen, alles lärmt und stinkt.
Und diese ganze, wie gesagt, völlig zu-
sammenhanglose Masse lebt nicht nur, sondern
will weiterleben, weiterwirken. Dieses wüste
Volk von Entarteten baut und zeugt, \erfügt
^4us cixcvi Brie/ a)i das iS. Jahrliui)(icrl.
i <
FRITZ OSSWALD MUN( HEN.
und verwaltet. Überall siehst Du Institute,
Schulen, Vereine, Genossenschaften. Kin un-
geheurer -Apparat klappert Tag und Nacht.
Die Technik, dieses Dir sozusagen unbekannte
Ereignis, das eine Epoche geschaffen hat, be-
dient durch zahllose stu])ende Einrichtungen,
die tausend anerzogenen, aufgelesenen, ange-
tlogenen, unerfühlten Bedürfnisse eines Haufens
Heimatloser. Für wenige Heller kannst Du
jederlei Surrogat haben. Ba/.arc und Waren-
häuser versorgen atemlos kreitiend den be-
scheidensten Nachzügler dieser Talmikultur mit
den schäbigsten Zeichen der Zeitgemäßheit,
l'nd durch alles, o Rivarol, muß Dein
duldender Freund täglich hindurch. Alles das
Gemälde: Beim Aumeisteii.
drängt sich ihm auf, tiuchstählich ins (ledränge
muß er hinein, ohne Schutzwehr an all den
gedrängt gereihten Laden, Portalen und -Xn-
kündigungen vurübcr, mit armen offenen Augen,
mit armen bloßen Nerven. ITnd betritt er
ein Speisehaus, gröhlt derselbe wüste Lärm
der wilden Farben und sogenannten Schmuck-
dinge, betritt er ein Theater, einen Vortrags-
oder Konzertsaal : immer ist er wieder ganz
drinnen in dem Gemenge gleiUcnder Barbarei,
sell)Stgefälligen l'nfugs.
Denke Dir, wie sich die Menschen dieser
entsetzlichen Zeit vergnügen , erheben. Sie
betreten einen getäfelten Raum, der von
Gold und Marmor starrt, alles sinnlos und
190». .\.
199
Aus
Brirl a>i c/as rS. '^ahrhwiderf.
häßlich zusammengetragen , Elemente aller
Stile in ein schlecht ventihertes Geviert ge-
drängt; sie sitzen nieder auf strohgeflochtenen
Garküchenstühlen und glotzen auf ein Podium,
wo alsbald der Kunstgenuß anhebt, exekutiert
von Männern in schlecht gemachter Fest-
tracht - Frackanzügen — und von Weibern
etwa in willkürlichen, meist armseligen, immer
aber irgendwie der Tagesmode angenäherten
Gewandungen. Es gibt da Weiber, die, die
ßriir auf der Nas', vom Notenblatt singen; Er-
hebung heißt diese ästhetische Drangsalierung
der Betrachter. Schon die Tatsache eines
solchen öffentlichen Konzertes, wo jedermann
sich zahlend in den gefügigen Rahmen
bringen kann, würde Dich, liebenswürdiger
Cazotte , entsetzen. Nun sieh' Dir aber alle
diese »besseren« Menschen an, herdich bos-
hafter Chamfort. Vom Kopf bis zum Fuß
sind sie sinnlos und halbschlächtig hergerichtet.
Und häßlich an Physiognomie und Gestalt,
es ist gar nicht auszudrücken, bis zu welchem
Grade I Dabei ohne die Spur von beweg-
licher Anmut; beobachtend beobachtet, be-
fangen oder protzig, mit Barten, Zwickern,
allerlei Haaranordnungen vom Lächerlichen
bis zum Ekelhaften, schlechtem Schuhwerk
und plombierten Zähnen.
Lieber 1 )iderot, lieber Chamfort, es gibt
noch immer einige wenige , die Euch zu
schätzen vorgeben. Aber verlanget nicht diese
kennen zu lernen. Es sind die literarischen
Menschen oder der Alpdruck Eures still dulden-
den Freundes — — Wenn Ihr heute aus
dem Grabe aufständet, würde Euch ein Kultur-
verein einladen, vor seinem Stammpublikum
etwas aus Euren Büchern vorzulesen und nacli-
her gäbe Euch das Komitee ein Festessen ;
der Bankbeamte Y, bei Nacht Kunstreferent
des Abendanzeigers, säße dir zur Linken,
Rivarol , und schöbe schmatzend den Spinat
auf seinem im vernickelten Heft gelockerten,
aber mit Rokoko-Ornamenten — Dir zu Ehren,
symbolisch — verzierten Messer in den Mund;
Dir zur Rechten aber dozierte eine Frauen-
rechtlerin im kantig dekolletierten Reformkleid
über Deine erlauchten Zeitgenossinnen , die
ich geschlossenen Auges jetzt, einer Wolke
Parfüm gleich , vor meiner Seele vorüber-
schweben fühle . . . RICH/VRD SCHAUKAL.
HKIT/ OSb\VALl>
MÜNCHKN.
M ARi.lRirKN
l'ND ANKMÜ.N'HN.
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22
VON DER FREUDE UND VOM MATERIAL.
Glück ist etwas Persönliches, eine Abson-
derung von der Außenwelt. Glück ist
Besitz und das Bewußtsein dieses Besitzes, das
von dem übermächtigen Lustgefühl zur groß-
mütigen Abgabe der überschüssigen Energie,
zur Mitteilung an andere gedrangt wird. Freude
dagegen ist von vornherein gemeinsam, all-
umfassend, die Freude des einen ist auch die
Freude des Kosmos, der Millionen. Cilück
emiifmdet, wer im sicheren Besitz einer wcscn-
verwandten Seele ein reiches Rückstrahlen
seines eigenen Lebens erlebt oder dessen
Steigerung in seliger Zwiesprache mit einem
Kunstwerk so intensiv genießt, daß Zeit und
Raum ihm wesenlos erscheinen. Glück gab
und gibt es zu allen Zeiten. .\ber die I'reude:
Wie wenig Freude haben wir doch heute I
Wir leben in einer Periode des Egoismus, —
des sich immer mehr konzentrierenden Indivi-
dualismus. Die Schillersche Freude von Mensch
zu Mensch ist uns heute nur eine Phrase, möglich
ist sie nur in Höhepunkten der Entwicklung, zur
Zeit des Griechentums kannte man sie, vielleicht
auch in der Blüte der Renaissance. Sie ist uns
heute nicht zugängig, und dennoch bewegen
wir uns ihr entgegen in langsam aufsteigender
Linie. Nur müssen wir ganz von vorne anfangen,
bei dem untersten Reich des »Anorganischen
(wie unglücklich war doch diese Benennung).
Schon ahnen wir eine neue Zeit, die uns die
Freude an der scheinbar leblosen Materie,
die Freude am Material bringen wird.
Die Freude am Material I Der Künstler
halte sie von jeher. Freude und gebende
1-iebe sind das wundersame Vorrecht und
das schöpferische Prinzip der großen Künstler.
Nicht diese unbewußte Freude wird Allgemein-
gut werden, aber eine bewußte Freude am
Material ist in unserer Zeit des Intellektualismus
eine Möglichkeit und ein werdendes Erlebnis.
Noch ist freilich davon nicht allzuviel
zu verspüren. Zu eitrig wird an den Grund-
rissen und Gnmdmauem gearbeitet. Auch das
puritanische Münchner Programm war gewisser-
maßen immer noch das ABC": Fort mit aller
Zutat, die wir nicht ehrlich neu schaffen können.
Aber schon längst hatten die Wiener, diese
ganz Unbesorgten und Fröhlichen, jenes erste
Pensum hinter sich. Doch unduldsam eiferte
man damals gegen sie, denen es allzu leicht
wurde, während man selbst nur die latente
und grimmige Kraft spürte : Wir werden es
einmal noch viel besser machen!
Unsere Starken und Großen , vor allem
Bruno Paul, sind gewißlich dazu berulen
und auserwählt, unsere eigene Kraft uns
selbst und dem Ausland zu dokumentieren.
Auf ihre Verdienste soll hier nicht näher
eingegangen werden. In Josef Hoffmann,
Kolo Moser und Czeschka aber haben wir
mit vollen Händen und fröhlich gebende ,\postel
jener Freude am Material. Wahrend wir mutig
gegen die übermächtige Maschine ankämj)(en,
um ihr neue Werte abzutrotzen, während einige
sich mit Konstruktionen i)lagen und in sicht-
baren Schrauben und hervorstehenden Zargen
das mühevolle Knochengerüst zeigen, ist
hier unbekümmert blühendes Fleisch. Hier ist
der Verklärungsprozeß des Materials in vollem
Gange, in diesen ganz nackten Metallen und
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Hölzern ist ein blühendes und sinnliches Leben
sichtbar gemacht. Diese Materie hat es
nicht mehr nötig , mit wesensfremden orna-
mentalen Prunkge\v;indern umkleidet und in
Konstruktions-Korsette einL;epanzcrt zu werden,
sie hat ihr eigenes Leben und ist — schön.
Gerade Hoffmann, der der strengste und
gewissermaßen nüchternste unter ihnen ist, hat
dank seiner genialen und so überaus seltenen
Zucht die stärkste Leistung zuwege gebracht.
Seine verstellende Liebe und die kluge Be-
herrschung des Materials hat ihn dazu ge-
führt, strenger als irgend ein anderer das Ma-
terial von jeder vordrängenden Formgebung
zu abstrahieren. Bei keinem andern genießt
man so sehr das sinnliche Wohlgelühl , mit
diesen Hölzern, Steinen und Metallen in un-
mittelbarer ]>hysischer Beziehung zu stehen.
Wir sagen neuerdings: Blech ist Blech, tut
ihm ja nichts zu leide. Hoffmnnn aber sagt zum
Silber: Ich will dir deinen ganzen Glanz
geben, und zum Blech: Komm ich will dich
erhöhen und dich lustig machen, soviel du
in deiner Einfachheit vermagst. Und läßt es
in der Maschine den <|ualvoll-seligen Feg-
feuerprozeß durchmachen , wie das Korn
geschlagen und gemahlen und im Feuer
gebacken wird, bis es weiß wird wie Schnee,
wie wir selbst alle mehr oder weniger geplagt
und idem Satan übergeben' werden zur Ehre
der fröhlichen Höher- Entwicklung.
Die Erkenntnis unserer Physik, daß alle
Atome in wirbelnder Bewegung sind, ja daß
diese .\tonie selbst nur Wirbel einer un-
bekannten und unvorstellbaren Kraft sind, die
sich nach ganz bestimmten Gesetzen, in ganz
bestimmten und wundervollen stereometrischen
Formen äußert, wird heute allmählich auch
dem einfachen Manne zum 15ewußtsein gebracht.
Ks muß uns aber erst zum Erlebnis
werden, daß auch die anorganische Materie
ein lebendiger Bestandteil des kosmischen
Gesamtorganismus ist , daß eine Wechsel-
wirkung unbekannter Kräfte zwischen allem
und jedem stattfindet. Alles was besteht ist
vom Leben ausgegangen und noch in Be-
ziehung dazu, — auch der Schlacke wohnt
die Erinnerung inne an die Glut des F^del-
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metalles, die in ihrem irisierenden Glanz noch
aufleuchtet. Wir müssen fühlen: alle Materie
ist uns verwandt , ist Fleisch von unserm
Fleisch, dann werden wir ein neues Empfinden
spüren für die verborgene Sehnsucht des
Materiales nach einer Läuterung durch den
schaffenden Künstler, für die Liebe der
Materie zu ihrem Herrn und Meister,
der heute noch so wenig Ahnung von seiner
ungeheuren Macht besitzt.
Es genügt nicht nur, von dieser Inten-
sität des Materials zu wissen, wir müssen
auch die Freude dieser Erkenntnis genießen
können. Und diese Freude kann uns nur der
Künstler geben. Nur er vermag die Eigenart
jener Schwingungsformen in ihren ungezählten
204
\'ariationen gesteigert zum Ausdruck zu bringen,
nur er vermag das schlummernde und nur ihm,
dem Begnadeten, sichtbare Leben dieses Mikro-
kosmos durch die Kraft seiner künstlerischen
Intuition und seines Gefühles zu verstärken und
der Mitwelt zugängig zu machen. Wohlver-
standen : diese Befreiung der Materie ist nicht
Zweck der Kunst sondern notwendige Be-
gleiterscheinung; als dienendes Medium
zu höheren Zwecken erfährt das Material seine
Verklärung. Welch ungeheure neue Werte in
dieser Richtung der noch fast ganz verkannte
und am meisten von seinen Nachahmern miß-
verstandene van Gogh uns vermittelte, das
wird wohl erst eine spätere Zeit erkennen.
Er empfand die physische Verwandtschaft der
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Materie mit einer uns diunonisch erscheinenden
Intensität und gab den realen, der Natur inne-
wohnenden zitternden Rhythmus der Kralt in
seinen Farben, seinen l'inselstrichen so selir
gesteigert wieder, daß diese selbst als lebende,
selbständige Elemente erscheinen.
Sicher ist : Wenn die Erkenntnis dieses
Hefreiungs- Prozesses erst einmal Allgemeingut
sein wird, und unsere Künstler ihm ihre Kraft
ungeschmälert hingeben, dann wird ein neuer
Strom der Freude durch unsere Lande IheUen.
Und diese nur als Vorgeschmack einer noch viel
höheren, der bewußten Freude an der durch-
geistigsten Materie, der Menschheit selbst.
Wir sind nur ein Übergang, nur die Vor-
läufer derer, die größer und reicher sein
werden als wir. Unsere junge Generalion
aber, die heute heranwächst, wird schon das
eine beneidenswerte Vorrecht haben: die
Freude ani Material. h. lang-danoi.i.
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CHAUVINISMUS UND LANDSCHAFT.
Neulich las ich irgendwo einen geharnischten
Aufruf an das Volk gegen drei böse
Feinde deutschen Geschmacks. Und die drei
Feinde waren: drei »ausländische« Bäume,
nämlich die Roßkastanie , die Platane , die
Akazie!! ;:- Blatt- und Blütenwerk der Roß-
kastanien und .\kazien stimmen in ihrer
prunkenden »Aufmachung« so gar nicht mit
unsern heimischen Bäumen überein, und bei
der Platane befremdet uns wieder der Stamm
mit seiner ewig in großen Fetzen sich ab-
blätternden Rinde und obendrein die an
F'äden baumelnden Kugelkätzchen der Früchte,
die auch im Winter am Gezweige hängen
bleiben«. Nach einer so gründlichen Lächer-
lichmachung der pomphaften Kastanie, und
der ewig in großen Fetzen sich abblätternden
Rinde der Platane sind diese Bäume also
endgültig als »Kitsch« in der deutschen
206
Landschaft erledigt. ( lärtner und Straßen-
bauer von Geschmack können unmöglich
solche ausländischen Bäume mehr anpflanzen -
weil sie in das Charakterbild der deutschen
Landschaft nicht hineinpassen.
Ich meine, dieser Aufruf hat nur einen
F'ehler — er nennt nur drei ausländische
Bäume, statt gleich hundert und mehr —
es wären auch noch viele Früchte und
Blumen als böse fremde Gewächse zu nennen
gewesen und so erwarte ich demnächst von
diesem gründlich belesenen F'anatiker eine
große, große »schwarze Liste« alles Aus-
ländischen — die alles nennt, was nicht in
unsere Landschaft paßt.
Aber — was sind wir doch bisher und
alle unsere Vorfahren, die wir doch so gern
als Urzeugen der guten Tradition und der
heimischen Bauweise anrufen, für miserable
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Patrioten, für schlechte Deutsche gewesen.
Was haben die doch alles importiert — weil
her I l'nd wie arm ist dadurch das gute
deutsche Volk geworden. Da hill't nur
tiicliti^e Reinigung deutsclier Landschaft,
Kultur und Kunst von allen fremden Zutaten.
Man fange bei der l'latane aus dem bösen
Orient , der Akazie aus \'irginien an und
führe die Ausrottung durch — — bis zur
Kartoffel.
Wenn es nur so einfach wäre, die Liste
fremder Bäume aufzustellen. Denn erstens
ist die Genealogie vieler Bäume gar nicht
so genau festzustellen. Große Irrtümer —
aus denen man lustig ästhetische Gesetze in
Bezug auf - Kinpassung-: aufbauen kann -
sind mehr als genug begangen worden. .\ber
was heißt heimisch nach Alter, was heißt
heimisch nach Landesgrenzen r — Soll viel-
leicht heimisch nur das genannt werden was
1000 Jahre alt? Bekanntlich bat Vater Horaz
schon diese Satire Fanatikern ähnliclicr
Tendenz vorgelegt. — Und ist schon das
nicht heimisch — das nicht zur deutschen
Landschaft passend, was jenseits der schwarz-
weiß-roten Grenzpfähle wächst?
Ein solcher Feldzug fehlte uns Deutschen
gerade noch. Dagegen nimmt sich ja die
lächerlichste Germanophobie der Engländer
wie eine wohl berechtigte, ernste Sache aus.
Denn die politische Angst der F^ngländer
tritt nicht auf für eine Verarmung heimischer
Kultur — wie diese allerneueste Fremden-
riecherei auf dem Gebiete landschaftlicher
Ästhetik.
Was ist denn Tolstoi's Kampf gegen die
Kunst neben solchem Kampf gegen »aus-
ländische« Bäume. — Wollen wir denn nicht
(jott danken, daß er unser liebes deutsches
Heimatland bereichert hat - oder sollen
wir schleunigst dafür sorgen, daß wir unsere
altgermanischen Wald- und Sumpflandschaften
wie zur Zeit des Tacitus wieder herstellen? —
Wir reden ja so viel von » Wieder »^ herstellen
— vielleicht wäre das ein neues Problem?
Doch stelle man die l'rago weiter.
F'ällt nicht die ganze Entwicklung der Mensch-
heit in sich zusammen, wenn man die gegen-
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seitige Bereicherung der Völker, Zeiten, I.and-
sclialten und Menschen ausscheiden wollte r Wie
herrlich tönt uns ordentlich aus allen Ländern
und Landschaften die Bejahung des Willens
zu gegenseitiger Bereicherung entgegen. Man
überdenke nur kurz die Weltgeschichte der
Kultur — und konstruiere sich als Farce
danach das Zerrbild eines Kulturvolkes ohne
fremde Einflüsse. ( )der man gehe vom Kleinen
aus. -Man schaue sich im eigenen Zimmer um,
ob alles deutschem Boden entwachsen. Soll ich
hartes, fremdes Holz nie für .Möbel verwenden,
auch wenn sie mir \ielfa(h dünnere Konstruk-
tionen erlauben V Soll ich die seidenen Be-
züge zerreißen, weil auch hier fremde Tiere
— also fremde Naturen — Erzeuger warenr
Inil dann befrage man doch die deut-
schesten der deutschen Künstler, wie die sich
gestellt zum Fremden? Was dankt doch Dürer
italienischer Kunst und Natur. -- Was für
fremde Einflüsse haben Rembrandt angeregt,
groß gemacht. — Oder sollen wir unsere
Großen nicht lieben und verehren so wie sie
geworden sind? Wollen wir vielleicht auch
da rekonstruierend Wollen wir vielleicht auch
aus den alten Bildern unserer großen Meister
fremde Bäume — man denke an den Genter
Aliar oder an Schongauer — wegmalen?
Ich denke, was die \'ölker groß gemacht
und die besten (}eislcr zu Vorbildern der
.Menschheit, das wird auch uns nicht schaden
— sondern ganz gehörig nützen. L^nd wir
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wollen uns dem grüßen (leiste beständiger
Bereicherung der Landschaften und Völker —
von innen wie von außen her — einpassen,
aber nicht von einer Einpassung träumen, die
uns nur klein und furchtbar arm und kläglich
lächerlich machen muß. —
Gut deutsch sein hieß noch allezeit: Nicht
die Nase rümpfen über das was fremd —
sondern nützen und werten zu deutschem
Fortschritt, alles was gut. e. w. bkedt.
AKADEMIK BILDENDER KÜNSTLER
. IX WIEN. Alljährlich soll durch die
Akademie der bildenden Künstler — Wien einem
Maler und einem Bildhauer aus der »Reichel-
Stiftung« je ein Preis im Betrag von 5000 Kr.
/.ucrkannt werden. Keiner der beiden vorge-
schlagenen Maler Klimt und Jungwirth konnte
indeß die erforderliche zweidrittel Stimmenzahl
auf sich vereinigen. Nach mehrmaliger ergeb-
nisloser Wahl mußte von der Erteilung des
Preises ganz abgesehen werden, weil die Be-
stimmungen der Stiftung eine Teilung der
Summe nicht gestatten. Klimts vielumstrittenes
Bild »Hoffnung' war vorgeschlagen worden.
Von der Verteilung des Reichel-Preises<'
an einen Plastiker mußte deswegen abgesehen
werden , weil die Schöpfer der ausgestellten
vortrefflichen Werke entweder nicht im Inlande
wirken, oder weil sie schon zuvor mit dem
Preise bedacht wurden und eine mehrmalige
Auszeichnung nicht zulässig ist.
Der Ausfall des Wettbewerbes Klimt- Jung-
wirth zeigt deutlich, wie wichtig es war, die
Bestimmungen der Stiftung seiner Zeit dahin
abzuändern, daß anstelle der früher verlangten
Einstimmigkeit der Preisrichter die Zweidrittel-
Majorität gesetzt wurde. Bei den seit Jahren
bestehenden Gegensätzen der Anschauungen
innerhalb der Akademie würde andernfalls eine
Erteilung der Preise überhaupt unmöglich sein.
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DIE MALEREI IN IHRER BEZIEHUNG ZUR BAUKUNST
UND DAS MODERNE EMPFINDEN.
I.
Malerei und Baukunst sind an sich ganz
verschiedene und streng von einander
getrennte Künste. Der Hauptunterschied rein
äußerlich besteht darin, daß die Malerei an
eine Fläche gebunden ist, während die
Baukunst den wirklichen Raum gestaltet.
Jeder der beiden Künste ist ein besonderes,
scharf umgrenztes Gebiet in der Natur zuge-
wiesen, das sie zum Gegenstand ihrer Be-
handlung machen sollen.
Die Malerei soll — ganz allgemein ge-
sagt — den Eindruck gestalten, den die Er-
scheinung der sichtbaren Welt in uns hervor-
ruft. Die Baukunst dagegen drückt ein
allgemeines Gefühl aus, dem in der Natur
kein bestimmtes sichtbares Objekt entspricht;
ihre Formen sind geometrischer Art und aus
den Naturbildungen nicht unmittelbar abzu-
leiten. Ja, je geometrischer sie sind, um so
klarer S|)rechen sie das Wesen der .\rchitektur
aus. wie der griechisch-dorische Stil und der
deutsch-romanische Baustil zeigen.
Aber, trotz dieser scharfen Trennung be-
steht zwischen beiden Künsten doch eine
innere Beziehung. Diese innere Beziehung
wird natürlich am deutlichsten in der Wand-
malerei zu Tage treten, weil diese die Ar-
chitektur am engsten berülirt, inilem sie die
Flächen der Bauwerke, besonders der Innen-
räume, verziert und somit eine Aufgabe aus-
führt, die der Architekt schon selbst mit rein
architektonischen, ornamentalen Mitteln, I,inien
und Farben, lösen kann.
II.
Die innere Beziehung der Malerei zur
Baukunst bildet eine der wichtigsten Fragen
der Kunstentwicklung. Der stete Wandel
dieser inneren Beziehung, kann man sagen,
spielt in alle Veränderungen der Stile hinein.
Wir beobachten, daß in den Epochen, in
denen sich ein einheitliches Stilgefühl aus
dem roh naturalistischen Empfinden heraus-
hebt — wie bei den Egyptern, Habylonicrn,
bei den Griechen im 6. Jahrhuntlert, bei den
Deutscheu im romanischen Stil des 11. und
12. Jahrhunderts — daß damals die Maler
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die Objekte, die sie schildern (vor allem sind
es Menschen, bei den Egyptern auch Tiere)
auf wenige große Linien bringen, daß sie
aber diese Linien nach gewissen Grund-
gesetzen, wie Symmetrie, Rhythmus, in den
zur Verfügung stehenden Flächenraum hinein-
ordnen. Neben der Absicht, die erscheinende
Natur abzubilden, erfüllt diese Maler ein ganz
bestimmtes ornamentales Flächengefühl. Dieses
Gefühl hat den gleichen Grundton, wie das
Gefühl, das der Architekt in seinen räum-
lichen Gebilden ausspricht. Wir sehen in
diesen Epochen, daß die Architektur die
führende Kunst ist, weil die Grundempfin-
dung dieser .Anfangsepochen eine archi-
tektonische ist. Das will sagen, daß die
Gefühle, die der Gegenstand der Architektur
sind : Schwergewichts- und Raumgefühle, in
diesen Stadien die Menschheit vor allen
andern bewegen.
Die Malerei konnte sich zu ihrer eigent-
lichen Aufgabe nur allmählich und am spä-
testen entwickeln, weil die Fähigkeit : die
räumliche Erscheinungswelt in der Fläche dar-
zustellen, die Betrachtung der Erscheinung
losgelöst vom wirklichen Raum, ab-
strakt, außer uns, eine außerordentliche Stei-
gerung der Geistesfähigkeiten voraussetzt. Der
Bildhauer und Baumeister haben darum schon
in griechischer Zeit ihre Kunst zu einer ab-
soluten Höhe erheben können, im Gegensatz
zum Maler.
IIL
Die Malerei beginnt ihre Entwicklung zur
Kunst der Neuzeit mit Giotto. Seine Kom-
positionen heihger Vorgänge zeigen allerdings
noch die geschlossenen Umrisse, den strengen
Gruppenbau, die Projektion der Darstellung in
die Fläche, überhaupt das Leben noch gebunden
an ein dekoratives Gesetz: das sind alles
Eigenschaften, die aus der italienisch-byzan-
tinischen Malerei, als der Quelle der Kunst
Giottos, abzuleiten sind. Giotto hat die her-
kömmlichen konventionell gewordenen Typen
der byzantinischen Schule neu belebt — dies
ist seine große Tat — indem er vor allem
die Gebärden mit Größe und Seele erfüllt
hat: aber in der Raumgestaltung und Mo-
dellierung geht er über seine Vorbilder keinen
bedeutenden Schritt hinaus. Dies unternimmt
erst am Anfang des 15. Jahrhunderts der
Florentiner Masaccio, der nun ganz eigent-
lich als der Anfang der neueren Malerei an-
zusehen ist. Masaccio erlöst die Figur aus
dem architektonisch-dekorativen Schema, er
überwindet die Fläche, indem er die Grund-
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gesetze der perspektivischen Verkürzung ent-
deckt (wie zur gleichen Zeit die Brüder van
Eyck in den Niederlanden), er dringt zu einer
plastischen Modellierung vor. er faßt den
indi\;duellen Charakter der Menschen auf. mit
einem Wort: er befreit die Malerei aus Jahr-
hunderte lang geheiligten Konventionen und
dringt zu einer wirklichen Anschauung der
Erscheinungswelt vor. Dabei wahrt er seinen
Bildern aber geschlossene Flächenwirkung und
monumentalen Aufbau. Das nachfolgende
15. Jahrhundert vertieft die ?"rrungenschaften
des Masaccio nach der naturalistischen Seite
hin, es verschärft die Individualisiening: bis
sich endlich am .Vnfang des 16. Jahrhunderts
auf diesem von Xaturverständnis ganz durch-
tränkten Boden der große Stil der Hoch-
renaissance aufbaut, der die malerische und
räumliche Auffassung zu einer vorher nicht
erreichten Höhe steigert. Aber noch immer,
wie bei Oiolto, sehen wir hier das (lefühl
des Malers im schönsten Einklang mit dem
Gefühl des Architekten stehen, das Gleich-
gewicht der Fläche, z. 15. in den Fresken
Raffaels , strömt noch das volle Glücks-
empfinden ihres Schöpfers aus.
IV.
In der Malerei des Barock vollzieht sich
eine gewaltige Steigerung des rein m al e r i sc h e n
Gefühls. Ihre Höhe- und Endpunkte bilden
die venetianischen und spanischen Schulen
des 18. Jahrhunderts (Tiepolo, Guardi, Goya).
So mächtig durchströmt das malerische Gefühl
diese Zeit, daß auch die Architektur davon
ergriffen, mitgerissen wird. Das Raumgefühl
will alle Grenzen überschreiten, die Maler,
die Wände und Decken in Sälen und Kirchen
ausmalen, täuschen uns den wirklichen Raum
vor; dadurch, daß sie plastische und Gesims-
teile in die Bilder ragen lassen, soll sich die
t'.renze zwischen Schein und Wirklichkeit ver-
wischen : hier waltet ein Gefühl der Sehnsucht
ins Unendliche — hinaus ins Unbegrenzte —
das uns heute noch in Barockkirchen, als
eine Mischung von Wonne und Wehmut, befällt.
Der Umschlag von dem höchsten maler-
isclien Gefühl des Barock in die lineare
klar begrenzte Auffassung des Klassizismus,
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der in dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts
eintritt, und in Carstens und David die
stärkste Form annimmt, dieser Umschlag ist
nur im Zusammenhang mit der ganzen Geistes-
richtung dieser Zeit zu begreifen. Gewiß ist
es kein Zufall, daß gerade damals der größte
Schritt der neueren Philosophie getan worden
ist durch die Entdeckung Kants von der
Idealität des Raumes und der Zeit. Hier
eine Verbindung zu konstruieren scheint wohl
parado.x, aber in der Tat ist durch die Lehre
Kants die Sehnsucht des Barock nach dem
unbegrenzten Raum — ins Unendliche hinein —
in gewissem Sinne erfüllt. Er sagt : diese
ganze Welt ist nichts als meine Vorstellung,
als Erscheinung, und alle diese Vorstellung
ist an den Raum gebunden, das heißt, nie-
mals kann ich aus dem Räume hinaus, niemals :
mit dieser Erkenntnis mußte die ganze
neuere Weltanschauung anheben. Kant
ist wirklich die letzte ErlüUung aller Sehn-
sucht — alles künstlerischen und geistigen
Drängens des 18. Jahrhunderts — die deutsche
214
Revolution, aber von ganz anderer Tragweite
als die französische ! —
V.
Wenn Kant den Anfang der modernen
Weltanschauung bezeichnet, und diese in
gewissem Sinne in Norddeutschland ihren
Ursprung nimmt : so ist die Parallelerscheinung
zu ihm auf dem Gebiete der Malerei sein
Zeitgenosse Goya, der die Sehnsucht der
Barockmalerei auf dem sonnendurchglühten
Boden Spaniens zur Erfüllung bringt. Nicht
die Klassizisten in Frankreich , Deutschland
und den übrigen Ländern sind als die Bahn-
brecher der modernen Malerei anzusehen,
nicht Carstens und David : ihre Malerei
geht nicht aus der reinen Anschauung her-
vor, sondern zum großen Teil aus geistigen
Ideen, zum Teil aus dem falschen Verständnis
der Antike, wofür Goethes spätere Kunst-
bestrebungen ein tragisches Beispiel bieten
und ebenso wenig die Romantiker, die gleich-
falls der Malerei fremde, dichterische Gefühle
ausdrücken wollten.
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Auf den Bahnen Goyas fortschreitend
haben die modernen Franzosen endUch
eine wahrhalt neue Malerei geschaffen, den
Pleinairismus und Impressionismus, um
zwei Schlagworte zu gebrauchen. Das ist
eine Malerei, die über die Malerei der alten
Meister hinausgeht: ein wirkliches Abbild
dieser Welt, lichterfüllt und farbendurchglüht.
Rein als Erscheinung ist sie aufgefaßt, aber
die Erscheinung als der AusdrucTc des Wesens
dieser Welt. Diese Kunst der willenlosen
.\nsrhauung ist einer der höchsten Ausdrücke
der modernen Welterlassung, wie sie
Kant und Schopenhauer eingeleitet haben.
-- Blicken wir zurück aul den Weg, den die
Malerei bis dahin genommen hat. Auf der
ersten Stufe sahen wir die Malerei in dem
ornamentalen Flächengefühl befangen, im
Banne der in jenen Zeiten weit stärkeren
architektonischen F.mpfmdung. In unseren
Zeiten ist es der Malerei, nachdem sie viele
Zwischenstufen überstiegen hat, gelungen, die
Welt als reine Erscheinung, ganz objektiv,
als Bild, zu erfassen. Die Malerei hat damit
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ihr eigentliches Gebiet in Besitz genommen,
wie dies der Baumeister und Bildhauer schon
früher tun konnten. Die Menschheit ist da-
mit auf einer Höhe angelangt, von der sie
im weiten Umkreise ringsumher die herrlichste
Welt /AI ihren Fußen ausgebreitet liegen sieht.
Höchste Entäußerung, Loslösung, Objektivität.
So übermächtig hat das malerische C,e-
fühl die neuere Zeit ergriffen, daß die Sinne
für die A r c h i t e k t u r getötet zu sein scheinen,
alles Gefühl für die Architektur ist verschwun-
den , ja diese schien als Kunst verloren ge-
gangen , sie schien überflüssig geworden zu
sein. Architektur und Malerei, in den ar-
chaischen Zeiten eine völlige Einheit, sind
in der neueren Zeit völlig getrennt. Die
impressionistische Malerei ist der Architektur
so ferne, als es nur möglich ist.
VI.
Neuerdings gewinnt nun aljer mehr und mehr
in der Malerei eine Richtung an Boden, in der
die malerisch bildhafte (lestaltungsweise
mit einem großen architektonischen
Raum- und Flächengefühl verschmolzen
erscheint. Malerei und Baukunst verbinden
sich wieder zu einer Einheit, aber diese Ein-
heit ist jetzt ganz anderer Art, als in der Kunst
der archaischen Zeiten : damals hatte die
Malerei nur eine sehr untergeordnete Rolle,
es war keine eigentliche Malerei, sie wurde
durch die übermächtige Architektur in einen
starren ornamentalen Flächenstil hinein-
gezwungen. Jetzt bleibt sie reine Malerei,
die neben der Wiedergabe der farbigen Er-
scheinung die Gestaltung der Raumtiefe zu
ihrer Aufgabe macht.
Hans von Marees ist ohne Zweifel
der Bahnbrecher dieses neuen Stils. Seine
Malerei stellt diesen inneren Zusammenhang
des malerischen Gefühles mit dem architek-
tonischen Gefühle dar. Er ist aus der eklek-
tischen altmeisterlichen Auffassungsweise, wie
sie in München und Berlin in der Mitte des
19. Jahrhunderts blühte, mit Hilfe der mo-
dernen Franzosen und des Michelangelo : vor
allem aber, weil er sich in die Betrachtung
der Xatur ganz neu versenkt hat, zu einer
großen Anschauung emporgewachsen. Er ge-
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langte nicht zur höchsten \'ollendung. wie sie
klar vor seiner Seele schwebte, einmal, weil
er doch erst, nachdem er an 30 Jahre seines
Lebens in dem Treiben seiner Zeitgenossen
verloren hatte, sich selbst gefunden hat und
zweitens, weil er, als er seinen eigenen Stil
errungen hatte , keine äußere Unterstützung
fand. Er starb bereits im 50. Jahre. Nun-
mehr steht er zu neuem Leben auf, wir
preisen ihn als Herold einer neuen Zeit. War
nicht Masaccio erst 28 Jahre, als er starb und
hatte nichts als wenige Fresken vollendet und
doch ist er derjenige, der die Ideen der Malerei
der Renaissance zum Sieg gebracht, der das
begonnen, was Raffael und Michelangelo voll-
endet haben? \)ie vier 'Lriptychen .\larees
zeigten , als sie auf den vier Wänden des
viereckigen Hauptsaales der Sezession aufge-
stellt waren: wie innig diese Malerei zur Bau-
kunst in Beziehung steht; sie fordert geradezu
die Mauerfläche als Hintergrund und verlangt
rahmende Pilaster. Doch ist diese Beziehung,
wie gesagt , ganz anderer Art , als in den
früheren Epochen. Das Raumgefühl, das uns
1909. X. 5.
der .\rchitekt durch seine Raumgestaltung er-
weckt, ist auch in dem Bilde da, nur, während
es im Saalraum uns unbewußt, als allgemeine
architektonische Stimmung, fatJt, tritt
es uns im Bilde zur Vorstellung gesteigert,
unkörperlich, als \ision vor Augen. Dieses
Raumgefühl ist das Erste und das Letzte, was
uns die bildende Kunst vermitteln soll — jede
aber ist an ihre (Frenzen gebunden, Baukunst
und l'lastik an den wirklichen Raum, die
.Malerei an eine Fläche. Das moderne Raum-
gefühl der Malerei ist eben dadurch von dem
Raumgefühl der Barockmalerei verschieden,
daß diese immer unbefriedigt bleiben muß, den
Raum vortäuschen will — man möchte sagen,
die Wand durchbrechen, mit dem Koj)! hindurch
will, während die moderne Malerei den Raum
auf die Fläche bannen kann, und damit (wirk-
lich die Kantische Erkenntnis: ich kann aus
dem Raum nicht hinaus, in die Tat umsetzend)
auf die Raumtäuschung verzichtet : sie wett-
eifert nicht mehr mit den übrigen Künsten.
Dies ist gerade das Wunderbare : daß die
Malerei, indem sie sich ganz und gar von
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der Arcliuekiiir betreit hat, doch ihr wieder
auf anderem Wege nahe kommt. ])ie mo-
derne Wandmalerei erfordert , daß sie
sich schart von der architektonischen Um-
gebung abhebt, sie verlangt feste Umrahmung,
sie erfordert im letzten Grunde eine strenge
wahrhafte Architektur, die in klaren
Raumkörpem, Flächenbildungen und I.inicn-
gliedern einen organischen Raunigedanken
gestaltet. Dieser Punkt ist von eminenter
Wichtigkeit, indem aus der tiefen anschau-
lichen Krkenntnis der inneren Beziehung
von .Malerei und Architektur und ihrer dann
wurzelnden Grenzen das neue Stilgefühl,
das wir ersehnen, erwachsen wird. Was Marees
angestrebt hat, hat auf dem Gebiete der Ar-
chitektur in seinen letzten Werken auch Messel
erstrebt. Es ist nur die Krage, ob die Nach-
folger dieser Bahnbrecher das Feld gewinnen
werden. Unter den Malern sind vor allem
H o d 1 e r und H o f e r und in einzelnen Werken
1-. V. Hofmann als die Träger dieser mo-
dernen Gedanken zu nennen. —
BERLIN. HERMANN SCHMITZ.
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M. MEURERS „VERGLEICHENDE FORMENLEHRE DER PFLANZE".
VON MAX SELIGER— LEIPZIG.
Nach vielem Anregenden aber Kurzlebigen
in der Werkstatt des Kunstgewerbes und
der Architektur einmal wieder eine Tat — ein
Werk von Bedeutung und tieferer Wirkung !
Bei denen, die Architektur und Kunst-
gewerbe ausüben , praktisch oder lehrend,
ist Meurers Name wohlbekannt, und auch
das Ausland weiß ihn , nach dem Absätze
seiner früheren Werke, »Pflanzenformen« und
»Pflanzenbilder« zu urteilen, wohl zu schätzen.
Auf dem klassischen Boden Roms mußten
diese Studien am ehesten angeregt werden
und deutsche Gründlichkeit konnte sie am
sichersten zu so fruchtbarem Ergebnisse führen.
Einige Züge aus Meurers Leben und Ent-
wicklung als Lehrer fördern das Verständnis
des Werkes — eines Lebenswerkes —
unseres Autors. Er war bekanntlich nach
Schaller als Lehrer für dekorative Malerei
an der Schule des Königlichen Kunstgewerbe-
museums in Berhn tätig. Damals, nach dem
70 er Kriege, bei dem deutschen allgemein
erwachenden SchafFensdrange, ging er vor, wie
man besser nicht vorzugehen wußte. Er ver-
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schaflte durch das da-
malige Kronprinzen-
paar, Kaiser Friedrich
und Cicmahlin, die das
K unstgcwerbe - Museum
und die mit ihm ver-
bundene Schule dem
Suutli Kensingtun Mu-
seum nachgegründet
hatten, grüße Permesse
für sich und seine Mal-
klasse, öffnete sich so
die italienischen Paläste
und Kirchen und ko-
pierte mit seinen Schü-
lern die herrüchen \ot-
bilder einer Zeit groUer .
Tüchtigkeit und Har-
monie licr polychromen
Raumkunst und insbe-
sondere der dekorativen
Malerei großen Stiles. Diese Studien wurden
später als Lehrmaterial auf andere deutsche
Kunstgewerbe - Schulen verteilt und haben
manche segensreiche Anregung und Spur
zu ähnlichem Werke hinterlassen. Als der
Museumsgeist die Nacheiferung der Sonntags-
kunst der früheren Jahrhunderte mit Wort,
Kupferstich und Museumsstück noch lange
Zeit empfahl, war Meurer längst wieder weiter
— ähnlich weiter wie die moderne Malerei,
die wieder mehr, als bisher üblich, auf die
Natur zu blicken begann, und nicht mehr
nur allein aul der ^ Väter Werke«.
Es ist durchaus bezeichnend für das Vor-
gehen Meurers , für
seine pädagogische
Befähigung als Füh-
rer, daß ihm der an-
fangs gewählte Weg
des Nacheifcms,
eines mehr äußer-
Uchen Übernehmens
des Erbes der Väter,
bald nicht genügte.
— Er hatte erkannt,
daß auch die .Alten
zumeist ihre herr-
lichen Werke und
reizvollen Elemente
ihrer Schöpfungen
nicht aus der Tiefe
des Gemüts erfunden
hatten. Er fand, daß
sie ihre Schätze aus
der Natur gehoben
und es verstanden hatten
— jede Zeitepoche in
eigenartiger und cha-
rakteristischer Weise —
sie gut zu verwenden.
Dabei bildeten sie, dem
neuen Zeitgeist und an-
derer Natur-AulTassung
entsprechend, die über-
kommenen Kunstfor-
men allmählich um und
entwickelten sie weiter
— in manchen Zeiten
nicht zu unserem heu-
tigen Entzücken ! — Die
Frucht der eingehenden
Studien Meurers waren
die bekannten Werke
jPllanzcnlormen« und
»Pnanzenhildcr«. Die
Worte deuten schon an,
in welchem Umfange er das pflanzliche Ele-
ment in den Kunstformen vorfand. Reisen
nach Griechenland, Ägypten und Wanderungen
durch die .Museen der europäischen Weltstädte
brachten immer schönere und zahlreichere Be-
lege für seine Entdeckungen.
Die Herkunft architektonischer Formen
aus der Natur ist ja auch von anderen nach-
gewiesen worden. Ich erwähne nur die Namen
P)ötticher und Jacobsthal. .\berdie breite,
durch treffende Beispiele und überzeugende
Erklärungen systematisch durchgeführte Par-
allele voll glänzender Betrachtungen über Art
imd Ursachen der Umformung der Kunstformen
ist uns erst von
Meurer geschenkt
worden. Dabei hat
er in seinen Be-
trachtungen ülior
Zweck und Ursachen
dcrNatur- undKunst-
formen so entschei-
dend angeregt, daß
es nicht zu viel sein
dürfte , wenn ich
sage, Meurer ist der
Vater vieler Besitz-
stückc im modernsten
kunstgewerblichen
Regel- und Tugend-
schatz der jetzt schaf-
fenden jungen Gene-
ration und ihrer Pro-
])agatoren. Meurer
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der besten und frühesten Pioniere der neuen
kunstgewerblichen Bewegung gewesen, und er ist
noch jetzt der beweiskräftigste Anwalt und Ver-
teidiger des Strebens der schattenden jungen
Generation nach mehr Natur und weniger (io-
schichte. Trotzdem wird er von vielen Moder-
nen, die sich nicht die Zeit nehmen, selber
eine Meinung über seine Werke zu bildeü, son-
dern anderen nachsprechen, bekämpft!
Meurers monumentale Arbeit erscheint
uns gerade daduri h besonders wertvoll, daß
er uns nicht auch noch seine eigene Kunst
anbot und damit die vielen persönlichen Künste
unsrer individualistisch eitlen Zeit unnötig ver-
mehrte, sondern daß er uns statt einer Meurer-
kunst einen Weg zu der Kunst überhaupt wies
und ihn so gut ausbaute, daß die Mehrheit,
die die Arbeit einer großen Nation machen
muß, auf diesem Wege marschierend, tüchtiger
werden kann.
Meurer hat der modernen Bewegung im
Kunstgewerbe und in der Architektur einen be-
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deutenden iJicnsterwiesen, indem eralsgewissen-
halter Lehrmeister auftrat und sich bemühte,
die Nation vor oberflächlichen Studien und
zu billigen und zu schnellen Erfolgen zu be-
wahren. Die Schöpfer der breiten Mittel-
straLJe, die nicht die glänzende üabe für den
starken Tageserfolg t)esitzen, die die Lust des
schnellen Wechsels nicht befriedigen können,
führt er durch eine sorgfältige Studienweise
so, daß auch ihnen Früchte erwachsen müssen.
Zugleich bewahrt er sie vor den kunstschöp-
ferischen Kinderkrankheiten und Purzelbäumen.
Darin, daü Meurer die historisclie Kunst-
formensprache mit einer neuwissenschaftlichen
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Professor
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Naturformensprache zu verbinden versteht, —
darin hegt eine Gewähr der Dauer und
des Erfolges seiner Lehre. Hofifenthch wird
sein Werk andere anregen, die herrliche Or-
nameniik und Tektonik der arabisch mau-
rischen Welt und Indiens, von der wir noch
wenig wissen, durchzuforschen und die Her-
kunft ihrer Formen mit denen anderer St'le
und mit ihren Naturvorbildern zu vergleichen.
Ich sagte oben von dem jungen kunst-
gewerblichen Cleschlecht, daß sie nach mehr
Naiur und weniger Geschichte strebten. Aber
ganz jüngst wurde die letztere im Unterricht doch
wohl unterschätzt und sehr stiefmütterlich be-
handelt, wühl auch weil sie zu trocken und
losgelöst von Natur und Entwicklung ange-
boten wurde. Hier setzt Meurer mit seiner
belebenden und überzeugenden Vergleichs-
methode ein und versteht es zu beweisen,
da(.j Kunst und Natur eng verbunden sein
müssen und daß jede dieser beiden Welten
von jeder Zeit mit eigenen neuen Augen ge-
sehen wird !
Als Meurer auf dem Boden Roms, aui
dem kostbare Schätze der griechischen, ägyp-
tischen und kleinasiatischen Kunst mit der
Blüte aller späteren Epochen wie in einem
reichen Tejtpiche zusammengewebt sind, seine
Entdeckungen vermehrte, gründete er dort
eine Art Lehr-Seminar, indem er junge Lehrer
deutscher Kunstgewerbeschulen bei sich auf-
nahm und in seine Welt einweihte. Mit ihnen
stellte er das erste Material für die uns vor-
liegenden Werke zusammen. Bei seinem Be-
streben wurde er von der preußischen Regie-
rung in sehr dankenswerter Weise unterstützt.
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Die iii)pige Flora der römischen Landschaft
und ihre Ergiebigkeit fast während des ganzen
lahrei, und die große kunsthi.sl( irische Schatz-
kammer machten Rom für vergleichende Kunst-
und Naturstudien besonders geeignet. Meurers
Lehre und sein durch seine Seminaristen viel-
fach in deutsche Kunstgewerbeschulen ein-
gepflan/les gediegenes Naturstudium ist trotz
mancher Mißverständnisse und kurzsichtiger
Unterschätzungen, denen sie begegneten, un-
auffällig und ruhig im Wachsen und Wirken
begrifl'en. Seine Naturstudienweise ist auch
eine Art Gegengift gegen den formauflösenden
Impressionismus, der aus der Malerei herüber
kommt und in das Kunstgewerbe einzubrechen
droht, und der nur sehr beschränkt anwend-
bar sein dürfte.
Die von Meurer ausgebildete .Natursludien-
weise aber bedeutet allein schon durch
ihre zu eingehendem Beobachten zwingende
Methode, die für Zeichner und Flastiker gleich
geeignet ist, ein großes Verdienst um unsere
technischen Schulen 1 Nur die alten Japaner
hatten einen ähnlichen gewissenhaften Be-
obachtungsweg eingeschlagen. Seine Natur-
studienwcise ist die Vermählung wissenschaft-
lichen und künstlerischen Geistes. Wie er
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Schnittbilder, Auf- und Grundrisse der ganzen
l'llanze und einzelne Teile, wie er Teilungsideen,
die Lebens- und Wachsbedingungen, die Ein-
llüsse auf die Formung der Organe der Ptlanze
studiert , wie er sie von allen Seiten und
Gesichtspunkten prüft und erforscht, wie er
das ideale Miltelbild aus verschiedenen Exem-
plaren einer Pflanze herausarbeitet — das ist
Wissenschaft und Kunst zugleich ! Dieses
Studium bedeutet für das spätere Schaffen
und Erfinden des technischen Künstlers ein
sehr solides Fundament!
Wie andererseits beim Schaffensprozeß
selber wichtige Lehren aus den Werken der
früheren Schöpfer - Geschlechter gewonnen
werden können, zeigt Meurer durch seine
Methode des Erforschens der Abstammung
der Kunstform (Entwicklung~i und des gleich-
zeiligen Vergleichens der Kunstform mit der
genau erforschten Xaturform. Er geht also
beiden, der Kunst und der Natur, nach und
erforscht die Ursachen ihres Werdens.
So schließt sich der Ring des mensch-
lichen Schaffens. Der Natur geht der Mensch
nach und schafft ihr nach seine Kunstwerke,
ähnlich bildend, aber doch selbständig mit
anderer Technik, allein durch diese, durch seine
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Aufi^abe und die Erinnerung beschränkt. —
Schon allein um der Tugenden der deut-
schen Gründliclikeit, Gewissenhaftigkeit und
Logik willen, die Meurers Lehre verbürgt und
die wir bei jeglicher konkreten Arbeit erwar-
ten, ist Meurers Studienweise für uns eine
Forderung, die wir für die deutsche Kunst-
gewerbeschule aufrecht erhalten müssen.
Noch einige Worte zu dem Werke selbst.
Es erschien das Tafelwerk, meist Tafeln von
ca. 100:75 cm mit linearen Zeichnungen in
Lichtdruck und Lithographie gedruckt und
gehandelt von Albert Frisch — Berlin, Lützow-
straße 66. Preis 600 M. Das Tafelwerk
ist in erster Linie für Schulzwecke berechnet,
es fuhrt die Entwicklung des Ornamentes,
des Altertums und Mittelalters und seine \Ji-
sprungsformen (meist in der Pflanzenwelt) vor.
Das jüngst bei Gerhard Kühtmann in
Dresden- A. erschienene Handbuch »Ver-
gleichende F'ormenlehre des Ornamentes und
der Pflanze, mit besonderer Berücksichtigung
der F'.ntwicklungsgeschichte der architek-
tonischen Kunstformen« ist ein dicker Hoch-
formatband von ca. 36 : 26 : 5 cm, mit 600
Textseiten und etwa 2000 Illustrationen, zu-
meist Verkleinerungen der oben erwähnten
Tafeln, die durch Tonätiungen (nach Photo-
graphien naturalistischer Aufnahmen") ergänzt
sind. Preis des Bandes 60 M.
Das Handbuch ist zugleich der Führer
durch das Tafelwerk. Es ist aber, da die
Tafeln darin verkleinert enthalten und durch
neue Bilder reich vermehrt sind, völlig' selbst-
ständig benutzbar und für den Privatgebrauch
praktischer. Dem Architekten, Kunstgewerbler
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und Kunstgclehrten wird
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und Anreger sein. Das
Handbuch will nicht Bei-
spiele geschichtlicher
Ornamente geben, son-
dern durch Vergleiche
der wichtigsten Orna-
mentiypen der Xer-
gangenheit mit ihren
Abstamniunusrormen die
Entwicklung von Kunst-
formen und den Schaf-
fensprozi'ß des erfmden-
den Künstlers aufhellen.
Es werden die Urformen
vieler Typen gezeigt und
besprochen und die L'm-
bildungseinfiüsse nach-
gewiesen und veran-
schaulicht. Daraus er-
geben sich von sel-
ber mannigfache Anreg-
ungen und Winke für
den bildenden Künstler,
wie in unseren Tagen
weiter zu entwickeln ist.
— Meurer beweist auch,
daß Erfindungen undUm-
wantllungen der Kunst-
formen nicht allein aus
dem freien Entschlüsse
einzelner Künstler ent-
sprangen, sondern daß
sie aus gemeinsamen
religiösen und sittlichen
r.egriffen entsprossen,
teilweise eine Art Sym-
bolik des ganzen Volks-
empfindens und Denkens
darstellten, eine Sprache,
die auch der Laienwelt
durchaus verständlich
war! Das erklärt die
einheitlichere und anhal-
tendere frühere Formen-
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spräche — während unsere uneinheitliche ex-
perimentierende noch stark persönUche Kunst-
sprache (besonders die dekorative), die Zer-
rissenheit der rehgiösen, partikularistischen,
sogar subjektivistischen Denkweise unseres
Volkes und unsere verschiedenen sittlichen
Überzeugungen widerspiegelt. Solange uns in
der Nation in dieser Beziehung kein einheit-
liches Denken durch Unterricht und Sitte
erblüht , ist wohl auch von den Künstlern
nicht der nationale Stil zu erwarten.
Einzelne Kapitel Meurers in dem Hand-
buche sind von besonders aufklärender Kraft.
Zum Beispiel jenes über die Entwicklung der
Palmette und ihrer Umbildung der jonischen
Kapitälvolute, die er aus ägyptischen Pflanzen-
fornien ableitet. Glänzend ist das Kapitel über
einzelne keramische Formen und ihre ent-
sprechenden Pflanzenblüten, insbesondere die
Rankenhenkel der griechiFchen Kratergefäße.
Schlagend wirkt die Analogie von dem Blätter-
und Blütenschniuck der altägyptischen Men-
schen und der Übertragung dieser Schmuck-
formen in die Malerei und in das Relief an
entsprechende Glieder der .'\rchitektur. (Stirn-
binden — Architrav- Dekorationen, Hals-
schmuck — Säulenhalsomamentik usw.)
Ebenso belehrend ist der Abschnitt über
die Pflanzensäule der Ägypter und die Schmuck-
säulchen der Pompejaner, über die Araceen
in der persisch indischen, und die Farne
untl farnähnliche Bildungen in der gotischen
Architektur.
Nicht vergessen sei die Unterstützung, die
dem tiefgehenden Werke Meurers durch den
Staat zu teil wurde und der erfreulichen
und verdienten Schätzung, die es Feitens
verschiedener Ministerien erfuhr, die das
Tafehvcrk und das Handbuch in großer
Zahl für ihre technischen Schulen erwarben.
Eine gute Kapitalanlage für die Nation !
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Die Natur maclit nidits Inkonfequentes. lede
Oeftalt, fie fei fcliön oder häßlich, hat ihre Lirfache,
von der fie beltimnit wird, und unter allen orga-
nifchen Naturen, die wir kennen, ill keine, die
nidit wtire, wie fie lein kann. Goethe.
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Über die Fragen:
Ist eine Form,
welche ihren Zweck in
vollivommenster Weise
erlüllt, aber auf alles
schmückende Heiwerk
verzichtet, schön? und:
Ist das Ornament nicht
im Grunde genommen
eine störende Beigabe,
auf die eine ideale
Kunst verzichten sollte r
hat man seit alters
gestritten. Vielleicht
gelingt es mir, dem
Problem mit Hilfe der
»Harmonie des Kon-
trastes« näher zu kom-
men. — Harmonie
des Kontrastes nenne
ich eine neue Theorie
über das Wesen des
Schönen (nicht der
Kunst) , welche auf
zwei Tatsachen fußt:
zum ersten, daß aus
dem zeitweiligen Ruhe-
bedürfnis unserer Sin-
nes-( )rgane und Gei-
steskräfte ein Trieb
nach Wechsel der Ein-
drücke hervorgeht, zum
andern , daß geistige
Tätigkeiten , die wir
schon einmal ausgeübt
haben und solche, die
mit andern, uns schon
geläufigen, in Wechsel-
beziehung stehen, sich
in unserm Hirn be-
sonders leicht voll-
ziehen. Aus diesen
Tatsachen ergibt sich,
daß wir als angenehm überall den Wechsel von
Eindrücken empfinden , daß aber die zu den
geistig bereits verarbeiteten Eindrücken sich
hinzugesellenden, kontrastierenden, uns an sich
nicht neu zu sein brauchen , um eine ange-
nehme Wirkung zu erzeugen, ja, daß wir es
sogar als besonders angenehm emjifinden,
wenn wir in dem kontrastierenden Ein-
drucke Bekanntes, uns bereits Lieba:ewordenes
2J4
wiedererkennen oder
wenn der neue Ein-
druck mit dem alten
durch geistige Brücken,
über die hinweg wir
den neuen schnell und
leicht aufzufassen ver-
mögen, verbunden ist.
Eindrücke , die diese
Bedingungen erlüllen
und von unseren vor-
nehmsten Sinnesorga-
nen, Auge oder Ohr auf-
gefaßt werden, nenne
ich schön. Wenn ich
von Kontrasten , als
welche ich unter Um-
ständen schon die
feinsten Nuancen von
Tönen, Größen, Rich-
tungen usw. bezeichne,
und von geistigen Brük-
ken, d. h. von gegen-
seitigen Beziehungen,
rede, so denke ich
dabei nicht nur an
das Zusammenwirken
der Einzelteile des
als schön erkannten
Gegenstandes, sondern
auch an dessen Ver-
hältnis zur Umgebung,
zur Zeit seiner Ent-
stehung, zur geistigen
Beschaffenheit des Ge-
nießenden und an vie-
les andere. Je feiner
die Kontraste und die
vorhandenen Bezieh-
ungen gegeneinander
abgewogen sind , für
um so schöner halte
ich einen Gegenstand.
Die Schönheit liegt
nach der Theorie von
der Harmonie des Kon-
trastes also in dem an-
gemessenen Verhältnis des Neuen zum Alten,
sie erstreckt sich auf Form und Inhalt, auf
Natur und Kunst, sie liegt zugleich im Gegen-
stand selbst und im Intellekt des Menschen.
Kehren wir nach diesen nur andeutenden
Vorbemerkungen zu den eingangs aufgewor-
fenen Fragen zurück !
Wenn alle Teile eines Gegenstandes sich
bezüglich der Form ihrem Zwecke vollkommen
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anpassen , fordern sie uns
zum Gebrauche geradezu
heraus. Der runde Stiel
einer Schaulei ruft uns
»förmlich« zu: i l'asse
mich an!« ihre glatte,
eiserne Fläche : ^Schneide
mit mir die Erde auf!«
Ein Gefäli sagt uns: ^Ich
bin ein Hohlraum zum
Fassen einer Flüssigkeit ,
und der Griff eines Schlüs-
sels: »Ich bin rund, da-
mit ich dir nicht wehe tue,
damit du dir die Tasche
nicht zerreißt, wenn du
mich einsteckst, ich bin
breit, damit du mich leicht
herumdrehen, ich habe eine
uToße Öffnung, damit du
mich leicht aufhangen
kannst' . Durclrdiese deut-
liche Sprache , die sie
reden, erleichtern es uns
die Gebrauchslormen, sie
geistig zu erfassen. Ihre
Geberdesprache wird uns
um so verständlicher , je
häufiger wir ebendieselben
Grimdformen in Verbin-
dung mit ebendemselben
/.wecke antreffen. Diese
/.weckformen erfüllen da-
her durch ihr bloßes Da-
sein die eine Hälfte der
Forderungen, welche ich
an das Schöne stelle,
sie sind für uns das ^Be-
kannte'. — Nun fordert
aber die Harmonie des
Kontrastes außer dem Be-
kannten noch etwas Neues,
Eigenartiges, wodurch der
Gegenstand sich von einem
andern, zur Erfüllung des
selben Zweckes geschaffe-
nen, unterscheidet. Dieses
Neue. Eigenartige, kann bei Gebrauchs-
gegenständen vornehmlich auf dreierlei Weise
erzielt w^erden: 1) durch Variieren der Ge-
samtform innerhalb der (Jrenze des Zweck-
mäßigen, 2) durch Wechsel des Materials,
dadurch z. B., daß wir ein Trinkgefäß das
einemal aus Glas, das anderemal aus Holz,
Steingut, Porzellan, Zinn, Silber, Gold, Kristall
oder sonst einem Stoffe herstellen, oder 3) da-
II
durch, daß wir, wenn der
Zweck mehr oder weniger
gebieterisch immer wieder
dasselbe Material fordert.
^^^ die Obirtläche dieses Ma-
J^^^^ lerials durch Zutaten, wie
i^^^ l'arbe. Einritzungen, Re-
liefs, Atzungen, besondere
Art des Geflechtes und
dergl. variieren. Diese
Variationen, die in einem
gewissen Gegensatz zur
reinen Zweckform stehen,
I , ohne doch den Zweck
ß. ^L zu beeinträchtigen, bilden
i^H^ eben das, was man ürna-
y ment nennt. — Die Be-
deutung dieses Ornamen-
tes als Bestandteil eines
auf Schönheit Anspruch
machenden Gebrauchs-
gegenständes wächst hier-
nach in demselben »Maße,
in welchem die Zahl der
verschiedenen Materialien,
A unter denen wir bei Her-
stellung eines Gebrauchs-
gegenstandes wählen kön-
nen , und die Zahl der
«Variations - Möglichkeiten
der Gesamtform sich ver-
ringert. Das .Möbel z. B.,
^"-\ bei dessen Herstellung wir
^ zwischen Plünderten von
verschiedenen Hölzern
wählen können und bei
dem eine außerordentlich
große Zahl von Variations-
möglichkeiten der Gesamt-
form vorliegt, bedarf des
Ornamentes in viel ge-
ringerem Maße als der
Teppich, bei dem eigent-
lich für Wohnzimmer nur
Wolle in Frage kommt.
Es würde eine unerlräg-
liehe M<jnotonie entstehen,
wollte man bei Tepijichen ein für allemal auf
das Ornament etwa zu gunsten nur soge-
nannter glatter, durchgehender Farben ver-
zichten. Bei einem Fahrrade, wie überhau])t
bei den meisten Maschinen , wird dagegen
der Harmonie des Kontrastes vollauf Genüge
getan einerseits durch die überaus zweck-
mäßige Ausgestaltung aller Teile, anderseits
durch den reichen Wechsel zwischen glänzenden
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lind nicht glänzenden, lackierten und nicht
lackierten Teilen, zwischen Holz, Metall, Leder
usw., durch die meist sorgfäTtis; gewählten Pro-
])ortionen, durch das sehr häufige Vorkommen
mathematischer Kurven (die an sich schon schön
sind, weil jeder ihrer Teile Richtungswechsel
bei Stetigkeit in der Befolgung eines mathemati-
schen Gesetzes zeigt), durch radial-symmetrisch
angeordnete Teile, wie Zähne, Speichen, durch
rhythmische Reihungen, wie Kettenglieder,
durch die Regelmäßigkeit und Exaktheit der
wirklichen Bewegungen in bald sich drehender,
bald hin- und hergleitender Richtung usw.
Eine Hinzufügung von Ornament im eigentlichen
Sinne würde hier bei der schon so großen
ästhetischen Wirksamkeit all der genannten
Elemente mehr schaden als nützen.
Noch zahllose andere Erwägungen bestim-
men das Verhältnis des Ornamentes zur Zweck-
form. Es sei auf nur einige der in Betracht
kommenden Umstände noch hingewiesen. '
Da das Ornament unser Auge und Geist
stärker in Anspruch nimmt als schlichte,
ruhige Flächen , so sind reiche Ornamente
bei Dingen, die wir nur selten und nur kurze
Zeit zu erblicken pflegen, erträglicher und
angebrachter als bei Dingen , die wir oft
und lange zu betrachten gezwungen sind,
farbige Glasfenster befriedigen uns aus diesem
Grunde auf Korridoren, die nicht zum stän-
digen Aufenthalt dienen, mehr als im Wohn-
zimmer, wo sie auf die Dauer unausstehlich
würden. Die Natur gibt uns hier das beste
Vorbild. Sie stattet den flüchtigen Regen-
bogen, den Sonnenauf- und Untergang, die
kurzlebige Blüte uud den Schmetterling mit
einer Farbenpracht und ornamentalen Mannig-
faltigkeit ohnegleichen aus, aber überzieht den
.Mittagshimmel, die Oberfläche des Meeres,
die weite Steppe, Wiese, Feld und das
Laubgewand der Bäume mit gleichförmigen,
meist gebrochenen und wenig aufdringlichen
Farben.
Zum Schluß noch ein Wort über das Ver-
hältnis des Ornamentes zur Würde des Gegen-
standes. Man kann ohne weiteres einen Salz
Ruskins, der sich auf das Pathos in der Dich-
tung bezieht, auf das Ornament übertragen :
»In eben dem Maße als die Empfindung edel
ist dort, wo sie durch die Größe ihrer Ver-
anlassung gerechtfertigt erscheint, in eben
dem Maße ist sie unvornehm, wo nicht Ver-
anlassung genug für sie vorhanden ist« (Eugen
Diederichs'sche Ausgabe, Band 13 S. 210).
1 )as heißt reicher Schmuck ist weniger an-
gebracht, wo es sich um Dinge für die ge-
wöhnlichsten Zwecke handelt als dort, wo
ein großer Zweck, ein würdiger Inhalt äußer-
lich durch eine entsprechende Form zum
Ausdruck gebracht werden soll. Ein Tempel
verträgt neben edleren Gesamtformen auch
einen reicheren ornamentalen Schmuck als
ein Güterbahnhof. Mit Recht stattet man
einen Thron anders aus als einen Schaukelstuhl.
Nach alledem dürfte es klar sein, daß es
ebenso töricht wäre, das Ornament als etwas
Störendes ein für allemal zu verdammen, als
auch, es wahllos überall anzubringen. Des
Künstlers Aufgabe ist es, in jedem beson-
deren Falle das Ornament mit der Zweck-
form in Einklang zu bringen, es bald mehr,
bald weniger in den Vordergrund zu rücken.
Im richtigen Abwägen dieses gegenseitigen
\'erhältnisses liegt ein großer Teil dessen,
was man stilistisches Taktgefühl nennt. —
»ESSAU. OTTO SCHEFFERS.
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IMITATION UND SURROGAT.
VON KARI. HEINRICH OTTO.
Imitalioii und Surrogat, Nachalimuiig und Ersatj,
sie sind immer noch lockend und Gewinn ver-
heißend, sie werden immer noch gesucht und
angewandt wie bereits vor lausenden von
Jahren. Unsere Ästhetiker sind Imitationen und
Surrogaten stets scharf zu Leibe gegangen.
Häufig mit Recht, aber sehr oft auch ohne jeg-
liche Berechtigung. Seitdem das Glas erfunden
ist, hat man versucht, Edelsteine nachzumachen;
seit bei uns die erste Tasse Kaffee getrunl<en
wurde, hat man nach Ersat3mittelM gesucht, seit
der Tabak seine Liebhaber fand, hat man nach
einem billigen Ersatjkraul gefahndet. Imitation
und Surrogat waren stets Bundesgenossen, die
eine wird oft von dem andern bedingt, und so
sehen wir sie häufig an einer Sache. - Wir tun
oft nicht klug daran, gegen Imitation und Surrogat
als sogenannte Unlauterkeiten und Minderwerte zu
Felde zu ziehen. Es kommt doch ganz darauf an,
ob sie immer die Absicht haben, uns zu hinter-
gehen, uns Schein und Täuschung für Wahrheit zu
bieten! Das ist nicht immer der Fall. Früher
haben kluge Hausfrauen auch die Baumwolle für
ein Surrogat gehalten, das Wolle und Leinen er-
set)en sollte. Und doch hat die Baumwolle wieder
ihre eigenen Vorzüge, die Qualitätsfragen für
Wolle und Leinen stark beeinflussen; sie steht
ja völlig in der Mitte, unabhängig und selbständig
für sich, daf5 sie der beiden andern gar nicht
bedarf. - Imitationen und Surrogate werden
erst da und dann gefährlich, wenn sie absicht-
lich für Fälschung und Täuschung herangezogen
werden, also betrügerischen Absichten
dienen. An sich läßt sich aber Imitationen
sowenig wie Surrogaten die Berechtigung an-
gemessener Verwendung absprechen. Es scheint
mir geradezu töricht, zu sagen, man solle sich
ihrer gezwungenermafien nur in Notfällen be-
dienen; denn es gibt auch Imitationen, denen
man keineswegs den Vorwurf machen darf, sie
sollten etwas anderes geben, als sie in Wirklich-
keit sind. Ich erinnere nur an die Stuckantrag-
technik, an die Technik des stucco lustro, an
bronzierten Gips und ähnliches, die uns doch
klar zeigen: welches Material sie bergen und
was sie demgemäj^ auch der Technik nach nur
sein können. Ich erachte jede Imitation und jedes
Surrogat für statthaft, die in uns keinen Zweifel
darüber lassen, was sie ihrem Wesen nach in
Wirklichkeit sind. Wie viele Ästhetiker haben
sich schon über bronzierte Gipsfiguren aufge-
regt. Aber weshalb muf^ man hier tadeln.
Eine bronzierte oder irgendwie getönte Figur
ist doch praktisch besser und ästhetisch wohl-
tuender, als eine sehr bald verschmut5te weige.
Hier liegt doch gar keine Täuschung vor; wer
würde denn glauben, hier auch nur an echte
Bronze zu denken! Auf der andern Seite aber:
wie viele Gelehrte und Kunstfreunde haben antike
Plastiken in guten Abgüssen in Mengen auf-
gestellt, die in naturgetreuer Auffärbung und
Patinierung möglichst den Originalen gleich
kommen sollen. Ich halte das für sehr verständig,
denn der Unterschied zwischen einem weij^en
Gipsabguß und dem Original einer antiken Bronze
ist doch wie Tag und Nacht. Das gilt auch für
Marmorplastiken, alte Holzschnitjereien, Majoliken
(von Robbia) die man in guten Kopien in den
Handel bringt. Sehr mit Recht, weil hier doch
talsächlich die Imitation nur als gute Neben-
erscheinung der getreuen Wiederholung eines
wertvollen Originals an einem - allerdings —
wertlosen Surrogat auftritt. An eine Fälschung
würde hier vernünftigerweise niemand denken.
Geben wir ein (iegenbeispiel, das, lediglich
auf anderem technischen Vorgang beruhend, häufig
in der Nachahmung, in der Wiederholung die
Fälschung, den Betrug als Endabsicht hat: das
kopierte Bild, nach irgend einem großen Maler,
mit künstlichen Schäden und dem vollen Signum
des Originals. Hier wird kopiert, imitiert und
damit eben künstlich der Anschein des „Alters"
erweckt, also gefälscht. Wenn wir ein „goldenes"
Kirchlurmkreuz oder einen „goldenen" Kirchturm-
knopf in der Sonne blinken sehen, so denken wir
keineswegs an einen Goldschmied; wir wissen
sehr wohl, daß hier gar keine Absicht auf
Täuschung besteht, denn das Kreuz ist aus
Schmiedeeisen und der Knopf ist aus Kupfer,
beide sind vergoldet worden aus Gründen der
Wirkung und der Witterung. Mit vielen kupfernen
Kelchen des Mittelalters, die nur vergoldet sind,
ist es ähnlich bestellt; Form und Technik verraten
das Kupfer; um den Grünspan fernzuhalten, hat
man es vergoldet. Kein Mensch denkt an Täuschung
oder gar an Betrug. Das Wort Imitation um-
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die Grundabsicht klar erkannt wird. Werden z. B.
aus irgend einem festlichen Anlaf'i auf einem
Pla^e im Zusammenhange mit der Festdekoration,
unter Zuhilfenahme von Holzeinbauten und Sack-
leinenbespannung große Monumental-Gruppen in
drei Tagen aufgerichtet, so wird es niemand ein-
fallen, hier, selbst wenn die Farbe das vor-
täuschen sollte, an Stein und Bronze zu glauben.
Bei den Riesen-Dekorationen mit farbigen Papier-
blumen wird wiederum niemand an die Natur
denken wollen, und doch handelt es sich in beiden
Fällen um Imitationen in gutem wie schlechtem
Sinne. — Die Imitation wird erst zu einer
Schreckenssache, wenn sie z. B. sich in ge-
strichenenSandstein-Ouadern an schmiedeeisernen
Pfeilern zeigt, erzielt durch Ölfarbenanstrich in
Steinton mit weißen Fugenlinien. Wir haben das
tatsächlich gehabt. Das ist natürlich mehr als
unästhetisch, widersinnig; — das ist lächerlich,
wenn dann in den gestrichenen Steinquadern die
Nietköpfe des Eisens sichtbar werden. Oder wir
machen den Verstoß , in einer Putjfassade den
Haustein-Bau vortäuschen zu wollen. Selbstver-
ständlich ist gegen eine Putjfassade, auch gegen
die reichste, nichts einzuwenden, wenn sie uns
erkennen läßt, es mit Stuck zu tun zu haben.
— In gleichem Sinne ist auch der Holzanslrich
an sich nicht verwerflich, er wird es erst, wenn
er so raffiniert und sklavisch durchgeführt wird,
um eine andere Holzart, meistens eine edlere als
die durch den Anstrich verdeckte, vortäuschen zu
sollen. Hier denkt der „Maserkünstler" tatsächlich
an eine Vortäuschung und vollzieht einen Betrug,
der vor einem Gericht von Ästhetikern strafbar
sein würde. Dasselbe gilt natürlich auch in gleichem
Sinne von der Marmorimitation, kurz für alle Imi-
tationen, die unter allen Umständen den Schein
des Echten über das Surrogat hinaus wahren
sollen. Daß dagegen heftig gekämpft wird, ist
durchaus berechtigt. Es liegt gar kein Grund und
keine Notwendigkeit vor, hier zu imitieren, denn wir
bedürfen an solchen Stellen auch des „Scheines"
nicht, weil wir auch einem minderwertigen, sonst
aber gutem Material wie dem Tannenholz oder
der geput3ten und geschliffenen Wand auf bessere
Weise stilistisch gerecht werden können. Auch
das Backsteinmuster auf einer gestrichenen Wand
hat keine Berechtigung; ein Schablonenmuster
oder dergleichen ist besser am Platje. - Das
alles gilt auch für die Imitierung schmiedeeiserner
Gitter durch Gußeisen, von Holzschni^ereien durch
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AUS EINER SERIE STÄDTE-BILDER DER WIENER WERKSTÄTTE.
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BÄÜEfiN AUS DEM ER-NTEFEST
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Sieinpappe oder angestrichenen Zinkjjufi , des
Smyrnateppichs auf Linoleum usw. Auch hier ist
die Absicht vorherrschend: mit der Imitation
ein Surrogat zu decken. Gußeisen, Linoleum
u. a. m. haben nun aber so hohe Eigenwerte,
- sie sind zunächst nicht einmal Surrogate -
da|^ sie irgendwelcher Bemäntelung gar nicht
bedürfen. — Auch gegen die Mehrzahl eigentlicher
Surrogate rein stofflichen Charakters ist gar nichts
einzuwenden, wenn sie sonst nicht täuschen sollen
und über Materialeigenschaften verfügen, die ihrer
Verwendungsart gerecht werden. Es gäbe kaum
ein Material, das man - wenigstens der Erschei-
nung nach — nicht vollwertig stofflich zu ersetjen
vermöchte. Aber, braucht denn ein Lederersat)
unbedingt eine Ledernarbe zu zeigen, um seine
Güte zu dokumentieren? Dann kann irgend ein
lineares Motiv aus einem Moose, einer Flechte
und ähnlichem eben so gut die monotone Fläche
beleben. Auch die Papiertapete als angebliches
Surrogat für stoffliche Wandbespannung, was sie,
nebenbei gesagt, gar nicht ist und nicht sein kann,
bedarf nicht der Täuschung durch Webeeffekte;
sie kann getrost bedrucktes Papier bleiben, das
nicht zum Bespannen - wie der Stoff - sondern
zum Bekleben der Wände dient. Auch dem künst-
i»o«. X. s.
liehen Holz braucht man keine Maser, dem künst-
lichen Stein keine künstliche Struktur zu geben.
Für alle Surrogate bleibt das vorangestellte
Wort „Kunst" von gröf^ter Entwertung. Wozu
„Kunstleder", „Kunstholz" usw.! Das gute Surrogat
ist doch ein total neues Produkt, das unter Um-
ständen ganz anderen, oder sogar besser gleichen
Aufgaben dienen kann, wie das ursprüngliche
Material, das es erset3en soll. Und wenn dann
für neue Bedingungen das Surrogat am rechten
Plat5 ist, dann mag es sein was es wolle und
heifien wie es wolle, es wird sich als ein neuer
Werkstoff ebenbürtig einreihen lassen, wenn er
in allem das ist und das zu erfüllen vermag,
wofür er bestimmt ist. Denn die ungeheure
Preissteigerung der natürlichen Rohstoffe bedingt,
daf; wir uns der Erfindung neuer Ersat3stoffe,
neuer Surrogate zuwenden. Wer hätte noch vor
zehn Jahren gedacht, daf; die Bauweise in Beton,
der ganz neue Konstruktionsprinzipien nut5bar
gemacht werden mufjten, von so gewaltiger Trag-
weite in unserer modernen Baukunst werden sollte.
Man gebe also auch der Imitation und dem
Surrogat künftig vorurteilsfrei ihr Recht, wenn
sie ästhetisch, materiell und moralisch eine ein-
wandfreie Verwendung gewährleisten! — o.
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AUS RUDOLF VONLARISCH: UNTERRICHT IN ORNAMENTALER SCHRIFT. II. AUFLAGE.
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PAUL BÜRCK-MÜNCHEN.
RADIERUNG: - FRÜHLING
PAUL BURCK MUNCHKN.
Gemälde: »Parkweg«.
PAUL BÜRCK-MÜNCHEN.
\^or zehn Jahren berichtete die »Deutsche
Kunst und Dekoration« zum ersten Mal
über Paul Bürck. Damals war der Künstler
ein Zwanzigjähriger, und kluge Leute fürch-
teten, ein so ungewöhnlich Frühreifer werde
nur allzubald das Ende seiner Entwicklung
erreicht haben. Und als Bürck ein Jahr
darauf in die Darmstädter Künstler-Kolonie
berufen worden und dann bald den Strom
der Besucher, die zu der Ausstellung der
» Sieben c nach Darmstadt wallfahrteten, durch
kecke Leistungen am Eingangstor verblüffte,
da schüttelte Mancher das Haupt über das
ungebärdige Wesen des Jünglings und prophe-
zeite, daß solcher Sturm und Drang unmög-
lich ein gutes Ende nehmen könne.
.\ls aber im Jahre 1903 die »Deutsche
Kunst und Dekoration« wieder einen Über-
bhck über die Kunst Paul Bürcks gab, da
mußte jeder, der Augen hatte, zu sehen, ein-
gestehen, daß eine überraschende PLntwick-
lung in dem Künstler vorgegangen war und
daß alles in seiner neuen Kunst davon sprach,
daß die Entwicklung noch manche Stadien
weiter gehen werde. Damals konnte gesagt
werden, daß Bürck sich nicht mehr durch
jede interessante Überfläche zum Fabulieren
begeistern lasse, sondern daß es ihm ein Be-
dürfnis geworden sei, dem Wesen der Dinge
nachzugehen, in die Tiefen zu graben, bei
der Beobachtung des Lebens ein rechter
Naturforscher zu werden.
Das war vor sechs Jahren. Und heute r
Bürck hat inzwischen eine ungewöhnlich er-
folgreiche Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbe-
und Handwerkerschule in Magdeburg absol-
viert, ist dann zur allgemeinen Überraschung
auf drei Jahre nach Rom gegangen und ist
jetzt in die Stadt seiner Jugend, nach
München zurückgekehrt.
Voller Spannung warten die Bewunderer
der Kunst des Jünglings auf die l^eistungen
des .\rannes. Hat der Romfahrer gehalten,
was der Jüngste der Darmstädter Künstler-
ISKW. \l. 1.
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Pmtl Bürck— München.
I'AUL BURCK-MU^'CHEN.
kolonie, was der Lehrer der Magdeburger
Schule versprochen hatte? Oder hat die ewige
Roma auch diesmal, wie so olt schon, das
deutsche Blut verwälscht?
Das vorHegende Heft sucht auf sulche
Fragen die Antwort zu geben.
Als Bürck nach Rom zog, tat er es mit
dem Skizzenbucli in der Hand. Und es
dauerte nicht allzulange, da erzählte er den
Freunden seiner Kunst in Federzeichnungen
von den künstlerischen Erlebnissen der Reise.
Überrascht blickten die Zurückgebliebenen
auf diese Blätter der »Reise nach Rom-.
War das Paul Bürck 'i Wie altmeisterlich
wirkte sein Stricli ! Man dachte unwillkürlich
an Kujiferstichwerke des 18. Jahrhunderts.
Hatte der Künstler sich selbst entfliehen
wollen und sich zunächst in eine Welt gerettet,
die der eigenen so fern wie möglicli war?
Es fiel einem das Wort Goethes ein, daß man,
um sich selbst zu finden, gut tue, sich zu-
nächst so weit von sich selbst zu entfernen,
wie es nur irgend möglich sei ; kehre man
dann langsam zum Ausgangspunkt zurück,
dann erkenne man sein eigenstes Wesen und
dessen eigentlichste Ziele klarer und tiefer.
Hatte Bürck nach solchem Rate gehandelt?
Gemälde: s Bäume bei Abend«
— Man kann mit ruhiger Sicherheit antworten:
Nein! Man prüfe einmal daraufhin die Blätter
der Romreise ein wenig gründlicher, man
beachte die Strenge der Konturen, die Wucht
der Gegensätze von Licht und Schatten, das
.Vuswiegen der Massen , und man beobachte
gleichzeitig die Schärte der Charakteristik im
einzelnen. Das ist mit modernen Augen ge-
sehen , und zwar eben mit den Augen Paul
Bürcks. Denn hier finden wir den alten deko-
rativen Sinn des Künstlers und dazu die natur-
wissenschaftliche Exaktheit seiner Magdeburger
Zeit. Aber beides erscheint gesteigert. Das
Dekorative ist großzügig geworden, und in der
Gewissenhaltigkeit der Beobachtung spricht die
Andaclit emer tiefen Pietät. Das aber bringt
in die kleinen Bijder der Romreise einen Zug
des Feierlichen, der befremdet, gerade bei dem
leidenschaftlichen Bürck befremdet. Man über-
setze sich aber in Gedanken diese Radierungen
in Wandbilder, und man wird nicht mehr von
reden, sondern wird sich
Wucht dieser römischen
« Altmeisterlichkeit«
der monumentalen
Bilder freuen.
Nicht viel anders wird es einem vor dem
Bildchen »eine Mutter« gehen, das einem
Zyklus »Italienisches Volksleben« angehören
252
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Paul Bürck— München.
PAUL BURCK-MÜNCHEN.
wird. Wieder möchte man im ersten Augen-
blick an Meister der Vergangenheit denken,
diesmal an die deutschen Künstler aus dem
Anlang des 19. Jahrhunderts. Aber bald
merkt man, wie sehr Bürck auch hier ein
Eigener ist. Wie er das schwere Dreieck
der Gruppe vor die reich belebte Horizontale
gelegt hat, wie er die vielgliedrige Silhouette
der Stadt im Gegensatz zu der ruhigen Fläche
der Mauer bringt und wie er schlielilich das
massive Dreieck der Familiengruppe mit unend-
lichem Reichtum der Linien füllt und ihr
dennoch die sonnige Ruhe zu erhalten weiß,
das ist für denjenigen, der Sinn für solche
Dinge hat, von höchstem Reiz.
Und es offenbart uns zugleich, wohin die
Entwicklung Bürcks weist: zur monumentalen
Gemälde : Aus Villa Strohl Fern Rom.
Malerei, aber zu einer monumentalen .Malerei,
die sich nicht an dem Aufteilen einer Fläche
in Linien und Massen genügen läßt, sondern
die diese Linien und Massen mit reichstem,
erdgeborenem Leben füllen möchte.
Der dekorative Sinn ist in Bürck wieder
an die erste Stelle gerückt, aber er stellt sich
höhere Probleme als einst. Und er sucht
den mächtig entwickelten naturwissenschaft-
lichen Sinn für seine Zwecke auszunutzen.
Der aber fühlt seine Kralt und will nicht
immer Diener sein. Da entstehen dann bis-
weilen eigenartige Kämpfe, deren Beobachtung
für den Ps}'chologen von höchstem Reiz ist,
die aber den Bildern zum Nachteil gereichen.
So z. B. , wenn sich die Bewegung eines
Armes, die Geste einer Hand dem Rhythmus
254
> ._ . ;, -s ,
. BfRCK. 09
<»*/»
\ 1. m KCK MLM III
KADltRUNG : llKlI'il'l IM SlIIMt
RAlilERUNt; ; MAR/.ABENI)
Theodor Volhelir
PAUL BURCK MÜNCHEN.
einer Linie unterordnen soll und doch jeder
Muskel, jeder Finger mit anatomischer Ge-
wissenhaftigkeit gezeichnet ist. Da kann es
denn kommen, daß eine Bewegung pathetisch
oder unverständlich wirkt oder daß der große
Zug einer Linie jäh unterbrochen wird. Die
Einfachheit des monumentalen (".edankens und
die Kompliziertheit des menschlichen Körpers
stehen sich z. B. in den Äsen des Wand-
bildzyklus wie unversöhnliche l'einde gegen-
über. Dabei ist die Gestalt der schlafenden
Erda, die aus Urnebein aufsteigt, bereits von
einer wundervollen inneren Größe. Dieses
Ringen der zwei Seelen in der Brust des
Künstlers kann man aber nur dort beobachten,
wo es sich in seinen Werken um figürliche
Kompositionen handelt.. Auf dem Gebiete
der Landschaftsdarstellung ist der Kampf
bereits beendigt. .
Gemälde: »Trafoigletscher«.
Meisterhch in ihrer flächigen Stilisierung
und in ihrer absoluten Wahrhaftigkeit sind die
Radierungen Gehöft im Schnee« und
»Märzabend« (in der verkleinernden Repro-
duktion kommen naturgemäß die technischen
Feinheiten nicht zur Geltung). Und in den
Darstellungen der Welt der Gletscher weiß
man in der Tat nicht, was man mehr be-
wundern soll, die Feinheit der physiologischen
Charakteristik des Hochgebirges oder die
Großheit der Anschauung. Sie haben trotz
des reichen Details die Einfachheit und die
Größe der gewaltigen Natur. —
Wenn man starke Talente daran erkennt,
daß sie unaulhaltsam an sich arbeiten, daß
sie sich nicht an dem einmal erworbenen
Lorbeer genügen lassen , dann ist Paul
Bürck ein starkes Talent. Einem starken
Talente gegenüber aber gilt vor allem das
256
Pnttl ßütrk—jMihic/ieti.
Wort, daß es in seinem dunklen Drange sich
des rechten Weges bewußt ist. Man hat vor
Jahren bedauert, daß Bürck seinen Anfangen
untreu geworden sei, daß er der kunst-
gewerbUchen Schmuckkunst den Rücken ge-
gewandt habe und »Stafi'cleikünstler' ge-
worden sei. Heute wird man einsehen, daß
er sich selber im höchsten Sinne treu blieb,
als er suchte, die Grenzen seiner Kunst zu
erweitern. Denn wir sehen, wie er innerlich
zur Schmuckkunst zurückkehrt, jetzt aber zu
der großen monumentalen Schmuckkunst, die
uns festliche Räume weihen soll. i h. volhehr.
Diistedinirche WilTen und Können ill iillei, ciber
yciiKlc diH will kein HenMi (lUuiben. Mdu will
lieber an etwiis Aiilieiordcntlidies, an etwiis Über-
iueiifctilid\es ciluuben, iih fidi der Wirklidikeit fügen.
Todinifdies Wilfen. Iiingf.imc und überlegte Arbeit,
Aü\ Hellt ndtürlidi nidit l'o fdiön cuis wie Infpiriitlon,
dcis in.idit weniger Effekt ; aber dodi find liier die
einzigen Grnndl.igen der Kunlh Augufte Rodin.
Gefegnet fei die Stunde, die midi Herr der
Tedinik werden lieH, um jet,! dem Geilte unbeirrt
n.idigclien zu können. Anl'elni peuerbcidi.
l'AUL Bi RlK Ml .NCHEN.
K.nliciunt^ ; *Kin^.iiakcit «. (Selbstverlag.)
PAUL BURCK- MÜNCHEN.
GemUlde: »Suldengletscher«.
FARBEN-WIRKUNGEN.
VON DR- EMIL UTITZ— PRAG.
Jede Kunst stellt etwas dar, drückt etwas aus;
sie tut dies mit den ihr eigentümlichen
Mitteln. Und ein solches Kunslmittel sind
die Farben. Wir wollen uns nun die Frage
vorlegen: welche Wirkungsmöglichkeiten liegen
in den Farben? welche Zwecke können sie
erreichen? welche verschiedene Anwendungs-
weisen zeigen sich als möglich V
In neuerer Zeit wurde immer häufiger und
immer nachdrücklicher die Abhängigkeit der
Kunst von ihrem Material betont, das nicht
bloß die Erscheinungsform bestimmt, sondern
auch auf die Wahl des darzustellenden Ge-
haltes von hohem, oft geradezu von ent-
scheidendem Einfluß ist. Der Künstler muß
sich darüber klar sein, welche Möglichkeiten
in seinem Material schlummern, welche Wir-
kungen es zu zeitigen vermag, welche Zwecke
es leisten kann usw. Durch die Kenntnis
dieses Sachverhaltes wird der ästhetische Ge-
nießer Einblick gewinnen in die künstlerische
Technik und das eigentümhche Wesen einer
Kunst. So wird er in den Stand gesetzt,
manches zu bemerken und zu genießen, das
sonst unbeachtet und ungenossen bliebe, und
wird keine Anforderungen an ein Kunstwerk
stellen, denen dieses vermöge seiner spezifi-
schen Art schlechterdings nicht genügen kann.
Wenn wir uns nun den Farben zuwenden,
wollen wir vorerst den relativ einfachsten Fall
betrachten: er ist dann gegeben, wenn Farben
nebeneinandergesetzt erscheinen ohne jede
Rücksicht auf Gegenständlichkeit (Naturnach-
ahmung) und Harmonie. Wir können dabei
etwa an ein Ornament denken, das rein geo-
metrische Formen zeigt. Wie wirken dann die
Farben? Sie trennen und verbinden, ordnen
und gliedern, teilen und fassen zusammen usw.
Hier liegt also eine eigentümliche Art der
Farbengebung vor, und wir wollen sie die
polychrome nennen. Die Farben treten da
nicht auf um ihrer spezifischen Wirkung willen,
258
K * P Q
;= a < 7
PAUL BURCK MUNCHKN.
GEMÄLDE; DIE Ki'NIGSPITZE'-
PAUL Bl RCK -Mt.Ni UEN. KADIERU.NG: -SONNENBELEUCUrETE ÜLETSCHEK
Dr. Emil l litz-Pmcy:
PAUL BUKCK MÜNCHEN.
sondern stehen im Dienste einer andern : dem
klaren Herausarbeilen eines kom])lexenOanzen.
Sie lenken die Aufmerksamkeit besonders auf
die Stellen, die der Künstler vornehmlich be-
achtet wissen will; Nebensächhches machen
sie als solches kenntlich, erleichtern das ein-
deutige Bemerken, bestimmen die Auffassungs-
weisen usw. Während sonst vielleicht die Ein-
heit in der Vielheit schwer wahrnehmbar wäre,
gelingt es ihnen, uns die Anlage, die Kon-
struktion des Ganzen klar und übersichtlich
vor Augen zu führen. Dabei ist die Besonder-
heit des Farbentones ganz gleichgikig; es
kommt nur einerseits auf starke Helügkeits-
und Farbenunterschiede an, andererseits darauf,
daß zusammengehörige Teile durch gleiche,
nicht zusammengehörige durch verschiedene
Farbe gekennzeichnet werden. Innerhalb dessen
herrscht jedoch Willkür in der Farbenwahl. Zu
lieachten ist nur, daß allzu grelle Farben leicht
Waiidbüd-Zyklus: Die Äsen erschaffen die Erda«.
die Aufmerksamkeit auf ihre eigene Wirkung
richten und s:e daher dem Ding entziehen,
das durch sie hervorgehoben oder gekenn-
zeichnet werden soll. Aus dem nämlichen
Grunde ist häufig innige Farbenharmonie ge-
fährlich. Ihre Wirkung kann so stark sein, daß
sie diejenige des Dinges, das ja eigentlich zum
Genuß gebracht werden soll, ganz übertönt.
Einen völlig anderen Wirkungskreis finden
Farben als nachahmende Mittel: die Natur
erscheint uns in Farben; und der Künstler
kann uns diese farbige Erscheinung der Natur
vorführen wollen, sei es nun eine Landschaft,
ein Mensch, ein Stilleben, ein Genrebild, eine
Historie oder sonst etwas. So sehen wir hier
also eine fundamental verschiedene Verwendung
von der ersten, die auf Gegenständlichkeit gar
keine Rücksicht nimmt, während diese Art der
Farbengebung gerade durch den Gegenstand
bestimmt wird. Aber die Farbe dient hier
262
Farbcmvirkuiigeti.
I'AIL lU KCK MLNCHE.N.
nicht nur zur Kenntlichmachung des Gegen-
standes, als Mittel zur Erzielung möglichster
Xaturwahrheit, sondern es tritt da auch ihre
raumbildende Wirkung zutage und stellt sie so
in den Dienst der Perspeklive. Diese Ver-
wendung der Farbe als naturnachahmendes
Mittel wollen wir Kolorismus nennen. Aller-
dings faßt man häufig den Begriff »Koloris-
mus« weiter und versteht dann darunter eine
besonders geschickte Art der Farben^cusammen-
stellung, oder gar jede Art von Farbengebung.
Doch kann uns die Bezeichnung, wenn sie so
weit ausgedehnt wird, daß sie einfach alles
umspannt, keine brauchbaren Dienste leisten;
dies vermag sie nur, wenn wir sie in (iegen-
satz zu anderen Arten von Farbengebungen
und Farbenwirkungen stellen, l'nser Ziel muß
es ja sein, fest umgrenzte l'achausdrückc zu
erlangen, um klar und deutlich, sei es all-
gemeine Lehren auszudrücken, sei es die Bc-
\\'andbild-/.yklus: »Wodan schafft Mann und Weib' .
Sonderheiten eines Kunstwerkes zu schildern.
Aus dem meist recht \erschwommenen Ceredc
der üblichen Kunstschrifistellerei müssen wir
trachten herauszukommen, wenn wir den Künst-
lern und dem Publikum etwas bieten wollen.
Aber noch eine ganz andere Art erweist
sich als möglich, noch eine neue Wirkungs-
weise erschließt sich vor uns: Farbenverwen-
dung unter Rücksichtnahme auf harmonischen
Zusammenklang der Farben. Er wird nun für
das V\erk bestimmend, ihm ordnet sich das
andere unter. Während also bei der nach-
ahmenden Art der ( legenstand ganz die Farben-
wahl bestimmt, ist es hier umgekehrt. Die
(legenstände treten nur als Träger bestimmter
malerischer Qualitäten auf; das Gegenständ-
liche wird bis zu einem gewissen (Irade gleich-
giltig. Diese Verwendung treffen wir vornehm-
lich in derauf das Dekorative berechneten Kirnst.
Wir wollen sie l'arbenharmonie nennen.
Farbernvirkimoen.
PAUL BUKCK MÜNCHEN.
Harmonische Farbengebung in der Malerei
finden wir überall dort, wo ein Farbenzu-
sammenklang (eventuell auch eine eigenartig
charakteristische Farbendissonanz) für Kompo-
sition und Stoffgestaltung bestimmend wird.
Sein Stimmungswert bildet dann gleichsam in
erster Linie den Gehalt des Werkes. Eine
Farbenharmonie in einer Landschaft z. B.
kann den Künstler reizen, diesen eigentüm-
lichen, durch die Farbe erweckten Stimmungs-
gehalt im Bilde festzuhalten. Das Gegen-
ständliche tritt mehr in den Hintergrund, ob-
gleich es Stimmungsverstärken d wirkt. Es ist
ohne Zweifel nicht gleichgiltig, ob ein Farben-
akkurd als der der Abenddämmerung oder
der des herbstlichen Waldes aufgefaßt wird.
Aber vornehmlich ist hier das Gegenständ-
liche nur Träger der Farbe ; es motiviert sie
gleichsam : sie aber wird Hauptjjerson. Als
Beispiel kann ich da die meisten Werke von
Whistler anführen. Bereits ihre Titel zeigen
ihr Wesen. Ich nenne hier nur einige :
»Symphonie in Weiß« , »Arrangement in
Schwarz«, »Die blaue Woge«, »Arrangement
in Clrau und Rosa« usw.
Jedoch noch ein ganz anderer Fall von
Farbenharmonie in der Malerei erweist sich
möglich. Für ihn liefert vornehmlich die
italienische Renaissance zahlreiche Beispiele :
Lithographie ; J ugend .
der Gegenstand sei gegeben, z. B. ein reli-
giöser. Nun kann aber die Komposition voll-
kommen den Geboten der Farbenharmonie
entsprechen, indem sich ihr nicht nur die
Kleidung der Leute, die ganze Raumbehand-
lung usw. unterordnen, sondern ihr zulieb
eigene Personen und Gegenstände eingeführt
werden, welche die Möglichkeit zu verschie-
denen Wirkungen der Farben abgehen, welche
die Harmonie zu den durch den Gegenstand
gegebenen herstellen. Daß die Farbenharmonie
— wie erwähnt — weiterhin auch für die
dekorative Malerei, die Glasmalerei, die male-
rische Plakatkunst, das Ornament usw. von
höchster Wichtigkeit ist, bedarf keiner näheren
Ausführung. Aber auch an die Plastik, Archi-
tektur und angewandte Kunst darf dabei nicht
vergessen werden.
Wir stellten also fest, daß Farben auf drei
[irinzipiell verschiedene. Vrten angewandt werden
können: polychrom, koloristisch und
harmonisch. Diesen drei verschiedenen
Arten entsprechen auch drei ganz verschiedene
Wirkungsweisen. Während im dritten Fall die
Farben um ihrer selbst willen, d. h. ihrer
eigentümlichen spezifischen Wirkung wegen
verwendet werden, stehen sie im ersten und
zweiten im Dienste anderer Zwecke : im ersten
kommen sie ear nicht als Farben in Betracht,
264
PAUL BÜRCK: RADIERUNG.
PAUL ULRCK MUM HEN.
GEMÄLDE: DER TANZ«.
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PAUL UlKCK MÜNCHEN. -STUDIEN«.
Dr. Emil Utitz-Prac
PAUL BIRCK MV NCHKV.
sondern nur als Mittel, ein komplexes Ganzes
zu gliedern, übersichtlich zu gestalten usw.,
im zweiten ahmen sie die Farbe der Natur-
gegenstände nach und helfen so mit, daß das
betreffende Werk eine möglichst naturgetreue
Wiedergabe erzielt.
Verbindungen dieser verschiedenen Arten
treffen wir in der Praxis sehr häufig an; z. B.
eine harmonische Polychromie, einen harmo-
nischen Kolorismus, eine koloristische Har-
monie usw. Es kommen natürlich gar oft
auch Werke vor, in denen alle drei Arten
verwendet sind, man denke nur z. B. an ein
Pflanzenornament. 1 )a haben die Farben
einerseits die Aufgabe , die eigentümliche
Komposition des ( )rnaments klar und über-
sichtlich zum Ausdruck zu bringen, ferner die
einzelnen Pflanzenelemente als solche zu kenn-
zeichnen durch Wiedergabe der natürlichen
Färbung und schließlich in sich noch einen
harmonischen, gefälligen Eindruck zu erzielen.
Allerdings bekämpfen diese drei Wirkungs-
weisen einander oft : zu der gliedernden
Funktion usw. sind starke Helligkeits- und
Farbenkontraste notwendig; dies entspricht
aber nicht immer der Naturfarbe der Dinge.
Wird sie genau berücksiclitigt, geht dies auf
Kosten der ersten Wirkung und umgekehrt.
Ferner ist häufig die polychrome und kolo-
ristische Funktion einer harmonischen nicht
günstig. All diese Gründe zwingen oft den
Künstler zu Abweichungen von der Natur-
wahrheit , Übertreibungen , Einführung von
Gegenständen als Träger gewisser Farben,
Radierung: »Heraufziehendes Gewitter«.
welche die polychrome oder harmonische
Wirkung heben sollen usw. So führt uns
demnach die Erkenntnis dieser drei verschie-
denen Wirkungsweisen der Farben, dieser drei
Arten der Farbengebung, zu einem innigeren
Verständnis der künstlerischen Technik, wobei
wir hier dieses Wort im weiteren Sinne ge-
brauchen, also nicht lediglich das Handwerks-
mäßige darunter verstehen, sondern die An-
wendung aller Mittel, welche in uns einen
ästhetischen Genuß hervorzurufen bezwecken.
Es ist mir hier nun nicht möglich zu ver-
folgen, in welcher Art diese verschiedenen
Farben-Wirkungsweisen in den einzelnen Ge-
bieten der bildenden Künste zum Ausdruck
kommen, und welche Konsequenzen an diese
Tatsachen knüpfen. Wenn der Leser dafür
Interesse hat, mag er es in meinem jüngst
erschienenen Buche: ; Grundzüge der ästhe-
tischen Farbenlehre« (Verlag von F. Enke —
Stuttgart 1908) nachlesen, in dem auch die
hier gegebenen Erörterungen ausführlicher dar-
gelegt sind. Aber vielleicht wird den Leser
schon die nüchterne Ruhe dieses kleinen
Essays abgeschreckt haben. Und darüber
seien mir noch einige Worte zu sagen ge-
stattet : wenn Ästhetik und Kunstwissenschaft
tatsächlich Nutzen stiften sollen, müssen sie
so ernst und so sachlich betrieben werden,
wie alle anderen Wissensgebiete. Wohl muß
der Kunstforscher erfüllt sein von flammender
Liebe zu den Erscheinungen des Schönen,
die ihm entgegentreten ; wenn er aber darnach
ringt, Einsichten zu gewinnen in die Gesetz-
268
I'a rhni :. •/; kii nocii .
mäßigkeiten, die da herrschen, wenn er darnach
irathtet, den blühenden Reichtum der hier
gegebenen Erlebnisse zn beschreiben und zu
erklären, muß er sich alles Schwärmens und
aller großen Worte enthalten, ja er darl gar
nicht selbst sprechen, sondern muß die Tat-
sachen reden lassen, l^nd je einfacher ihre
Sjirarhe ist, desto besser. l'nd wenn wir
dann mit reiferem Verständnis vor die Werke
des Schönen treten, wird unser Clenuß be-
reichert und verticlt, und unser Urteil wird
gerechter und zugleich geschützter gegen all
die Strömungen, welche die Mode mit sich
bringt. L'nd auch dem Künstler können
ästhetische Einsichten nicht gleichgültig sein.
Haben ja doch die Größten unter ihnen
stets um sie gerungen, um festen und sicheren
Halt ihrem eigenen Schaffen zu geben,
und um sich das verstandesmäßig klar zu
machen , was .dunkel ihr Gefühl raunte.
.Allerdings werden ästhetische Kenntnisse nie-
mals einen Nicht -Künstler zum Künstler
machen, ebensowenig als das Studium der
Logik allein große Denker erzeugt. Aber der-
jenige, der künstlerische Begabung besitzt,
vermag durch ästhetische Lehren gefördert zu
werden; mindestens kann er durch sie vor
manchen Irrtümern bewahrt bleiben. Nur halle
man nicht alles für Ästhetik, was unter dieser
Flagge segelt. Was nennt sich auch nicht
alles Kunst! Aber sollte man an der Kunst
verzweifeln, weil vieles, was sich als sie aus-
gibt, widerwärtig ist. Dies wäre doch töricht.
Und gleiches gilt von der Ästhetik.
Man mag entschuldigen, wenn diese Be-
trachtungen uns vom Thema ablenkten. Aber
es schien mir nötig, dies einmal in einer
Kunstzeitschrift zu sagen, um ungerechten
Vorurteilen entgegen zu treten. Das Thema
unseres Essays ist ohnehin erschöjift. Die
Aulgabe bestand ja lediglich darin, auf die
verschiedenen Wirkungsmc)glichkeitcn der Far-
ben hinzuweisen. Und mehr als ein Hinweis
konnte nicht fjegeben werden. —
PAUL nURCK
MI'nCH8N.
PORTRAT
PROF. DR.
VOLIIKHR
MAGDEBURG.
269
PAUL BÜKCK- MÜNCHEN.
ZEICHNUNG: VILLA ADRIANA«-
PAUL BURCK
ML'NCHEN
RADIERUNX. :
KINE MUTTliR"
aus: ITALIRNISCHhS
\OLKSLEBEN.
G. A. BREDOW-STUTTGART.
BÜSTE IN SCHWARZEM MAÄMOR.
G. A. BREDOW-STUTTGART.
WEIBL. HALB -FIGUR IN BRONZE.
WALTER MASSMANN HAMBURG.
KARTON ZU EINEM WANDBILD.
SCHÜLER-ARBEITEN DER KLASSE FÜR WAND-MALEREI
AN DER KUNST-GEWERBESCHULE ZU HAMBURG.
Die \'erütTentlirlning dieser Schiiierarbeiten,
die einen ungefähren Überblick über
das Resultat des ersten Arbeitsjahres dieser
Klasse gewähren, wird vielleicht mancher für
überflüssig halten, und die Namen Häschke,
Jahns, Kögler. Maßmann, Wehland und Zaiser
werden schnell wieder vergessen sein. — Ich
aber denke so I Es ist zur Zeit von Wich-
tigkeit, auf jedes Symptom aufmerksam zu
machen, welches die Einlcnkung in einen Weg
bedeutet, auf dem dereinst vielleicht einmal
wieder eine deutsche Malerei wird erstehen
können. Die Befestigung der Gewißheit, daß
wir die Richtung zu diesem Ziele einzuschlagen
im Begriff sind, kann Cileichgesinnten Hoff-
nung und Mut stärken — und jede Bekräf-
tigung (lieser Gewißheit, auch die bescheidenste
— hat ihren Wert — erfüllt einen Zweck.
Die Anarchie, die die Malerei Deutsch-
lands im 19. Jahrhundert beherrscht und die
das 20. ohne Bcneticium inventarii als F".rbe
hat übernehmen müssen — diese .\narchie
weist unzweifelhaft auf eine partielle Schwächung
des Volksbewußtseins hin. Während die Ent-
wicklung der deutschen Musik gerade nach
dem 30 jährigen Kriege in Bach und Händel
einen Höhejjunkt erlebt und die Literatur sich
nicht nur ununterbrochen weiterentwickelt,
sondern gerade durch jenen Krieg auf man-
chen Gebieten neue Anregungen erhält —
erlitt die deutsche Malerei einen vernichtenden
Schlag. Hier starb das Volksbewußtsein mit
der scliöpferischen Kraft nach unerhörter
Blüte scheinbar ab und ist bis heute noch
nicht wieder zu voller Stärke emporgewachsen.
Wir machen aus der Not eine Tugend, wenn
wir annehmen, die Malerei müsse zu einem
europäischen Resultat gelangen! Notwendig-
keiten sind unüberwindlich! Das Völkische
wird auch in der Kunst nur mit dem Volk
selbst zugrunde gehen. Solange die Wurzeln
unseres Kulturlebens triebfähig bleiben, solange
werden wir zu deutschen Kulturäußerungen
genötigt werden und befähigt bleiben, fremde
Okulation abzustoßen. Eine europäische
Malerei wäre das Dokument einer unheilbaren
europäischen Schwäche. Nur völkische Kultur
hat Wert. — Man werfe einen Blick auf die
1909. XI. 3
-^)
'i
FRIEDRICH Wr.HLAND.
h> PA i K l . I. K A
HERMANN
HÄSCHKE.
hlNES RAUMES.
WANDBILD-
KNTWURF.
Sckii/er-Afhcifoi der Kmjsf-Geiverheschv/e Hamhurcr.
KRIKDRICH WRHLANU:
deutsche Musik: In vielleicht noch höherer
Potenz, wie in der französischen Malerei des
1 9. Jahrhunderts, ecweist sich hier der Wert
des Volksbewußtseins. Von Bach bis Reger,
welch' prachtvolle Linie ! Die stärkste Kund-
gebung deutschen Geistes. Die Gegensätze
verschwinden, wenn man diese Linie vom
Standpunkt völkischer I.ebensäußerung be-
trachtet. Sie schwinden zu Nuancen und
der gemeinsame (Irundton wird immer hör-
liarer, je weiter unser Horchen Abstand zu
nehmen vermag.
Und nun die deutsche Malerei: im \'crlauf
der vorhin für die Musik durch die Namen
Bach-Reger umgrenzten Epoche?! Da und
dort verheißungsvolle Ansätze, aber nirgends
auch nur die Spur einer großen, allgemeinen
völkischen Entwicklung. Seit dem 17. Jahr-
hundert fehlt hier ein Programm, welches das
Deutschtum dominierend zum Ausdruck hätte
bringen können. Und wie groß und klar war
vordem das deutsche Programm ! Nur zwei
Namen statt vieler. Dürer, Grünwald I Und
was ist nun heute?
Ein Wust von mühsam herbeigeschleppten
Bausteinen aus aller Herren Länder und allen
Zeiten liegt da auf unserem Boden und wir
versuchen vergeblich, sie zu einem Gebäude
zusammenzustellen — zu einem deutschen
Bau. XatürUch vergeblich! Aber, wir ver-
stehen überhaupt nichts mit diesem Material
Wandbild.
anzulangen. Rom, Florenz, Griechenland,
Holland, Flandern, Madrid, Paris, Ja[)an,
Fgypten usw. — all diesen Klötzen mehr als
ihre äußeren Maße abzusehen, haben wir nie
verstanden. Wir ahmen nach, wir verarbeiten
nicht. Die Vorbilder sind uns zu Götzen
geworden, befreiende Götter hätten sie uns
werden können, wenn wir ihnen mit jener
heilsam begrenzenden Orthodoxie hätten nähern
können, wie sie ein stark entwickeltes Volks-
bewußtsein erzeugt. Da wir als Maler keine
natürliche deutsche Tradition mehr in uns
wirkend fühlten, machten wir uns eine künst-
liche — mit viel Gelehrsamkeit und Dünkel
Vnd doch so voller Selbstverleugnung. Die
Archäologen halfen uns hierbei, die Sammler
und die Ästheten. Da, wo wir zu zeitgenös-
sischen Werten griffen, um sie uns anzueignen,
blieben wir fleißige aber beschränkte Impor-
teure. Die Segnungen der Barbizon-Schule
sind auf deutschem Boden ausgeblieben und
auch der Impressionismus hat bis heute noch
keine reifen Früchte gezeitigt. So sehen wir
unsere stärksten Talente arbeiten — in völliger
Isolierung, hart ringend um eine malerische
Weltanschauung und mit der Tragik des
Sisyphus-Schicksals die Steine wälzen, die mit
erdrückender Schwere uns belasten, die drohen,
unsere Grabsteine zu werden. Dazu noch
der Lärm von MiUionen gutgemeinter Rat-
schläge, die Klubweisheit unserer Intellek-
277
Schüler- Arbeiten der Kunst- Gciverbeschule Haniburs,
tucllstcn . das Parvenü-
Kapital , die Ausstel-
lungen und Museen und
die Majestät der Jour-
nalisten - Kritik. Für-
wahr, es scheint kaum
noch möglich , aus
dieser Lage einen Aus-
weg zu finden. I )a ge-
winnt der Aufschwung
im Kunstgewerbe die
liedeutung einer Er-
lösung auch für die
licutsche Malerei. Die
neuen Ideen, die hier
aus einem lang tot ge-
glaubten Krater i)lötz-
lich hervorbrachen,
haben auf einem wei-
ten (lebiet deutscher
Kultur schon heute
einen fruchtbaren vul-
kanischen Hoden ge-
schaffen. Das wich-
tigste Erzeugnis dieses
Bodens aber ist die
Wieder-Erkenntnis der
Zweckmäßigkeit des
Gegenwartslebcns als
einziges Fundament
für eine künstlerische
Idealisierung. So liel.'i
sich wieder eine mo-
derne, d. h. natürliche
Kmiifindung für die
l'unktionen des Rau-
mes und seine Ausge-
staltung finden. Und
wenn auch hier noch
LUDWIG z.MSER. Dekoratives Wandbild
oft die Suchenden in
den alten Fehler der Traditionsmacherei ver-
fallen i'was uns z. B. die Galvanisierung der
Biedermeierzeit eintrug), so sind dennoch die
neugewonnenen Erkenntnisse von so starker
.\rt, daC) die Architektur nicht an ihnen vor-
beigehen konnte. Sie beginnt denn auch in
der Tat sich aus dem Sumpf des 19. Jahr-
hunderts zu erheben. In dem Maße aber,
in dem die .\rchitektur die neuen Ideen in sich
aufnimmt, wird sie der Malerei den nötigen
jungfräulichen Boden zu Neukulturen eröffnen.
Schon heute finden sich erfreuliche Anzeichen
dieses Entwicklungsprozesses. Die neudeko-
rative Richtung in der Malerei Deutschlands
bedeutet trotz aller Schwächen, die ihr offen-
sichtlich noch anhaften, ein Envachen. Das
deutsche Programm ist bereits gefunden.
.\ber der Weg, der
ins Neuland führt,
schließt nicht an
Feuerbach an nocli
weniger aber an Ma-
rees, den wir nach
langer Unterschätzung
jetzt gewissermaßen
zum Ausgleich der
Rechnung zu über-
schätzen angefangen
haben. Dieser groß-
veranlagte Künstler,
der in Deutschland
zuerst wieder die Be-
deutung der horizon-
talen und vertikalen
Bildelemente für die
Monumental - Kompo-
sition erkannte, ist mit
seinen Versuchen (über
\'ersuclie hat ihn seine
Zeit ja nicht hinaus-
kommen lassen) nie in
freies Fahrwasser vor-
gedrungen. Er schei-
terte an der Klipjie
des Klassizismus. Vor
den Trümmern , die
aus diesem Schiffbruch
zu retten waren, stehen
wir heute entblößten
Hauptes und erschüt-
tert. Aber diese Trüm-
mer für mehr halten
als für Dokumente
eines gewaltigen aber
vergeblichen Ringens
— ihnen zukunftwirkende Bedeutung zu-
schreiben, hieße den verhängnisvollen Klassi-
zitätsdrang jener Tage auch für die Monu-
mental-Malerei unseres Jahrhunderts als Grund-
bedingung anerkennen. Die l'nmöglichkeit,
ausreichend praktische Erfahrungen machen
zu können, hat Marees auch daran gehindert,
die Farbe zum ausdeutenden Mittel des archi-
tektonischen Raumgedankens zu machen.
Auch steht er mit der Tendenz, die Illusion
der Raumtiefe im Bilde zu betonen, in vollem
Widerspruch zum Grundproblem wahrer Wand-
malerei — der Betonung der Fläche. So ist
das Problem der MonumentalMalerei durch
Marees nur um weniges aus dem Dämmer-
zustand ans Licht gehoben worden.
Einem Späteren war es vorbehalten, in
der Lösung des Problems »Monumental» einen
>7y
Schüler- Arbeitet! der Kirnst- Gewerbeschule Mamlmrg.
PAUL KOGLER HAMBURG.
Karton zu einem Wandbild.
entscheidenden Schritt zu tun. Der Urdeutsche
Ferdinand Hodler tat diesen Schritt , mit
dem er uns zugleich ein Beispiel deutsc her
Malerei gab. Er steht mit seiner Malerei
auf dem Boden der
werdenden Architek-
tur, die mit Eisen
und Beton das Denken
und Arbeiten ihrer
Zeit auszudrücken be-
rufen ist. — Nur an
Wänden kann die Ma-
lerei wieder gesunden.
Nur die Architektur
schafft die Beding-
ungen für diese Ge-
sundung — Rückkehr
zur Architektur ist
das Programm, das
uns deutschen Malern
not tut. — Allerdmgs
schließt sich an die
Hoffnung, daß der
deutsche Architekt der
Aufgabe gewachsen
sei, die in seine Hand
gegeben ist, die an-
dere Hoffnung eng an,
daß der ^Konsument'
— der kapitalkräftige
Kunstliebhaber gleich-
falls die Bedeutung
des Moments begreife.
Letzten Endes hängt
die Zukunft der deut-
LUDVVIG ZAiSER. Wandbild-Entwurf.
sehen Malerei von der Entwicklung des Typus
^Kunstliebhaber" ab. Das Erkennen der
Werte , die die Gegenwart in sich trägt, die
lebendige Teilnahme an ihrer Hebung müßte
andere, tiefere Ziele fin-
den, als das Zusammen-
tragen einer sauber
katalogisierten Kunst-
schau , mit der im
Grunde rein gar nichts
getan ist. — Wenn
das Durchdringen von
Kunst und Lehen
keinen kulturell wert-
volleren Typus wie
den heutigen Gelegen-
heitskäuferund Kunst-
Sammler hervorbringt,
so müssen wir aller-
dings die Hoffnung
autgeben, daß mit der
Steigerung des Bedürf-
nisses für Harmonie
und organischen Aus-
bau des Verhältnisses
von Lebensinhalt und
Lebensform die Bild-
kunst, als feinste Deu-
terin dieses Verhält-
nisses, jemals die
Wände wiedergewin-
nen wird, die ihr in
barbarischen Zeitläuf-
ten verloren gingen.
WILLY VON BECKEKATH.
280
I I
1 3 ,
r
i 4
J^-—
fllUT. ALINAKI.
FLORENZ. PIA/./,A DtLI.A SIGNORIA.
AUFSTELLUNG VON MONUMENTAL-PLASTIK.
EIN KAI'ITF.I. ZUM KÜNSTLERISCHEN STÄDTEKAU.
Bemüht man sich .bei der l'nlersuchung
der historischen Architektur ernstlich um
die Krkenntnis der (Irundiirinzipien des archi-
tektonischen Denkens, so kann man sich der
Einsicht nicht verschUeßen , daü alles Form-
detail und dessen Entwicklung, auf die der
Haujjtakzent gelegt zu werden pflegt , nur
sichtbare xVußerungen eines tiefer liegenden
(iesamteinpfindens sein müssen, aus dem sie
stileinheitlich entstehen. Diese allgemeine
Form der architektonischen Sinnenobjekte ist
der Raum. Alle ar-
chitektonischen Ein-
zelformen sind sekun-
där, das heiljt Ge-
stalten des primären
Raumempfindens. Das
Bestreben der Archi-
tektur also ist, die-
ses Raumemplinden
sichtl)ar zu machen,
aus den unendlichen
Reihen des Raumes
begrenzte, beharrende
Raumgebilde zu ge-
stalten . ihre Aufgabe
nutzbare , ihre Sehn-
sucht schöne Räume
zu schaffen, in denen
es den Menschen wohl ums Herz wird. Die-
ser Wille zum Raum ist Inhalt des architekto-
nischen Gestaltens , seine Form die Materie,
die diesem Willen dienend mit ihm zur Ein-
heit , zur architektonischen Schöpfung wird.
Mit der wechselnden Disposition der
menschlichen Seele wechselt auch ihr Raum-
empfinden , wandelt sich ihre Vorliebe für
bestimmte Raumproportionen. Dies bedarf
keiner näheren Erörterung. Man vergleiche
nur den Innenraum einer gotischen Kathe-
drale , einer Renais-
sance- und einer Ba-
rockkirche. Im 19.
Jahrhundert wird das
Leben des Raumes
kalt, stirbt ab. Der
Niedergang der mo-
dernen Architektur
rührt daher, dal.'i die
meisten unserer Ar-
chitekten kein Raum-
gefühl mehr besitzen,
nur überlieferte l'orm-
details zusammenstel-
len. — Wie nun das
Leben und die Ent-
wicklung des Raumes
in den einzelnen archi-
281
Di: A. E. Bri)icktna)m :
PADUA. PIAZZA DEL SANTO. REITER-IjE.N K.MAL DE> 0.\ I .^.MELLATA.
tektonischen Schöpfungen auch bei ihrer Grup-
jiierung im Städtebau, in der letzten Vollen-
dung des baukünstlerischen Gestaltens, parallel
zum Ausdruck kommt, darauf habe ich in
einem kürzlich erschienenen Buch »Platz und
Monument« hingewiesen. Solche Erkenntnis
verbietet das Nachbilden mittelalterlicher Stadt-
grundrisse, mit dem man
sich aus der Ode des
19. Jahrhunderts zu ret-
ten suchte. Dieses Jahr-
hundert, reich an Be-
griffen, arm an Anschau-
ung, hatte vergessen, daß
das tektonische Gebilde
einer Stadt einen Inhalt
haben muß , um lebens-
voll zu sein, daß es sich
beim Bau einer Stadt
denn doch um etwas an-
dres handelt, wie Miet-
hauskaserne an Miethaus-
kaserne zu reihen, eine
Straße zu asphaltieren
und auf jeden Platz ein
Denkmal hinzustellen. —
Städtebauen ist eine Kunst , und zwar eine
architektonische Kunst, die mit dem Haus-
niaterial Raum gestaltet, das heißt Straßen
und Plätze positiv als Raumgebilde von be-
stimmten Funktionen behandelt.
Dem Charakter der Stadt als Raumgebilde
hat sich ihre monumentale Ausschmückung
einzuordnen , wie sich
dem Charakter des Wohn-
raumes das Möbel ein-
ordnet. Ein gut gestell-
tes Monument soll das
Leben des Raumes, eines
Platzes oder einer Straße
verdeutlichen. Andrer-
seits hat das Monument,
sei es nun architekto-
nischer Natur wie Tore,
Säulen, Brunnen oder rein
figürliches Denkmal , als
Kunstwerk an sich Be-
rechtigung so zu stehen,
daß seine Anschaulich-
keit zum klarsten Aus-
druck kommt. Der gün-
stigste Standort eines
282
4i(/stelluiio von Mo]iu)itciital- Plastik.
1 )enknials ist also
dort, wo im Ab-
wägen dieser bei-
den Forderungen
gegeneinander ein
i\[a\imiun an Wir-
kung auf den Be-
schauer herausge-
bracht wird. - Dalj
für die Wirkung
eines Monumentes
alles auf die geeig-
nete Situation an-
kommt, dessen ist
man sicli heutzutage
kaum bewuCt. Wo-
her sonst diese
Ingeschickh'chkeit,
ja Gleichgültigkeit
bei der Wahl des
Aufstellungsortes,
nicht nur der Auf-
traggeber , sogar
der ausführenden
Künstler y Cianz
anders früher ! Als
es sich darum han-
delte, 1Ö04 den
Davidkolot') des
Michelangeh) in
Florenz aufzustellen, landen eingehende Be-
ratungen statt, ( Hitachten der ersten l'loien-
tiner Bildhauer, Architekten und Maler
wurden erbeten, und schließlich Michelangelo
alle Üiteile zur Entscheidung unterbreitet.
Kr wählte den l'latz links neben dem Kin-
gangstor des Palazzo vecchio, wo die weiße
Marmorligur vor den dunklen, gleichmaßigen
Grund der Quadermauer zu stehen kam, gegen
den sie gut absetzte , so daß reliefartig die
Linien ihrer Kontur abzulesen waren. Das
lö. Jahrhundert erweiterte diese Idee Michel-
angelos: die Piazza della Signoria legte einen
leuchtenden Gürtel schöner Plastiken an, als
dessen schimmernde Schließe die Fontaine
des Ammanati an der Ecke des Stadtpalastes
erscheint (S. 281). Das eherne Reiterdenkmal
Cosimo I. setzt die Reihe der Marmorfiguren
in den offenen Plaizraum fort und schneidet
den rückliegenden Teil weg, um den Haupt-
platz rechteckig zu machen. Bei solcher Auf-
stellung an den Platzwandungen braucht die
Figur nicht wie bei einer Aufstellung in der
riatzmitte den ganzen Raum zu beherrschen,
um zu wirken, und diese Krafiersparnis kommt
ihrem plastischen .Vusdruck zugute. Es bietet
BERLl.N. 1.US1G.\RTE.\. DENKM.Vl, l'KUaJKlCH WU.HKLM 111.
sich zuilem Gele-
genheit, eine grö-
ßere Anzahl jila-
stischer Werke vor-
teilhaft zu situieren,
wobei es allerdings
gewisser Beziehun-
gen der einzelnen
Skulpturen zu ein-
ander in Motiv,
Proportion , Mate-
rial und Farbe,
richtiger Abstände
bedarf. .\uf der
Piazza della Sig-
noria verbinden
sich die einzelnen
Skulpturen vor dem
Palast und in den
Bogen der Loggia
dei Lanzi zu einer
Einheit.*) Als Ge-
genbeispiel seien
die Oranier vor
dem l?erliner
Schloß genannt:
vor einer dunklen
Wand dunkle Bron-
zen, die nicht wir-
ken können. —
Diese überlegende Rücksicht auf die Er-
scheinung des Monuments am Ort zeichnet
schon das Reiterdenkmal des Gatamellata aus,
das Donatello auf der Piazza del Santo zu
Padua 145,3 errichtete (S. 2S2). Man spürt
eine Kultur des plastischen Sehens, die unserer
Zeit völlig tehlt. Donatello bedenkt die An-
sichten, die sich dem bieten, der den l'latz
betritt, und rechnet mit den Wirkungs-Beding-
ungen der Bronze. Man gelangt auf den Platz
durch die Via Capelli und die Wi. Sant'An-
tonio : im Schnittpunkt ihrer N'erlängerungen
steht das Denkmal. Kommt man aus der ersten
Straße, so bietet sich das S. 282 wieder-
gegebene Bild. Darum also der hohe Sockel,
damit die dunkle Bronze klar gegen den
Himmel absetzt. Das weittragende Silhouetten-
bild des charakteristischen L'mrisses wirkt noch,
wo die innere Flächengliederung für das Auge
sich verliert. Kommt man aus der zweiten
Straße, so stehen Roß und Reiter wiederum
*) Der Davidkololi \v\irde 1873 '" "^'^ Kunst-
Akademie gebracht, um ihn vor Witlerungsschaden zu
schüt/en. Die Lücke machte sich unangenehm bemerk-
bar und es ist mit I'>euden zu tjcgrüT'en, da(i in nächster
Zeit eine gleicligrolle Kopie von Fanfani an der alten
Stelle aufgestellt werden wird.
1909. Xt 4.
283
Dr. A. E. Brinck
jiiaini .
WIEN. MARIA
THERESIA-MONU-
MENT VOR DEM
HOF-MUSEUM.
gegen den Himmel , diesmal in guter Front-
ansicht, — bei Reiter-Monumenten immer eine
heikle Seite.
Dagegen das Denkmal Friedrich Wilhelm III.
im Lustgarten zu Berlin (S. 283) : die P'igur
wird von dem Architrav des rückliegenden
Museum zerschnitten, die edle Schinkelsche
Säulenhalle verstellt und die Reinheit ihrer
Horizontalen und Vertikalen gestört. Die An-
sicht gegen die architektonische Formenorgie,
die sich Dom nennt, ist noch unerträglicher.
Das Maria Theresia -Monument au( dem
rechti.'ckigen Hofmuseumplatz in Wien (S. 284)
gibt die Lehre, daß selbst der Sockel in einen
Gegensatz zur Hintergrundarchitektur gebracht
werden muß — hier ist alles flimmernde
Fläche, — daß es schließlich doch vergeb-
liches Mühen ist, die Höhe des Monuments
so emporzutreiben, daß es kaum im Innern
der gotischen Stephanskirche Raum finden
würde, wenn ein gewaltiger Kupp.'lbau die
Silhouette der thronenden Königin zu einem
winzigen P'igürchen niederdrückt. Gleiches
wird man in Berlin bei dem reizvollen Denk-
mal Friedrichs des Großen am Ausgang der
Linden erleben, wenn die Ihnesche Aka-
demie einen Kuppelaufbau erhält. Damit
284
wäre es dann gelungen , den Rest der einst
wundervollen Situation am Berliner Opern-
haus zu zerstören. — Man wendet ein:
^Wir haben in unseren Städten nicht ent-
sprechend viel Plätze und Orte, um Monu-
mente stets vorteilhaft aufzustellen , und
müssen froh sein, noch einen leeren Platz zu
finden. Schließlich ist die Hauptsache die
Ehrung, die das Monument zum Ausdruck
bringt.«^ Ehrungen in unschöner Form: eine
ausgezeichnete Gesinnung 1 Sieht man aber
einmal jede größere Stadt genauer an, so finden
sich mindestens ein halbes Dutzend guter
Standorte, auf die man allein deswegen nicht
kommt, weil sie keine Mittelpunkte großer
Pläize sind. Eine ganz treffliche Art, Monu-
mente aufzustellen, soll hier besonders bemerkt
werden : auf einem vorspringenden Ausbau
zur Seite einer Brücke. Diese Situation fand
zuerst das Heinrich IV. 1614 errichtete Reiter-
denkmal auf dem Pont Neuf, der ersten
steinernen Brücke von Paris, die dieser auch
in der Geschichte der Stadtbaukunst bedeutende
König erbaute (S. 285). In der Revolution
zerstört, wurde dieses Monument später ähnlich
erneut, dabei etwas nach rückwärts verschoben.
P'.in Grundriß enthebt uns weiterer Beschrei-
Ai(/sff/h(uo -'Oll MoiiDiieutal' Plastik.
PARIS. DRNKMAL
HKINRICH IV. AUF
DEM PONI NHUF.
bung. Schliiter ahmte diese Situation ein Jalir-
hundert sjuiter für seinen großen Kurfürsten
in Berlin nach. Jetzt sind die Häuser zu
beiden Seiten der Spree hochgeschossen und
auf ihrem dunklen Grund tritt das dunkle
1 lenknial kaum noch in Erscheinung.
Michelangelo neue, bis zu seinem .\uUreten
unerhörte .-Xusdrucksformen für Malerei, Plastik,
Architektur findend - gab auch eine neue
Verhältnisform für diese beiden letzten. Die
Beziehung zwischen Monument und Platz,
zwischen Materie erfülltem Raum und um-
gebendem I.ultraum, war bis jetzt eine lockere,
oft zufällige gewesen ; man könnte ein ande-
res Monument ebensogut
dorthin stellen, die Ar-
chitektur der Platzwunde
umgestalten. .Michel-
angelo zuerst stellte die
Forderung auf, daß der
Platzraum für ein Mo-
nument gebaut werden
müsse, dieses aber in
seiner besonderen Er-
scheinungsform Brenn-
punkt des architekto-
nischen Raumes, Blüte
der Situation zu sein habe. — Bei der
Aufstellung des Marc .'Xurel, eines wohlerhal-
tenen ehernen Reiterstandbildes des antiken
Barock, auf dem nach seinem Entwurf aus-
gebauten Kapitols])latz in Rom, zeigte er,
was er unter monumentaler Situation ver-
stand. Das Denkmal steht in der Mitte des
annähernd rechteckigen l'latzes ^^dieses > an-
nähernd« schließt außerordentliche Feinheiten
ein, die in erwähnter Schrift von mir analysiert
worden sind), die Figur auf niedrigem Sockel
fällt mit dem Schwerpunkt lies \ on den fassen-
den .\rchitekturen gebildeten Raumkubus zu-
sammen. Es wird so gegen die umgebenden
Architekturen gebunden,
gegen deren lielle Töne
die dunkle Bronze kräftig
absetzt, steht nicht mehr
über dem Platzraum ge-
gen den Himmel. Diese
Aufstellung verlangt von
einem Monument, da es
von allen Seiten betrachtet
werden kann, daß seine
Massen sich um einen
idealen Mittelpunkt aus-
balancieren , daß es in
28;
Dr. A. E. Ih-i)ick)}iaini :
hLKK 1>UKCH UA.S 1 KU Ml'll 1 . jR AUt DAS STANDBILD STAMSLAUS tESCZl.NSKI. (ERSATZ DES DENKMALS LUDWIG XV
seiner Erscheinung viele gute Ansichten heraus-
bringt, nicht mehr auf wenige Silhouetten-
ansichten hin geformt ist. Dies bedarl der
größten Anspannung des liildhaucrs und hier
scheitern die meisten un-
serer modernen Monu-
mente, die in der Mitte
eines Platzes stehen. Die
Rückansicht einer Figur
in moderner Kleidung ist
nicht nur langweiUg, oft
sogar unerträglich öde.
Ausgezeichnet sind in
ihrer Erscheinung die
römischen Brimnen, auch
die Fontaine des Trois-
Graces in Montpellier
(1776) ist besonderer
Erwähnung wert.*) —
*) Im Nachlaß Karl v. Pidolls
befindet sich eine Serie Zeich-
nungen Hans von Marees'
zu einer Brunnenfigur — ein
286
Für die Verbindung von Denkmal und Platz-
raum ist die michelangeleske Anordnung —
das Monument im Zentrum, gebunden gegen
die raumumschließende Architektur — in
reinerer Durchbildung be-
sonders für das Frank-
reich des 18. Jahrhun-
derts die typische. So
in Nancy, um gleich
das schönste Beispiel zu
nennen (S. 2S6). Das in
der Revolution zerstörte
Standbild Ludwig XV.
— dieses Schicksal hatten
die Königsmonumente in
ganz Frankreich — ist
später durch ein solches
nackter Mann eine Schale em-
porhaltend — eine an römische
i'.arock - Motive anklingende
Komposition, in der diese Auf-
•^,\\k glänzend gelöst erscheint.
I'^inige Blätter davon waren in
iler Mareesausstelhmg zu sehen.
Aiffafr/htno von Mointvirtila}-PIa!:tik.
\on Stanislaus I.esczinski in denselben Pro-
]>ortionen ersetzt. Gleichmäßige Arclii-
tektiiren unischlieLjen den Platz auf drei
Seiten, die vierte öffnet sich in einem ar-
kadengefaßten dang gegen ein prächtiges
iriumphtor. Der helle Sockel des Monu-
ments steht gegen das schwere, in dimklen
Arkaden sich ölTnendo l'ntergcschoß des
Stadthauses , die eherne l''igur gegen die
lichten, von zarter Pilasterstellung geglie-
derten ( )l)ergeschosse. Diese feine Archi-
tektur wirkt als Hintergrund wie eine gleich-
mäßige, ruhig gemusterte Tapete.
Auf zweierlei kommt es also an : ein-
mal, daß die Architektur einen guten Grund
gibt, das Denkmal im Bild auf diesem gut
sichtbar und fest steht, dann aber, daß
dieses selbst nicht die Architektur stört,
verstellt. Min Gegenbeispiel spricht hier
am deutlichsten ,S. 2S7). Der symme-
trische, zweiflü'glige Bau des Darmstädter
-Museums wächst in der Mitte zu einem
Pavillon em])or. Hier liegt das durch die
Kampe stark markierte Kingangsportal, die
Stelle, wo der
umschlossene
Raum des Ge-
bäudes in \er-
bindung tritt
mit dem freien
Außcnrauni,
also ein Kern-
punkt des
architektoni-
schen Gcstal-
tens. Just vor
diesen pHanzte
sich ein Krie-
ger - Denkmal
hin. Man emp-
findet es als
Ungeschick-
lichkeit, wenn
Tafel- Dekora-
tionen so ste-
hen, daß man
von seinem
Gegeniibernur
die Schultern
sieht. Kür
monumentale
Verhältnisse
reicht aber
solches Gefühl
nicht mehraus.
I )azu guillo-
l).\RM.STAnT. KRlEGER-nENKM.\T.. Uispiiini;Iiclic Aiifslilliiiii;
vor tlcm L.-indcsiiuisctiin. Wurde 1907 auf Veranlassung des Erliauers. I'rof.
Alfred Mcssel ^, entfernt und mehr rechts vor den Musctinis-Turnl gestellt.
tinicren die
Horizontalen
des Gebäudes
das Monu-
ment, stutzen
der Sieges-
göttin die
Flügel. Es ist
ein gutes Zei-
chen für die
künstlerische
Kultur Darm-
stadts , ein
nachahmens-
werter Ent-
schluß, wenn
das Denkmal
kurz vor Er-
öffnung des
Museums auf
Veranlassung
des .\rchitek-
ten Professor
Messel zur
Seite gerückt
wurde , trotz-
dem die mei-
sten Darm
Städter den
alten Standort
sehr günstig
WEIMAR. KLRilE.MLAlZ. DENKMAL DES GROSSHERZOGS KARL AUGUST
287
Atifsklhino von 3fo>iu)>itvifaI-Plas/ik.
PIACENZA. PIAZZA DE CAVALLI. DENKM.\LER DER HERZÖGE .VLESSANDRO UND RANUCCIO FARXESt.
fanden. Wallot, dessen gamicht üble Fassade
des Reichslagsgebäudes von dem haltlosen
Bismarckdenkmal verstellt wird, ist mit seinen
Einwendungen weniger erfolgreich gewesen.
Eine gute Situation aus neuerer Zeit, ganz
im Sinne des 18. Jahrhunderts, hat das Reiter-
monument des Groljherzogs Karl August auf
dem Fürstenplatz in Weimar gefunden iS. 287).
Sie wird noch dadurch gesteigert , daß das
Terrain gegen den Platz zu ansteigt.
Francescho Mocchi. zwischen Michelangelo
und Bernini stehend, gab eine andere, wirkungs-
volle Verbindung von Archi-
tektur und Monument : er
situierte die beiden ähnlichen
Reiter- Figuren der Herzöge
Alessandro und Ranuccio
Farnese auf der nach ihnen
benannten Piazza de'Cavalli
von Piacenza rechts und
links auf niederen Sockeln
vor dem prächtigen Palazzo
Municipale , so den Vor-
platz markierend (S. 288).*)
') Es Ist schwer, ja unmög-
lich, Plastiken oder architektonische
Gebilde des Barock photc^aphisch
gut aufzunehmen. Sie geben kein
Flächenbild, stellen ihre Gesamt-
288
Ahnlich stehen die beiden Brunnen vor Palazzo
Farnese zu Rom, und auch für den Platz vor
St. Sulpice zu Paris hatte Servandoni, der Er-
bauer der klassischen Fassade, zwei ähnlich
situierte Fontänen geplant. Einige Jahrzehnte
später stellte man mitten auf den Platz die
Fontäne de la Paix, die schon 1813 von Moisy
getadelt wurde: »Ce petit monument qui n'est
nuUement en rapport, ni pour le charactere
d'arcbitecture, ni pour la masse avec l'immense
portique de St. Sulpice, offre encore l'incon-
venient d'etre situe de maniere ä couper, de
presque tous les points de
la place, le developpement
de cette belle fassade'^ . Das
hat nicht verhindert, 1847
durch eine noch klotzigere
Fontäne die alte zu ersetzen,
den Platz mit Bäumen aus-
zupflanzen und so die Fas-
sade gänzlich zu verstellen.
— Wir brauchen uns dem-
nach nicht allein zu schämen.
DR. A. E. BRINCKMANN— AACHEN.
V\.\Z/.K Dt CAV.\LLI.
erscheinung nicht gpgen einen
Standort restlos klar, sondern ver-
langen, dal'i man um sie herum-
gehe oder in ihnen sich bewege,
den Standort wechsle.
MARIK HAKNULER WIEN.
Gestickter faclier.
BUCHKUNST.
EINK GLOSSE VON KUHAKl) SCIIAUKAI..
Der durcli zahlreiche, zum Teil treffliche
l'ublikationen zumal älterer deutscher
Autoren rühmlichst bekannte Verlag Eugen
Diederichs in Jena versendet ein Zirkular
über eine monumentale »Faust ■»-Ausgabe. Es
scheint mir notwendig, da die Sache leider
nicht mehr hintanzuhalten ist, wenigstens für
die Zukunft an dieses lehrreiche Exempel ein
])aar warnende Worte zu knü])fen. Der Buch-
schmuck , diese schauderhafte Bewegung
der neunziger Jahre, beginnt bei uns gott-
lob abzuflauen. Kompromittierendes ist zwar
noch reichlich vorhanden, und weitverbreitete
schnöde Typen gebären sich endlos iort, aber
im gr(jßcn und ganzen hat man die Langweilig-
keit und (.leschmacklosigkeit des sinnlosen
Kitsch-Ornamentes, wenn nicht eingesehen,
doch gefühlt, und tüchtige Firmen — allen
voran seit neuestem Hans von Weber in Mün-
chen — haben gezeigt, daß man auch in
Deutschland endlich wieder an die herrliche
Tradition — unsre Bücher vom Anfang bis in
die Mitte des 19. Jahrhunderts — mit Verständ-
nis anzuknüpfen bereit und seelisch wie tech-
nisch in der Lage sei. Die'l'atsache jedoch, daiJ
in dem letzten Jahre von drei großen führen-
den Firmen , unter der Ägide namhafter
Künstler, in sogenannten Monumentahvcrken
wahrhaft Beklagenswertes auf den heute so
reich bestellten Markt der Luxusbücher ge-
bracht worden ist, zwingt den ehrlichen
Freund edler echter Bücherkunst zu lauter
Rügerede. Ich meine des Insel -Verlags »Ecce
homo , die Bondische Shakes)ieare-.\usgabe
(in der unerfreulichen ^ Verbesserung« des
Schlegel -Tieckschcn Textes durch einen an-
maßlichen Herrn Gundolf) und eben den
Diederichs'schen Faust, der der unmittel-
bare Anlaß dieser Zeilen ist.
Ich bin seit vielen Jahren ein entzückter
Sammler guter Bücher und besitze zumal
an trefflichen deutschen und französischen
Ausgaben des 19. Jahrhunderts eine stattliche
Anzahl. An ihnen habe ich meinen Ge-
schmack geschult und weiß, worauf es an-
kommt bei einem tüchtigen Buche.
Ich bin überdies als Autor mit manchen \'er-
legern in Verbindung geraten und habe mit Inter-
esse, freilich oft mit Entsetzen gesehen, wie bei
uns buchtechnisch gearbeitet wird, welche Ziele
289
Richard Scliaukal:
HELENE GEVRIXGER-WIEN.
blind verfolgt wx-rden. Ich habe mich immer
intensiv und energisch, (reilich kaum je mit
vollem fZrfolg, um die äußere Gestaltung meiner
Publikationen selbst bemüht und bin ein-
sichtigen Verlegern ein nicht zu übersehender
Anwalt der eigenen Sache, ein nicht zu über-
hörender Berater überhaupt gewesen: auch
hier leider nicht mit dem für die Sache
wünschenswerten durchgreifenden Erfolge. —
Soll ich meinen Eindruck von der Art,
wie heute von unternehmenden deutschen
Verlegern Bücher gemacht werden, in ein
Leiiienkisseii mit farbiger Sückerei.
Wort zusammenfassen, so lautet mein Tadel :
unharmonisch. Es fehlt den Druckwerken,
die sich auf den ersten Blick oft recht ge-
fällig präsentieren, an der Einheit. Und nur
in dieser Einheit, die Notwendigkeit ver-
kündet, beruht das Geheimnis der wunder-
baren Wirkung aller älteren deutschen und
der französischen und englischen guten Pubh-
kationen. Unsere Verleger schießen fast immer
übers Ziel hinaus, oder sie haben keinen Sinn für
das Wesentliche. Sie fahnden unruhig nach dem
neuen und originellen »Buch k ün s 1 1 er ■ und
WIKNER PRODUKIU •
GENOSSENSCHAFT DkK
ABSOLVE.N'TINNEN
DER K. K. KUNST-
ST1CKEREI-SCHU1.HN.
MARIE HAENULER
\\ lEN.
LEINENKISSEN
MIT SCHWARZEN
M HNÜREN.
Bt/c/iht)i<;/. Einr Glosse.
MAV MIIKHIS
LONDON.
I.KINBNKISShN
Mir KINFACHÜR
STICKI-IREI.
gehen an trefflichen Mustern des Bücherlebeus
vorüber. So machen sie immer wieder leere,
tote und meist l'ratzenhalte Bücher. Nehmen
wir das vorliegende Beispiel. Ich erkläre dieses
sich als tonangebend gebärdende Werk als
durchaus verfehlt. Warum? Weil es eine Reihe
von un vereinigten Faktoren vorstellt,
kfin Clanzes. Der I'ros[)ekt behauptet, die
rhythmisch abgewogene Liniatur halte das
ganze Seitenbild zusammen. •^ Ich behaupte,
diese Liniatur ist ein schrecklicher, ein witziger
Einfall, hat von Rhythmus keine Spur und
ist nicht »abgewogen , sondern planlos. Es
gibt scheinbar ähnliche Liniaturen in vortreff-
lichen Büchern bester Zeiten. Aber — es gibt
eben Flöten und — Flöten. . . Der Prospekt
weist femer auf das »buchästhetische Wagnis
eines Clemischtsatzes«: hin. Ich erkläre dieses
Wagnis als einen Aberwitz und konstatiere,
daß die ästhetische Wirkung scheußlich ist.
Noch mehr: die Typen sind nicht nur unzu-
sammengehörig, einander fremd und daher
niemals vereinbar, sondern sie haben auch
verschiedene — jedoch nicht abgewogene —
Tonstärken. Die ganze Textseite wirkt als
einer der leider bei uns üblichen »künstle-
rischen ' Einfälle, die die allzu rührigen Verleger
mit Stil verwechseln. (Dieses * Künstlerische ■^
ist überhaujit der Krebsschaden unsrer um
allen Stil betrogenen Zeit, eine richtige Krätze.)
— Ebenso liegt der Fall bei dem Van de
Veldeschen Ecce homo , ebenso bei dem
Lechterschcn - Shakes])eare . Möchten docii
die Deutschen wieder einmal bei den Franzosen
in die Schule gehen, nicht etwa nur den
neuesten, auch nicht den klassischen- .•Mten,
sondern bei denen der gleichgiltigen 60er und
70er Jahre zum Beisiiiel. Man nehme eine
Lu.xusausgabe etwa von Jonaust! Wie anders
wirkt dies Zeichen auf mich einl Und was
ist der Grund der unbeschreiblich vornehmen
Wirkung der Textseiterl Das Verhältnis,
die Ruhe, die von aller .Absicht entbürdele
Sicherheit des (jeratenen. Nichts als
kostbares Papier und guter Druck.
Nichts sonst — aber wie verschmolzen zum
Eindruck des Verehrungswürdigen !
Bei uns ist man immer auf -■Kultur' aus.
Welch ein Irrtum! Man hat Erziehung, das ist
alles. Und die Deutschen haben auch Erziehung
genossen — in verschollenen Zeiten. . . Geht
in die Kinderstut)e eurer Tradition, fürwitzige
Kullurförderer; vielleicht lernt ihr doch noch
das llruseln I . . .
Und zum hundertsten Male : zu einem guten
Buch braucht man keinen >Buchkünstler«,
sondern »bloß« — Geschmack und weiters
solide Arbeit in solidem Material. — .scn.
291
FRAU KLSE
WISLICENUS
BRESLAU.
KISSEN UND
HANDTÄSCHCHHN
MIT STlCKKKtl
IN bMDE. PtKLEN
UND SlLBtR.
KRAU KLSB
WISLICKNÜS
liKESI-AU.
KISSHN UND
IIÄUBCIIHN MIT
snCKBRHI IN
SKIDH, IMtKLHN,
(.OLD UND SILUliR.
PAUL COOPkR
LONDON.
ALTARKKLLHE
L'ND KACI-Ht!-
KANNK IN
SILni^K.
AUSGKSTKLLT
IS DKR INTHK-
NATIONAI.KN
KUNST SCHAir
IN WIRN 1909.
PROFESSOR ERNST RIEGEL DARMSTADT.
POKAL IN SILBER, GRAVIERT UND MIT TOPASEN BESETZT.
KÜNIÜLICIUC fuKZKLLAN-MA.NUlAKTUR BICKLLN. NalikUstcheii mit AufglaSUllUdlclci uiiU Email.
KÖNIGLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR -BERLIN.
War es schon von jeher für jeden Freund
des Kunstgewerbes von größtem In-
teresse, die neuen Erzeugnisse unserer großen
staatlichen Porzellan-Manufakturen zu \ erfolgen,
so liegt doch jetzt ein besonderer AnlaLl vor,
sich mit den Neuheiten der Königlichen Por-
zellan-Manufaktur zu befassen. Wird es doch
jetzt fast ein Jahr, daß in der künstlerischen
Leitung dieser Manufaktur ein einschneidender
Wechsel eingetreten ist. An die Stelle von
Professor Kips, der lange Jahre ihr artistischer
Leiter war, ist vor ungefähr einem Jahr Pro-
fessor Schmuz-Baudis getreten. Dieser Künstler,
der schon einige Jahre im N'erbande der Manu-
faktur selbständig gearbeitet hat, ist eine so
ausgeprägte Künstlerpersönlichkeit, daß man
eigentlich annehmen mußte, daß die Manu-
faktur in ihren künstlerischen Arbeiten nach
diesem \\echsel ein ganz anderes Gesicht be-
kommen werde.
Jetzt, nachdem fast ein Jahr vergangen
ist, kann man sagen, daß es doch nicht so
gekommen ist. Professor Schmuz-Baudiss war
eben viel zu einsichtig, um gewaltsam seine
künstlerischen Anschauungen sofort durchsetzen
zu wollen. Kr konnte auch nicht die alte und
sichere Tradition der Königlichen Manufaktur
einfach negieren, oder in so kurzer Zeit den
komiilizierten Mechanismus eines so großen
Werkes auf eine vollständig andere Richtung
einstellen.
Für einen großen Teil der künstlerischen
.Vrbeiten der Fabrik war überhaupt eine .\n-
derung nicht möglich, da sie auf Bestellung
hergestellt zu werden pflegen. Diese Arbeiten
müssen also genau nach den alten Mustern
angefertigt werden, aber soweit keine ganz be-
stimmten Mustervorschriften vorlagen, wurde
auch bei diesen doch darauf hingearbeitet.
Form und Dekor mehr in Einklang zu bringen
als das früher in allen Fällen geschehen ist.
So oft es nur möglich war, hat man auch
darauf verzichtet, technisch virtuose Malereien
zu geben und sich heber streng an <iie alten
Vorlagen beziehungsweise die Formen und die
Farbengebung der betrcflenden l'^poche gehalten.
Könicriiche Poi-zellan-Maintlaktur-
-Berlin.
Wie in der alten bekannten Richtung der
Königlichen Manufaktur jetzt weiter gearbeitet
wird, zeigen zwei der hier abgebildeten Por-
zellane. Das eine ist ein Nähkasten, der in
frei behandelten Rokokoformen gehalten ist. Im
ganzen Aufbau findet sich keine gerade Linie
und auch das Oval, das den Umriß des Deckels
bildet, ist noch mehrfach gebrochen und ein-
gezogen. Diese kapriziöse Linie liegt ganz
im Sinne dieser klassischen Zeit des Porzellans,
aber sie hat auch den technischen Vorteil,
daß der Porzellankörper im Ofen seine Form
besser behält, sodaß der überfallende Deckel
genauer auf den in Fächer geteilten Kasten paßt,
als wenn er in einer einfachen geometrischen
Form gehalten wäre. Die in Aufglasurfarben
ausgeführte Dekoration zeigt ein großes Mittel-
stück und außerdem kleine Blumensträußchen
und Ornamente. Besonders interessant ist eine
farbige in Email ausgeführte Perlenkante, die
rings um den Sockel herumläuft. LJieser Ver-
bindung von Aufglasurfarbe, Gold und Email
wird jetzt in der Königlichen Manufaktur
besondere Aufmerksamkeit geschenkt und
in nächster Zeit
schon werden ver-
schiedene neue
Muster in dieser
reizvollen Kombi-
nation herauskom-
men. — Das an-
dere in Aufglasur-
farben dekorierte
Stück ist ein ko-
nischer durchbro-
chener Obstteller.
Bekanntlich ist die-
ses Obstservice ein
eiserner Bestand-
teil jeder besseren
bürgerlichen Aus-
stattung. Aber so
hoch es auch von
den guten Haus-
frauen gehalten
wird, so wenig
hat es doch die
Anerkennung der
strengeren Kritiker
gefunden, weil die
Obstslücke auf
diesen Servicen
von einer uner-
träglichen Plastik
waren. Dieses alte
Muster ist jetzt
298
etwas modifiziert worden, indem die Schatten
weggefallen sind, sodaß sich die ISLalerei besser
in die Fläche einfügt und nicht mehr wie bei
der früheren Ausführung in virtuoser Weise
natürliches ( )bst vortäuscht.
Die anderen Abbildungen zeigen Porzellane
mit Unterglasurdekoren, in denen sich bekannt-
lich der jetzige künstlerische Direktor der
Porzellan-Manufaktur einen eigenen Stil ge-
schaffen hat. Auch er ist natürlich zu diesen
Arbeiten von den schönen Porzellanen der Kö-
niglichen Manufaktur in Kopenhagen angeregt
worden, die bei ihrem ersten Erscheinen auf der
Pariser Welt- Ausstellung ein so großes Aufsehen
erregt haben und sich auch noch jetzt bei allen
Kennern einer großen Vorliebe erfreuen. Diese
Art der Porzellan-Dekoration hat ihre eigenen
künstlerischen Gesetze, die mit der besonderen
Art der Technik und ihrer eigenartigen Aus-
drucksmöglichkeit zusammenhängen. Bei der
Unterglasurmalerei werden nämlich die Farben
von der Glasur bedeckt. Sie sind also, wie
auch ihre andere Bezeichnung als Scharffeuer-
farben andeutet, in demselben Feuer ein-
gebrannt, in dem
die Glasur des Por-
zellans flüssig wird,
während der Por-
zellan - Scherben
durch die Sinte-
rung seine eigen-
tümliche Struktur
und seine Trans-
parenz erhält. In
diesem hohen
Feuer können nur
wenige Farben ver-
wandt werden, so-
daß die Dekoration
sich auf eine ziem-
lich arme Palette
beschränken muß,
aber dafür werden
auch diese Farben
durch die darüber
liegende Glasur
zusammengehalten
und sie erhalten
von ihr jenen wun-
derbaren Glanz,
den keine andere
Malerei erreichen
kann. Wenn also
in letzter Zeit sich
Stimmen erhoben
haben, die dieser
KGL. PORZ.-MANUFAKTUR— BERLIN. Vase mit Unterglasur- Dekor.
KCL. I'OK/HI.LAN-
'MANUKAKTLR
HKKMN.
■^^■■l^^^B
^^^^^^^^^ ^ ^^^^^^^^1
^^H^^AKh ^^^1
^■L B wW-^i
Kir.UKLK HK
AKHKITHN
tA.30CM MÖHB.
2^J^)
Köiii^l. Porzellan -ManulaktHr—Berlvi.
KOSIGI..
POBZEl-LAN-
MANUFAKIÜK
BERLIN.
FRUCHTSCHALE MIT
Dl'RCHHKOCHHNLM-
RAND UND
al'I"l;lasubmalij-rbi.
Art der Malerei die Berechtigung absprechen,
weil sie den Farbenreichtum der Aufglasur-
malerei nicht erreichen könne, so zeugt doch
jede künstlerisch ausgeführte Unterglasurmalerei
zu sehr gegen diese Doktrin, als daß man sie
anerkennen könnte. Man muß nur zugeben,
daß die Unterglasurmalerei ihre besonderen Ge-
setze hat. Jede naturalistische Wirkung liegt
dieser Technik lern, sie kann nur in breiten
voneinander getrennten Flächen arbeiten und
deshalb müssen auch ihre Modelle für sie be-
rechnet sein. Während die Kopenhagener-
Manufaktur ein ziemlich hoch gebranntes Hart-
porzellan verwendet und ihre Farbenauswahl
demgemäß eine sehr beschränkte ist, wird in
der Berliner Porzellan-Manufaktur mit einem
besonderen Porzellan gearbeitet, dessen Zu-
sammenstellung ihr technischer Leiter Ge-
heimer Regierungsrat Dr. Heinicke erfunden
hat. Dieses iHeinicke-Porzellan« ist weicher,
wird also bei geringerem Feuer fertig und
gestattet daher eine reichere Auswahl von
Farben. So haben die Arbeiten der Berliner
Manufaktur stets einen durchaus selbständigen
Charakter bewahrt und auch die hier vor-
geführten neuen Modelle zeigen, daß der ein-
mal betretene Weg mit sicherem Takt und
großer Folgerichtigkeit weiter beschritten wird.
Die figürlichen Arbeiten sind in großen Flächen
gehallen und auch von verhältnismäßig großen
Abmessungen. So ist z. B. die Dame mit
dem Windhund 32 cm hoch und die beiden
anderen Figuren, die auf derselben Seite ab-
gebildet sind, sind nicht viel niedriger. Bei
den Kinderfiguren hat man sich auf eine sehr
sparsame Dekoration beschränkt, indem bei
dem einen Kind nur die braunen Schuhe,
mit denen es spielt, farbig geli alten sind und
bei dem anderen der Milchtopf und das zarte
Muster des Kleidchens.
Der besondere Stil von Professor Schmuz-
Baudiss prägt sich in den beiden abgebildeten
Vasen in eindringlicher Weise aus. Die
niedrige und bauchige Vase steht in der Art
japanischer Kunstwerke auf einem kleinen
durchbrochenen Untersatz, der ihrem Körper
jede Schwerfälligkeit nimmt. Der großflächige
Dekor ist in den zarten Farben gelb, grün
und violett zusammengestimmt, während in
dem Körper des Vogels die weiße Grundfarbe
?00
KÖNIGLICH i-
l-ORZELLAN
MANt'KAKTUK
BKRLIN-
l'[(.L'KLICHt!
AKIIKITBN
UND TIBRCRUPPB.
Kolli': liehe Porzellan -Manu/akhir-Bcrliri.
des Porzellans vorherrscht. Nur die großen
Federn sind fein konturiert. Die andere
schlanke Vase zeigt einen Dekor, dessen
Motive wohl auf das Chrysanthemum zurück-
gehen, aber dieses Blumenmotiv ist selbst-
verständlich flächig verarbeitet, sodaß es sich
den eigentümlichen Bedingungen der Unter-
glasurmalerei in ungezwungener Weise fügt.
So kann man aus diesen wenigen Proben
schon erkennen, daß die Berliner Porzellan-
Manufaktur sich auf neuen Wegen befindet.
Freilich handelt es sich imi keine gewalt-
same Revolution, die das alte vernichtet, um
dann ganz von vorne zu beginnen, sondern
mit Bedacht wird die alte gute Tradition ge-
pflegt und daneben werden allerlei neue
Keime dem fruchtbaren Buden anvertraut.
Immer mehr werden die reichen Möglich-
keiten dieses einzigen Betriebes ausgenutzt.
Dem zähen und stillen Fleiß ihres künst-
lerischen Leiters, dem ganz bestimmte Ziele
vor Augen stehen, wird es sicherlich gehngen,
den großen Apjiarat , zu dessen Führung er
berufen ist, nach und nach ohne Gewalt-
samkeit seinen Absichten anzupassen. Wenn
ihm das Geschick die für diese große .\rbeit
nötige Schaffenszeit gewährt, dann wird in
der ruhmreichen Geschichte der Berliner
Manufaktur diese Epoche für alle Freunde
des edlen Porzellans immer eine bemerkens-
werte bleiben.
Dr. PHIL. ERNST JAFFE— FR1EI)EN.\U.
PDEZELLAJM-
MANÜFAKTUR
BERLIN.
V.\bE MIT
UNTERGLASUR-
MALEREI.
T^^^^^^i^mi^^i^^)^^B^^^^ss^^^m^^^^^^
PROFESSOR CITO PRUTSCHER WIEN.
SILBERPERL-GLASER. AUSF.: BARNSPANN KLOSTERMl HLE.
FASSADEN-ENTWÜRFE VON ARCHITEKT VVÜRZLER-KLOPSCH.
VT^eranlassung zu dem Wettbewerb, bei dem
Professor 1'". Schumacher Dresden, Re-
t;ieruiigs- und üaurat TeichmüUer Dessau und
Direktor Prof. 1'. Ostermaycr Dessau i'reis-
richter waren, gaben die Miljstände, die sicli im
Bauwesen gerade in den Kleinstädten zeigten.
In den vergangenen Jahren ist — nicht nur
in .\nhalt - - durch unverständige Ilauunter-
nehmer und die geschmackliche Unsicherheit
und Cileichgiltigkeit von Bestellern imd Aus-
liihrenden viel Unheil angerichtet worden.
Der Aufgabe des Wettbewerbs : * Die Schaf-
fung von Gebäude-Schauseiten zu vorhandenen
ortsüblichen Grundrissen, ausgehend von der
alten, leider nicht mehr geübten Bauweise«:,
zeigte sich gerade W'ürzler-Klopsch in hohem
Grade gewachsen, und so wurde denn auch
seinen Entwürfen der I. Preis zuteil.
In den abgebildeten Entwürfen finden wir
alle guten (Jualitäten der übrigen Arbeiten
Würzler- Klopschs wieder: nichts Gesuchtes
sondern durchaus vornehme Schlichtheit in
der Eormgebung, eine organische und ver-
nünftige Durchbildung, die durch schone Pro-
portionen ästhetisch vollauf befriedigt. Die
Aneinanderreihung der Häuser ergibt einen
gefälligen Rhythmus, der durch starke durch-
gehende Horizontalen die nötige Ruhe erhält.
Bemerkenswert ist dabei, daß die verschieden-
artigen Eassadeoausbildungen sich über gleich-
artigem tirundriß erheben. Dieser Umstand ist
für das Unternehmertum besonders wichtig;
eine Monotonie des Straßenbildes wird dabei
zugleich glücklich vermieden.
Es steht zu hofifen, daß das Ergebnis dieses
Wettbewerbs in wirtschaftlicherund ästhetischer
Hinsicht für das Anhaltsche Bauwesen von
einschneidender Bedeutung wird. Die preis-
gekrönten Entwürfe werden vervielfältigt und
den Baubehörden, Magistraten und Bauunter-
nehmern vorgelegt. Wie sich überall zurzeit
eine Bereitwilligkeit in der Anerkennung posi-
tiver Werte zeigt, so werden auch gewiß die
Behörden Anhalts nicht zurückstehen, sondern
das Ihrige zur Hebung der heimisclren Bau-
weise tun.
UIE SCHRIITI.EITUNG.
PREISGEKRÖNTE ENTWlVUFE AUS DEM
GEBÄUDE-SCHAUSEITEN-WETTBEWEKB lÜR DIE KLEINSTÄDTE
DES HERZOGTUMS ANHALT.
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ARCHITKKT D. W. B. P.\UL XVLl<,!LKR-KLOPSCH— LEIPZIG. FASSADEX-KNTWÜKf E MIT DEM I. PREIS BEDACHT.
PREISGEKRÖNTE ENTWÜRFE AUS DEM
GEBÄUDE-SCHAUSEITüN-WETTBEWERB FÜR DIE KLEINSTÄDTE
DES HERZOGTUMS ANHALT.
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l'HHIS KKDACiriHN
ENTWt'RfK VON
ARCHITEKT D. W. H.
l'AUL WÜR/LKK-
KLOI'SCH IN
LKnvii;.
MAX KLINGERS
WAND-GEMÄLDE FÜR DIE AULA DER UNIVERSITÄT LEIPZIG.
Die 500jährige Jubelfeier der Universität
Leipzig hat auch ein künstlerisches Er-
eignis zur Folge, die Vollendung von Klingers
großem, im Auftrage der sächsischen Regie-
rung ausgeführten Wandbild für die Aula,
einem Riesengemälde von 20 m Länge und
6'/4 ni Höhe, das, auf Leinwand gemalt, in
einer Höhe von 4'/2 m über dem Fußboden,
von korinthischen Tilastern flankiert, in die
Wand eingefügt ist. In der Symbolik eines
griechischen Kulturbildes verherrlicht es in
drei Gruppen, »dem geistigen Anschluß des
Bildes an die Bestimmung und Bedeutung des
Raumes entsprechend-, Dichtung und Literatur
(Homer den andäclitig lauschenden Griechen
seine Gesänge vortragend), die Wissenschaft
(die beiden ernsten mit einander verhandelnden
Männergestalten, Aristoteles und Piaton, die
Repräsentanten der Natur- und Geisteswissen-
schaften) und der Kunst (die schöne Gruppe
auf dem Wiesenplan , die ein Künstler zu
zeichnen sich bemüht. Erhobenen Hauptes
sitzt der blinde Sänger auf einem Felsen, die
Arme in seherischer Erregtheit ausgestreckt
gegen die über alle mächtige Göttin der Liebe,
deren Gegenwart er erschauernd ahnt , die
Göttin, die durch den Schiedsspruch des Paris
jenen Krieg veranlaßte, der den Sänger zu
seinen Liedern von den Heldentaten vor Ilion
begeisterte. Eine Triangel schlagendes und ein
träumendes Mädchen vollenden diese Gru])pe,
die nach der Tiefe die wundervolle Halbinsel
Syra zu einer machtvollen Komposition ab-
schließt. Am rechten Bildrand erscheint,
von seinem Freund Parmenion begleitet, in
Helm und Panzer, hastigen Schritts Alexander.
der Schüler des Aristoteles, dessen feuriges
Begehren es war, dem berühmtesten Helden
der Ilias nachzueifern. Ein Mädchen reicht ilim
den Lorbeer, mit dem er den geliebten Lehrer
krönen soll. Eine junge .Amazone, die für die
Komposition der Figurenreihe ein notwendiges
Bindeglied ist, macht diesen auf das Nahen
des berühmten Schülers aufmerksam. Die
37 Figuren des Bildes sind in eine Landschaft
hineinkomponiert, die aus verschiedenen Natur-
motiven zu dieser großartigen, überaus festlich
wirkenden Naturszenerie vereinigt ist, hnks in
ihrem hellen Glanz das felsige Vorgebirge der
Insel Syra, rechts der Rosengarten in rosa
Glut. Klinger entnahm den Vorwurf wieder
der Antike wegen der Allgemeinverständlichkeit
ihrer Symbolik , ihrer Mythologie und Ge-
staltenwelt und weil sie dem Nackten die
grölJte l'reiheit gewährt. Es ist der erste
monumentale Auftrag, der Klinger, dessen
große Figurenbilder, »Anbetungen dieser pracht-
vollen großschreitenden Welt«, festliche, lempel-
artige Räume verlangen, zu Teil geworden ist.
Eine Fülle von Studien (I'arbenskizzen, Akte,
Köpfe, Gewanilfiguren) liegen dem Bilde zu
Grunde, die sich die Wiener Galerie gesichert
hat. Einige Köpfe sind teils treue, teils leicht
umgemodelte Porträts. Ganz rechts in der
Griechengruppe sehen wir das Porträt Greiners.
Klingers .Stil der Monumcntalmalerei ist
aus dem »Parisurteih und dem s Christus im
Olymp bekannt. Er ist dasselbe in diesem
Riesengemälde. Im Gegensatz zu der von
vielen als allein seligmachend gepriesene deko-
rative Flächenmalerei vertieft Klinger wie
Marees die Wand zu einem farbigen Raum
mit freier Anordnung von bewegten Grup])en
und Einzelgestalten und entfaltet in Licht und
Luft die Farben in der ganzen Fülle ihrer
Reflexe ; er wirkt dabei immer groß, auch in
der l'arbe. Die grünen Bäume, das Gebirge
und die stark farbigen Gewänder sind bindende
Massen für die warmen goldbraunen und
rosigen Fleischtöne, für die hellen, schweben-
den Farben des Himmels, des silberrosig
leuchtenden Wassers und des Vorgebirges.
Das Bild ist kein Fresko, auch kein Tempera-
bild in mauerkühleii abstrakten Farben wie
das Hodlersche in Jena, es ist ein Ölbild,
und Klinger will sich die stark differenzierten
feineren Reize der Glfarbe nicht entgehen lassen;
sie wirkt mit dem ganzen Zauber ihrer Sinn-
lichkeit. Und von neuem bewundem wir in
diesem Gemälde Klingers herrliche Landschafts-
kunst und seine Meisterschaft, die Figuren
nicht nur durch Viertels- und Halbwendungen
und Contrajioste, durch ausdrucksvolle CJesten,
die leidenschaftliche Homers, die lässigen,
träumenden, hinweisenden der Frauengestalten,
die statuarische Gelassenheit, den herrlichen
Dreiecksaufbau der rechten Gruppe, sondern
mehr noch durch die farbige Modellierung
aus der Fläche in den freien Luftraum zu
heben und die »prachtvolle großschreitende
Welt« mit »vollständiger Klarheit und Tiefe
wiederzugeben«. paul kühn.
310
M ANZAN A - PISSARO -PARIS.
»HL. JUNGFRAU MIT DEM KINDE«.
PIEKRK PUVIS DE CHAVANNES.
ücmälde: Enthauptung Johannes des Täufers«
AUSSTELLUNG FÜR CHRISTLICHE KUNST
DÜSSELDORF • MAI BIS OKTOBER 1909.
Einst lebte die Kunst von den Aufträgen
der Kirche. Ja, genauer zugesehen waren
damals die Kirche und der von ihr verwaltete
Kult der Nährboden alles künstlerischen Emp-
findens, der Maßstab aller künstlerischen Pro-
duktion. Die Kunst war eine Art des Gottes-
dienstes ; durch Jahrhundertc glaubte sie allein
die Themen der beiden Testamente und der
Heiligengeschichte ihrer würdig. Doch waren
diese Perioden der intimsten AUiance zwischen
einer Schönheit, die trotz alles heiligen Strebens
doch immer irdisch bleiben mußte, und einer
transzendentalen Geistigkeit, der aller farbige
Glanz doch nur ein Neigen vor der himmhschen
Herrlichkeit sein konnte, keineswegs im üblen
Sinne konservativ oder gar ohne formale Ent-
wicklung. Auf die byzantinische Basilika folgt
der romanische Dom und die gotische Ka-
thedrale , ein heftiger und einschneidender
Wechsel der Stile ; aber an dem guten Ver-
hältnis zwischen Kirche und Kunst ändert sich
nichts. Die Kirche erläßt keine Episteln gegen
die moderne Kunst. Einmal aber war auch
die Gotik modern. Die Kirche folgte allen
Bewegungen der architektonischen, der
malerischen und der plastischen Form;
sie hemmte nie, weil eine Wandlung, das
Schwinden des Rundbogens, das .\ufkommen
des Spitzbogens, die Überwindung der Leb-
losigkeit durch Giotto, womöglich allein aus
profanen Gelüsten und menschlichem Fort-
schrittstrieb geschehe. Die Kirche machte alles
mit. Das konnte sie, ohne fürchten zu müssen,
einer FLrdengewalt Untertan zu werden ; denn,
alles was die Wissenschaft, die Literatur und
die Kunst hervorbrachten, waren letzten Sinnes
Reflexe des religiösen Lebens. Die Kirche
war die Kultur. In dem Augenblick, da die
1909. XII.
313
Aussiellung für christliche Kunst Düsseldorf igog.
MAURICE DENIS - ST. GERMAIN-EN-LAYE.
Einheit dieser Zusammenhänge verloren geht,
da sich neben der Kirche und gegen sie kul-
turelle Faktoren zu regen beginnen, gibt es
Konflikte, spaltet sich die Kunst in einen sa-
kralen und einen irdischen, einen kultischen
und einen mystischen Zweig.
Zu den herrlichsten Zeiten der Künste war
die Kirche der Kunst aufs engste verbunden.
Das Autodafe der Eitelkeiten, das Kunstwerke
zu Asche brannte, richtete sich gegen Rom
und wurde vom Papst gerächt ; die Bilder-
stürmer wollten die Kirche treffen. Zum Triumph
über den Sieg der allmächtigen Mutter wurden
die Kirchen der Gegenreformation mit rau-
schendem Prunk erfüllt. Der Jesuitenbarock,
eine Kunst des Fleisches, ein Jauchzen der
Sinne, ist nur als ein Echo der wieder die Welt
verwaltenden Kirche zu verstehen. Correggio,
Tiepolo und Rubens stehen auf den Altären
und strahlen von den Wänden, den Glanz der
Messe, das jubilierende Konzert der priester-
lichen Ornate in hellen Fanfaren aufflammen
zu lassen. Die Kunst ist der Kirche eine Wafte;
durch die Kunst offenbart die Kirche ihren
ungeheuren Reichtum , ihre unerschöpfliche
Lebensmacht; die Kunst hilft den Päpsten, mit
den Fürsten der Erde zu wetteifern.
Gemälde: »Verelirung des Jesus-Kindes«.
Wie kommt es, daß heute, daß schon seit
beklagenswert langen Jahrzehnten zwischen
Kunst und Kirche sich eine Kluft aufgetan hat 'i
Wie kommt es, daß die Kirche in der Kunst
eine ihr zumeist feindÜche Kulturmacht erblickt;
daß die Kunst es als eingeschränkt und min-
derwertig empfindet, der Kirche zu dienen r
Das Eine ist offenbar : die Kirche ist nicht
mehr wie einst die Kultur an sich ; es gesellten
sich ihr weltliche Größen, deren Einfluß, deren
bestimmende Wirkung oft absolute Geltung ge-
wonnen haben. Diesen jungen, aufgehenden
Sonnen hat die Kunst ihre volle Leidenschaft
geöffnet; sie wurde irdisch, sie wurde der
Natur und dem Menschen ein bedingungsloser
Vasall ; sie verzichtete darauf, die Jungfrau
Maria zu ehren, sie begnügte sich mit dem
Weibe. Und sie gewann damit auf neuem
Boden eine neue Blüte. Es läßt sich also ver-
stehen, daß die Kircne, die aller nicht direkt
von ihr abstammenden Kultur skeptisch gegen-
überstehen mußte, auch gegen die Kunst dieser
pietätlosen Lebenskreise mißtrauisch wurde.
Und so kam dann die große Ebbe ; die Kirche
begann, was sie früher nie getan, die Wand-
lungen der Kunst als Modernismus und Re-
bellion zu empfinden. Die Kunst ward ge-
314
MAURICE DENIS —
ST. GERMAIN -EN-LAVE.
GEMÄLUE: »MADONNA«.
Atisstelbing für cliristliche Kirnst Düsseldoii igog.
MME. JEANNE SIMON PARIS.
nötigt, wenn sie von der Kirche Aufträge emp-
fangen wollte, sich zu verleugnen, sie mußte
in ein fremdes und abgebrauchtes Gewand
schlüpfen. Das Romanische, das Gotische,
das einst modern war und freudig empfangen
wurde, mußte jetzt herhalten, alles Moderne zu
verjagen, galt jetzt als Gesetz und geweihte
Norm. Da trennten sich die Künstler, die einst
durch die Kirche ihr Leben bekamen, von
einem Regiment, das ihnen jede sprudelnde
Quelle verstopfte. So kam es zu einem zehn-
fach schlimmeren Autodafe und Bilderstürmen.
So wurden die unbegabtesten, die charakter-
losesten ^Architekten zu Kirchenbauern ; die
typischen Kitschmaler arbeiteten am Schmuck
des Heiligtums ; es gab nur noch Kopien und
seichte Nachgüsse.
Gemälde: »Im Hause zu Nazareth
Wenn nun die Kirche unter dem Druck
der weltlichen Kultur zu der Erkenntnis reifte,
daß sie wieder Fühlung nehmen müsse mit der
buntesten und reichsten Macht der Erde, so
bedürfte es eines Wunders, wenn sofort wieder
die einstige, glückliche Innigkeit, die fruchtbare
Einheit wiederkäme. Das verlorne Terrain
will in zähem Kampf zurückerobert sein. Die
Kunst kam zur Herrlichkeit ; einst lebte sie
vom Odem der Kirche, heute muß die Kirche
sich von ihr segnen lassen. Ob es wieder
voran gehen wird, ob wieder eine neue, mo-
derne und doch nur als natürlich empfundene
kirchUche Kunst kommen kann, das ist abzu-
warten ; das wird bestimmt durch die Lebens-
potenz der Kirche innerhalb der gegenwärtigen
Welt. Darum, wenn unternommen wird, in
316
LOVIS CORINTH-BERLIN.
ÖL-GEMÄLDE: »KREUZIGUNG«.
BES. : PRUT. KIRCHE IN BAI) TÜLZ.
Robert Breuer— Berlin .
ADOLF HÖLZEL— STUTTGART.
einer Ausstellung das zu sammeln, was für die
kirchliche Kunst der Zeit maßgebend ist, so
kann es sich nur um einen Versuch han-
deln, um eine pädagogische Maßnahme, aufzu-
wecken und anzureizen. So will die »Düssel-
dorfer Ausstellung« verstanden sein. Sie zieht
ihre Kreise aber noch weiter; sie will nicht
nur der Kirche dienen, sie will das christliche
Element innerhalb der Kunst, auch der nicht
speziell kultischen, aufzeigen. Sie will etwas,
was ihr noch besser gelungen wäre, wenn sie
318
Gemälde: »Eine Mutter«
statt nur nach christlicher nach religiöser
Kunst überhaupt ausgeschaut hätte.
« * *
Ein schwacher Nachhall großer Vergangen-
heit waren die Nazarener. Mit femininer Sen-
timentaUtät wollten sie die starken Taten einer
in Gesundheit strotzenden Zeit noch einmal
geschehen lassen. Sie brachten es aber nicht
weiter als bis zu einer zarten lyrischen An-
dichtung. Aus ihren Händen schien ein me-
lanchohsches Schattenspiel zu gleiten'; alle
Aiisstellung für christ liehe Kunst Düsseldor/ igog.
ihre Werke sind müde und schwach wie arme,
verwundete Vögel. Auf diesem Wege konnte
die christliche Kunst kein Neuland gewinnen.
Das ist der unverkennbare Kinilruck, der uns
in Düsseldorf wird. Diese retrospektive Ab-
teilung ist mit guter Sorgfalt zusammengetragen
worden; von den besten der seraphischen
Brüder sehen wir charakteristische Proben ;
am geschlossensten wird uns Joseph l'ührich
gezeigt. Er war das Haujit der österreichischen
Nazarener ; er wäre ohne RatTael und Dürer
nicht denkbar. Seine Seele war aus feinem
Stoff, seine Hand schmächtig und hingebend.
Kr hat Adel, wie ihn die letzten eines Ge-
schlechtes zu Cirabe tragen. Aber nimmer-
mehr kann Führich einen neuen Anfang be-
deuten. Die Nazarener gingen hin und ließen
kaum Spuren ; es ist zu fürchten, daß es der
Beuroner Kunstschule ähnlich gehen wird.
Unter dem Pater Desidcrius haben sich da
einige kunstfreudige Benediktiner zusammen-
getan, um bei der Neugeburt der religiösen
Klassik redlich zu helfen. Es gelingen ihnen
auch manche milden und lieben Dinge; im
Grunde bleibt es aber doch ein frommes Di-
lettieren. Was herauskommt, ist ein etwas
dünnblütiges Schema aus Byzanz, Quattrocento
und seltsamerweise einigen Gran Ägypten.
Immerhin, die Beuroner machen brauchbare
Dinge, die jedenfalls unendlich viel besser sind
als der notorische Schund, mit dem heute so
mancher Sakralbau verunziert wird. Schon
um ihres schönen Eifers willen könnten sie
vorbildlich werden.
* * »
Es ist zum Erschrecken, was für minder-
wertige Bilder oft über den Altären und an
den Wänden der Kirche hängen. Empfind-
same Augen können sie nicht beschauen ;
gleich der schlechten Musik und dem oft.
ADOLF HULZEI. STUTTGART.
tjemalde: ^Anbetung».
3'i^
JAN TOOROP-NYMWEGEN.
ZEICHNUNG: »GOTT VERTRAUEN«.
BES.: E. FLERSHEIM-FRANKFURT-M.
i
ii
JAN TOOROF — NYMWEGEN.
ZEICHN.: »VERMÄHLUNG MARIENS«.
BES.: REMI DE BLOCK AMSTERDAM.
l'.'O'J. XU i.
Robcii Bmifr— Berlin :
JAN TOOROP NVMWEGEN.
ach so schlechten Deutsch der Predigt ver-
scheuchen die üblen Malereien die schweigsame
Stimmung der Andacht. Der Widerspruch regt
sich. Warum haben vom frühesten Anfang
bis zum Ausklang des Rokoko nur die Besten
der Kunst das Heiligtum schmücken dürfen;
warum kann heute jeder stereotype Bilder-
macher seine versüßten, konventionellen und
abgeblaßten Dutzendstücke dort aufhängen.
Das kann und das muß wieder einmal anders
werden; dazu will die Düsseldorfer .Aus-
stellung <• helfen! Freilich, üire Arbeit wäre
gründlicher gewesen, wenn sie radikal alles Un-
zulängliche und Geschmacklose ausgeschlossen
hätte. So aber hängen da eine beträchthche
Zahl imdiskutabler Produkte. Dazu gehören
alle absichtlich süßen Madonnen, alle hysterisch
gesteigerten und dramatisch frisierten Leidens-
bilder, alle unter moderne Beleuchtung ge-
setzten Panoptikumsetfekte. Bei dieser üblen
Blütenlese zeigt sich, wie bedenklich die heu-
tige Art des Bilderfabrizierens ist; bei den.
ZeicbDung: sDie drei Biaiiie
üci öirisü. Gedankett
meisten weiß man nicht, wozu sie eigentlich
gefertigt wurden, für welchen Ort sie bestimmt
sind. Das ist ein ungeheurer Vorteil , den
die alten Künstler hatten, daß sie immer klar
umschriebene .Aufgaben zu lösen bekamen.
Einen Altar aufzurichten, eine Hauskapelle zu
zieren, eine Grabstatt zu weihen. In den
klassischen Zeiten hatte die großformatige Ma-
lerei eine dekorative Tendenz ; bei allzu vielen
unserer heutigen Engrospinseleien fehlt hiervon
auch die letzte Spur. Alles scheint nur für
das Museum gedacht und zugeschnitten. Da-
mit ist aber von vornherein das Bild, das
ein Faktor des Kultes, eine Form der Ver-
ehrung sein soll, zum Schaustück degradiert.
Soweit die religiöse Malerei sich mit biblischen
und legendarischen Themen befaßt, muß sie
unbedingt für einen dem Alltag entzogenen,
der Einkehr vorbehaltenen Ort bestimmt sein.
Es ist unschicklich, ein Bild der Kreuzigung
in einen profanen Salon zu hängen. Die
^Frage : wo könnte dies Bild seinen Platz finden.
522
Atisstellunv für christliche Kunst DüsseMorf igog.
FERNAND KHNOPFF BRÜSSEL.
ist vielleicht das sicherste Kriterium, um die
affektierte von der guten, religiösen Malerei
zu trennen. Betrachten wir daraufhin die
Düsseldorfer .Vusstellung, so treffen wir nur
wenige, die deutlich für den Altar und die
große Kirchenwand arbeiten. Dazu gehören
vor allem Gebhardt und Steinhausen, aber
auch 1,0 vis Corinth und Böcklin. Stein-
hausen läßt eine milde, sommerliche Lyrik in
weichen sich allseitig ausbreitenden Kreisen
strömen. Sein Christus ist ein gütiger Gärtner,
dem die Flur in hellen Tönen jubiliert. Es
sind blasse und stille Bilder, die einer Wand
Getönte Zeichnung: »Requiem«.
wohl liefe Ruhe geben können. Ganz anderes
erstrebt Corinth; er will das Drama ent-
hüllen, die ungeheuren Geschehnisse der Er-
lösung mit motorischem Pathos aufrollen. Er
erinnert an Grünwald. Die Kreuzigung, die
in der Kirche zu Tölz hängt, ist ein vorzüg-
liches Altarbild, stark in der Wirkung und
von einem schönen, warmen, silbrig durch-
strahlten Ton. Auch vor L'hde hat man
häufig das Gefühl, daß sein Bild nur im kirch-
lichen Raum zur vollen Entfaltung kommen
kann ; zuweilen aber spürt man, wie es nach
dem Krankenzimmer, dem Hospital, dem fest-
r-i
JOAKIM SKOVGAARD -KOPENHAGEN. KAIN UND ABEL«. FRESKO IM IJOM ZU VIBORG.
I
PAUL RÖSSLER-DRESDEN.
WANDMAtEREI IN DER KIRCHE
ZU WEIGSDORF IN SACHSEN. ::
PAUL R( JSSLER-DRESDEN.
WANDMALEREI IN DER KIRCHE
ZV WEIGSDORK IN SACHSEN. :.
Aussiel/uno^ ffn cJirisiliche Kunst Düsseldorf iqog.
KARL STKAIHMANN MÜNCHEN.
liehen Raum einer Schule, dem Arbeitszimmer
eines ernsten Menschen verlang'. Das rein
Menschliche der Religion komme bei Uhde
am stärksten zum Ausdruck. Au"-'! das Son-
nige; aus seinen Gestalten quilit und blüht
eine lichte Glückseligkeit, eine zarle, schwin-
gende Musik. Wenn die Kirche sicheren
Weges wieder reine Kunst in ih' ■ Häuser
tragen will, so muß sie sich dieser vi' ' [eister
und derer, die ihnen nachstreben, 'rzhaft
bedienen. — Ein wenig unklarer ist ?, was
mit den Bildern von Adolf Hölzi»l ge-
schehen soll; für die protestantische ii-che
scheinen sie mir jedenfalls nicht beso. s ge-
eignet, eher dürfte die leicht byzantinisch par-
fümierte Mystik dem katholischen Empfi' den
entsprechen. Die Bilder sind aber gut . nd
haben einen satten, goldigen Ton; wenn av ;h
das geometrische Prinzip der Komposition em
wenig leicht aufzuspüren ist. — Wiederum kk r
ist die Bestimmung der Gruppe Strathmann
Khnopff und Toorop. Sie gehören sicher-
lich in kein Kultgebäude ; sie wollen mit ge-
ringem Abstand, ein wenig skeptisch, mehr
analytisch als hingebend betrachtet sein. Sie
sind nicht für die Gemeinde, sie sind für den
Ölgemälde: »Maria".
Einzelnen, für den ästhetisch Genießenden be-
stimmt. Strathmann ist der harmlosere;
das Gerank mit dem er seine Maria (zuweilen
auch eine Kleopatra) überschüttet, ist mehr
ein bizarres Spiel als eine symbolische Absicht.
Strathmann freut sich an der Phantastik der
wirbelnden Schneeflocken. Er läßt Ornamente
und Edelsteine auf seine Bilder regnen. Es
bleibt aber alles kompakt und irdisch. Bei
Khnopff hingegen gibt es destillierten Weih-
rauch. Es sind dies Versuche, moderne Mystik
aus Maeterlincks Geist zu Visionen zu ver-
dichten. Ob dabei viel herauskommen kann,
scheint problematisch, und dies um so mehr,
als die esoterischen Priester romanischen Ge-
blütes sind. Um einige Grade gesunder ist
Toorop; er ist es nicht immer; dann nicht,
wenn er apokalyptische Träume in fließendes
Linament umsetzt; er ist es, wenn er ein
Antlitz mit großen eindringenden Augen an-
schaut, wenn er in den Furchen der Epider-
mis die Not und den Glauben einer Seele ein-
geschrieben sieht.
* * *
Auch mit der eigentlichen Wandmalerei sind
r arg ins Hintertreffen gekommen. Zur Zeit
328
GEORG MINNE-LAETHEM.
HOLZSCHNITT: »TAUFE CHRISTI c.
JOSEK GOLLER DRESDEN.
ül.ASMALEKEI.
iiü'iiiai'iitji vm
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JOS. HUliKR-FELIJKlRCH MUNt HEN.
GLASM.\LEREI.
33'
Aussfelhnig Inr clnislIiJic Kiiiisf Düsseldorf igog.
T. L. M. LAUWERIKS DUSSELDORF.
Raum der Ausstellung für christliche Kunst Düsseldorf.
Steht es, ehrlich zugesehen, so, daß die weit-
aus meisten Kirchen von Unlernehinern, von
Malermeistern dekoriert werden. Daß dabei
die figürliche Malerei auf ein Minimum redu-
ziert wc-rden muß, daß sie zumeist durch ein
hineingehängtes Leinwandbild ersetzt wird, ist
selbstverständlich. In der Wandmalerei ent-
hüllt sich am bittersten der ungeheure Tief-
stand der modernen kirchlichen Kunst; wenn
dieser erhabene Begriff überhaupt auf das Ge-
menge kopierter und mißverstandner Einzel-
formen einstiger Klassik anzuwenden ist. Neben
diesem absoluten Vakuum haben wir nun aller-
dings einige kirchliche Wandma'er von erträg-
licher (Qualität, aber konventioneller Tendenz
aufzuweisen. Das sind Leute wie Hermann
Schaper und Ernst Pfannschmidt, ganz
respektable Figurenniacher und geschickte
Kompositeure, die zuweilen ein gewisses epi-
sches Leben, eine gewinnende, dekorative Wir-
kung zu leisten vermögen. Besonders dann,
wenn ihre Entwürfe in Mosaik oder mit teil-
weiser Unterstützung von Steininkrustation und
Stuckauflage ausgeführt werden. Aber selbst
die reichsten und prachtvollsten dieser gleich-
zeitig byzantinisch und romanisch infizierten
Dekorationen sind letzten Sinnes doch kalt
und unserer Seele fremd. Sind, was ihren
Kunstwert arg mindert, auch ausgeführt nur
Kartons. Wir haben die Tradition einer groß-
zügigen , die Wand beherrschenden Fresko-
malerei verloren ; wir haben uns auch von dem
zeitlich nächsten Klassiker des Fresko nicht
befruchten lassen : vonPuvis de Chavannes
spürt man bei uns wenig. Wie unendlich viel
wir aber von ihm hätten lernen können, er
uns noch heute zu geben \ermag, das zeigt
auf der Düsseldorfer Ausstellung ein kleines
Leinwandbild aus Puvis frühester Zeit, »Die
Enthauptung des Täufers«. Noch kam der
monumentale Organisator der Linie nicht zur
Entfaltung ; schon aber spüren wir, besonders
in dem Rücken des Henkers, das edle Palhos
und die schwingende Gewalt des Rhythmus.
Die Grundelementc jeder, das Räumliche be-
siegenden Wandmalerei. Zu welcher Höhe
Puvis wurzelleite Monumentalität wachsen
ließ, wissen wir; die Düsseldorfer Ausstellung
ii'
JAN THORN-
I'KIKKKR-
VKÜir.KR
akton:
WÜSTliL«.
333
Ausstei/uiio //ir christliclic Kuiisl Düsseldorf rgog.
PROFESSOR MAX LAUGER KARLSRUHE.
zeigt einen Reflex jener Herrlichkeit : die
Leinwanden von Maurice Denis. Diese
Bilder haben eine überzeugende Gliederung
und jenen milden, farbigen Schein, der sie
leicht als wehenden Traum empfinden läßt.
Sie verlangen nach der Wand. Wenn sie
auch kaum Kraft genug haben dürften, das
Schiff einer Kirche zu durchdringen, so
würden sie gewiß eine weiche und fromme
Atmosphäre in einen Schulraum oder in eine
Haus-Kapelle tragen können. — Eine freie
und starke Wandmalerei scheint im nordischen
Europa neu geboren zu werden. Gewiß nicht
Keramik: Maria mit dem Kinde«.
unbefruchtet durch die allen, noch von Wiking-
trotz und Nornenmystik geweihten Fresken der
Irühmittelalterlichen Dome. Die Ausstellung
kann uns hier nur durch Photographien eine
ungefähre Vorstellung vermitteln. Wir be-
kommen die Fresken zu sehen, die Skovgaard
für Viborg malte. Dieser Skovgaard, ein
Däne, vermag das Entscheidende der bib-
lischen Themen lapidar hinzuschreiben. Er
ist deutlich und eindringlich, er greift an die
Herzen und den Willen der Gemeinde. Er
gestaltet die Vorstellungen der kindlich Gläu-
bigen, der Patriarchen und frommen Helden ;
jj4
>*
AUCUSr HUDLEK.
BRON/E; »ECCE HOMO .
Ansstelhivg für christlklic Kunst Düsseldorf igog.
PKOK. Kcil.oMAN MOSER WIEN.
mit einem möglichst geringen Aufwand von
Xaturalismen, alle Hintergründe, alle Kulissen
auf eine tyj)ische Formel reduzierend, läßt
er die Figuren mächtig wachsen. P'.r will
den Inhalt ausschöpfen, ihn als Extrakt ver-
dichtet, fiir jedermann überzeugend auf die
Mauer ]irojizieren ; um das monumentale
Stenogramm noch stärker zu konzentrieren,
um daraus einen wohl emporragenden, aher
doch motorischen Orgaiismus zu gestalten,
nützt er das Pathos des alttestamentarischen
Parallelismus. Er stellt die Ährenbündel in
Reihen neben einander; er reiht das Rindvieh
hinter einander, wie es die Ägypter in ihren
unsterblichen Reliefs taten. Es scheint nicht
ausgeschlossen, daß der Holländer Thorn-
Prikker in Krefeld sich von Skovgaard
befruchten ließ. In jedem Falle ist dieses
prinzipiell dekorative Talent bereits epigonär.
(legen den Dänen wirkt dieser Holländer
kultiviert, ja feminin, beinahe zerbrechlich.
Kr gibt weniger das heilige Epos, als eine
ornamentale Sonate in Moll. Seine Linien
Hießen weich, man möchte sagen tonig. Die
Kartons für Kunslvcrylasuntieii.
Mctall-Sarkopliag: Theodor Vcil und Erhard Hcrms— München.
Glieder sind in den Gelenken gelöst, sind zu
Krischen Wellen gewandelt. Leider findet
'l'horn-Prikker kein Verhältnis zur l-'arbe; nur
ganz diskret frottiert er hier und da ein leises
Grün oder Rot in seine Monocliromie, zuweilen
verwendet er auch Gold. Das gibt eine blasse,
ein wenig angekränkelte , aber doch sehr
delikate Stimmung.
Ohne C)ptimismus darf man sagen , daß
die Kirche heute auch für monumentale Wand-
malereien die richtigen Kräfte finden könnte.
Sie muß es nur erst wieder lernen, dem
Künstler zu vertrauen, auch wenn er unge-
wohnte liahnen geht. Daß es dann mit großer
Wahrscheinlichkeit schöne ?'rfolge geben wird,
beweißt ein Wettbewerb, der für die Aus-
schmückung einer bei Düsseldorf zu erbauen-
den Kirche ergangen war. Die Resultate
hängen auf der Ausstellung. Den ersten Preis
bekam Kolo Moser; man bedenke wohl, der
bis in die Fingerspitzen ästhetisicrte Wiener,
der von Ostasien Blütenstaub heimtrug. Seine
Entwürfe sind in der Tat ausgezeichnet. F-in
Fest in P.lau und (Sold. Das dekorative Ge-
337
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KATHOLISCH-
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THEODOR VEIL-
MÜNCHEN
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IMV. Sil. i.
BERNHARD
WENIG
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VORTRAGS-KRKUZ
UND LATERNB
IN MESSING.
Amsfe/luno für clirist liehe Kutiat Diisse/dorf IQOQ.
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ANTt! ilmii fr^tuii) IVuliaf.^ld vua: pI cimt m'4itHin\rl il<
LMricti\|rAu%,i(uiavrnilhorfljrnm,>lunUi\ Scitn.tjiiRlfrfcrmi
nm, ut lnin\ral ci hcK' niiiiHlo|v<4ii\*\\i\%tK.dliMiK S1«unl<-T
«dPalmii ciiiiiitili-iiwrl uim.d-l l)(HniiM-;rt t>nii' iIk ilii
quirrmil iiiiiiiiinl<i.itiluiniitl)- (olfimn. Si t-ryo i-^n> In vi iH-\t»-\
Icxü COT lil i-m-na ftnU, tiinij¥rtlpo\, flmiiiniit rl MniJtvtrf
(WxJm rdxi mm\\(-l tu cor, ul (cl vov tlcbclix allrr flilmiu Id
iMclrtt-l rtiin liKlinx Simhiw U- tvdmHi1(*vr.Kriii|>luiiiriiiniil«-
csriolar. v(-H-iis,i|ti)ai>niiiiatlt- 'it) vulm: iil, (|itiinAihito«ttiii<
ilit n PalfTin nuinux, rt tpii« <iJtTJ<>ft'ovobH.it(»ftviu(nti(ihv
SCHRtFTGIESSEREI GEBR. KLINGSPOR OFFENBACH.
setz wurde gewahrt,
die Wand wie ein
'l'cijpich behandelt,
die architektonische
CiUedcrung l)ewLißt
unterstützt, der
Rhythmus jeder ein-
zelnen Stimme des
Konzertes aufs fein-
ste abgetönt, jedes
Detail einem Ge-
samtwilien unter-
stellt. Dabei hat
Kolo Moser sich
seine Aufgabe nicht
leicht gemacht, er
mußte eine bedeu-
tende Zahl figür-
licher Darstellungen
seinem ornamen-
talen iiukett einglie-
dern. ( )1j dieser
prächtige Entwurf
ausgeführt wird,
scheint freilich zwei-
felhaft; wer weiß,
ob die Gemeinde
M1SS.\I.E IN BEHRENS-ANTIi.iUA OEIJKUCKT.
so viel schönen
Mut hat, die Kon-
vention zu opfern
und eine Persönlich-
keit regieren zu
lassen. Wenn dann
nur wenigstens nicht
der zweite , viel-
mehr der dritte
Preis Wirklichkeit
würde. Die Arbeit
von Seuffert hat
viele offenbare Vor-
züge , auch eine
deutliche, wenn auch
nicht übermäßig
starkcindividualität.
— Unter dem .Vber-
glauben, daß allein
dasRomanischeund
das Gotische die
für den Kirchenbau
würdigen Stile seien,
haben wir mehrere
Jahrzehnte gelitten,
üesonders die Gotik
BEKNHARU
\V«N1I. — MÜ.NCHb.N. ALIAR-KIXCH IN VliRGOI.DKTEM S1LB«R.
und die törichte An-
34'
Aiissfclh/uo lür tliristliclic h'inni Dii'^scldorf iqnq.
KELCH NACH ENTWURF V. PROF. WILH. KREIS. TAUFBECKEN UND KELCH NACH ENTWURF V. PROF. K. GROSS.
Ausgeführt von Julius Theodor Heinze— Dresden.
nähme, daß gotisch soviel wie deutsch, soviel
wie heilige Anbetung sei, wirkte zerrüttend auf
jeden gesunden Trieb, nun einmal aus eignem
Empfinden und Können dem höchsten geistigen
Sein das Haus zu errichten. Langsam, ach so
langsam, viel bekäm])ft und darum unsicher und
mit mancherlei Zugeständnissen kam ein neues
Wollen. Für die Reformation des modernen
Kirchenbaues werden die Dresdner Architekten
stets eine elirenvoUe Bedeutung behalten. Seit
der Neuausstattung der Kreuzkirche durch
Schilling und (Iräbener, seit den Land-
kirchen dieser Firma, die ängstliche Gemüter
.■Sommerwohnungen des lieben Oottes'- nann-
ten, datiert die moderne, aufsteigende Linie der
kirchlichen Architektur. Es wären noch Los-
sow und Kühne, ferner Kreis und der nach
Hamburg berufene Scliumacher. daneben
die .Architektur- Bildhauer Hottenroth und
Groß, der dekorative Maler Rößler zu nen-
nen. Die Tendenz dieser neudresdner Schule
war ein geklärter, in sentimentale Kurven
aufgelöster Barock; der Stein wurde erweicht
und stark plastisch behandelt. ^Lan liebte es,
die Ecken zu runden , die Supraporten in
Voluten ausklingen zu lassen und durch eine
geschwungene Kartusche zu brechen; be-
sonders die Türme bekamen eine spezifisch
plastische , eine modellierte , eine geknetete
Form. Ein zweiter Kreis von Kirchenbauern
der neuen Zeit steht um Peter Behrens.
Der Geistesart dieses ästhetischen Mathe-
matikers ents]iricht der strenge, feierliche
Sakralbau. Behrens denkt kantisch und liebt
Wagner. (Er liebt ihn, auch wenn er ihn
hassen sollte.) Behrens strebt danach, die
moderne Welt der Technik und der Maschine
auf eine reine , dem Hellenismus verwandte
Formel zu bringen. Er ist ein Logiker und
ein Dogmatiker zugleich. So haben alle seine
Bauwerke eine deutliche Tendenz zum grie-
chischen Tempel; so verraten sie alle den
strengen Schematiker, der mehr auf dem Papier
konstruiert als mit Steinen baut. Das Krema-
torium zu Hagen ist das typische Beispiel.
Es läßt sich gewiß mancherlei gegen diese,
von Einseiligkeit nicht freie, mehr literarische
als architektonisch empfundene Bauweise sagen;
aber, mit den relativen Schwächen einer
tastenden Zeit behaftet, offenbart sie doch ein
starkes und impulsives Gefühl, ja eine Leiden-
schaft für das Protestantische, für das Rhyth-
mische der Religion. Gewiß, es ist ein Wag-
nis, von Peter Behrens eine Kirche bauen zu
lassen, aber immerhin ein Wagnis, das dem
Auftraggeber Ehre machen würde, ihm einen
Platz in der Entwicklung der Geschichte des
modernen Kirchenbaues sichern dürfte.
Wem Behrens' kühles Pathos allzu wenig
die väterliche Güte Gottes zum Ausdruck
342
H. EHMSEN IJUSSELÜÜRK. HOLZSCHNITT: »HEILIGER REIGEN« UNÜ MOSAIK-ENTWURF; JESUS IM TEMPEL«.
M.M.RR AnoLV
HILDBNBRAND
PFOR/HBIM.
M \r)ON\ \
tMAll. ALh
SU. »HR.
ALLE VORSTEHENDEN WERKE SIND AUE DER AUSSTELLUNG FÜR CHRISTLICHE KUNST IN DÜSSELDORF.
I IHAKl) WEHNER DUSSELDOKF.
PROFESSOR
WILHELM
KREIS
DÜSSELDORF.
GRABMAL.
IN MUSCHEL-
KALK STHIN
AUSGEFÜHRT.
^
^
HERMANN
r ^Q
UNKELBACH
t ^
Cf.a7.APHIL 18+b
"l
1
t^
7g
1
y
1 I'IAKD WfcHNEK DUSSELDOKI- .
(JKAUMAL. EDUARD WKIIM.K I tUSSELlJOKF.
ÜKAHMAI..
CHR. ZAULECK
DI'SS[1LIX>K1 ,
WANDGRAIIMAL
IN MUSCHfiLKALK.
Aiissfc/hdic- /ür Christ liehe Kunst Düsseldorf iqoq.
bringt, der wird gewiß das Vermißte bei
Theodor Fischer finden. Dieser Süd-
deutsche gibt seinen Kirchen eine milde und
wohnliche Schönheit, eine Uhlandstimmung.
Man wird stille wie des Morgens im Walde,
man hört des Schälers Sonntagslied. — Über
die verschiedenen frischen Ansätze und er-
rungenen Siege des modernen Kirchenbaues
gewährt die Düsseldorfer Ausstellung guten
i^ericht. Wir seilen eine reichhche Zahl von
Entwarfen und Modellen. Das meiste ist frei-
lich schon bekannt. Neu zu bemerken sind
einige Behrensjünger: Benirschke, der ein
wenig stark anlehnungsbedürftig erscheint;
Theodor V e i 1 , der wesentlich freier und
selbständiger arbeitet. — Neben dem Kirchen-
bau wurde auch die Clestaltung des Kirchhofes
gepflegt, meist von den gleichen Männern.
Man versuchte die Anlagen als Park und Land-
schaft zu organisieren (wie mit Erfolg im
Münchner Waldfricdhof. D. R.), man schuf
solide und charaktervolle Denkmale. Man will
derprotzigen Steinmetzparade und ihrer schreck-
lichen Kühle ein Ende bereiten; der Friedhof
soll wieder ein schweigsamer Garten werden,
die schlichte von verstehender Andacht um-
wobene Ruhestatt für Bürger, die ihre Pflicht
getan. Die Ausstellung bringt den Versuch
eines solchen Friedhofes; die Dimensionen
gestatten nicht mehr als einen Anklang. Und
doch ist die Lösung anregend genug, um von
allen Kirchenvorständen und Patronatsherren
eifrig studiert zu werden.
Um den neuen Kirchenbau wirklich zu
einer Einheit im modernen Sinne auszugestalten,
bedarf es einer F'ülle von Gegenständen, die wir
als Kunstgewerbe bezeichnen. Dazu gehört die
architektonische Plastik, auch die freie Plastik,
sofern sie mehr einen dekorierenden als selbst-
ständigen Kunstwert darstellt, dazu gehören die
Möbel, die Te.xtile, die Cilasfenster, die metalle-
nen und die typographischen Arbeiten. Über
alles dies gibt Düsseldorf, wenn auch keine
erschöpfende, so doch eine orientierende Um-
schau. Und gerade hier bekommt selbst der
weniger Eingeweihte es zu spüren, wie ohn-
mächtig und steril die alte kopierende Manier
ist. Die Vorführungen des S emp erbundes
verleugnen keineswegs ein anerkennenswertes
Streben, sie verlieren aber ihre Bedeutung
gegenüber den Leistungen derer , die sich
unter der Fahne des Werkbundes gesammelt
haben. Dort eine gut gemeinte Korrektheit,
hier ein die ,\ufgabe an der Wurzel packen-
des Geschick, eme kräftige und stolze Selbst-
ständigkeit, ein reine Schönheit erstrebender
Geschmack. — Plastiker solcher Art sind
Bosselt. W r b a , Kreis und der Kölner
(jrasegger. Einige Stufen höher, der auto-
nomen Plastik näher, stehen der Belgier Minne
und der leider zu früh gestorbene H u d 1 e r ,
auch B er mann. Am entgegengesetzten Pol,
zwischen der dekorativen Plastik und dem
kunstgewerblichen Nippes, ist Mendes da
Costa zu nennen. — Einwandfreie Metall-
arbeiten sehen wir von Bernhard Wenig,
Groß und Kreis, von J e g g 1 e — Münster,
J. Th. Heintze imd Milde & Co. —
Dresden; die leuchtende Weichheit des Edel-
metalls und der feine Fluß der Bronze wurde
zu übersichtlichen, dem Material gehorchenden
und doch mit Ausdruck geladenen Formen
entwickelt. Gschwend — Hannover weiß
das Eisen gesund und in den ihm gebührenden
primitiven Rhythmus zu schmieden. — Von
den Glasfenstern seien die des Dresdner (Voller
und die des Huber Feldkirch der ein-
gehenden Betrachtimg empfohlen ; sie sind
nicht so überzeugend, nicht so restlos die
Quintessenz der Technik wde die Fenster Kolo
Mosers, deren Kartons wir hier zu sehen be-
kommen , sie sind aber doch durchaus an-
ständige und würdige Arbeiten. — Die Typo-
graphie zum sakralen Ausdruck zu steigern ver-
mag am eindeutigsten Peter Behrens; seine
Missale zeigt gute Verwandtschaft zu feierlichen
Mönchshandschriften. In Behrens' Schatten,
ein wenig eleganter manchem sympathischer,
aber jedenfalls von schwächerem Geblüt gedeiht
Ehmcke. Bürgerlicher als beide, darum aber
auch brauchbarer, Hausmannskost, ist Lud-
wig Sütterlin, dessen in der Reichsdruckerei
entstandene Bibel endlich den Anstoß gibt,
daß die jammervollen Bibeldrucke der Gegen-
wart verschwinden. Hier wie auf allen Gebieten
des Kunstgewerbes und der Architektur kann
die Kirche das Gute haben, wenn sie es nur
ROBERT BREUER.
346
KOLOMÄN MOSER'S
PROU-KT FÜR DIE
AUSMALUNG DER
HEIL-GEIST-KIRCHE
IN
DÜSSELDORF
DER ZUR AUSARBEITUNG
DER AUSSCHMÜCKUNGS-
PROJEKTE BEIGESTELLTE
GRUNDRISS DER KIRCHE
:: NACH DEM PLANE DES
ARCHITEKTEN PROFESSOR
J. KLEES ATTEL-dOssELDORF
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Projekt fiiriiic
Austii.iliirifi
der Heilit;en
Oeist-Kirche
in Düsseldorf
PRESBYTERIUM. Bordüren Blau-Gold. Füllotnament Blau auf Weiß. Schrirt: »Der Geist, der diese
belehrt, brennt hier mit feurigen Zungen , Gold auf blauem Grund, Umgebung Gold mit blauen Teilungs-
linien. Propheten hell auf Ultramarin mit seitlidien goldenen Palmen. Tirnamentale Füllungen in der Apsis
Blau-Gold. Die ]<"iguren des Äfittelbildes in verschieden nuanciertem ^\'eiß, Maria in Blau und Rot, Grand
der oberen Figuren hellblau, der unteren ultramarui, die Taube weil) und Gold auf Gold und blauen
Wolken. Altarüberdachung mit goldnen Ähren und fünf goldnen Trauben auf goldnen Säulen nihend.
ANSICHT DES HOCHAl.TARKS. DKR BEIDLN SEH KNAI/I AKK TM) HKS AI/IAKl^ [\ Ul.K KAI'KIXE.
— SjJottet nicht, daß die hohen Herren von
unserer Kunst nichts verstehen ! Sic verstehen sie
besser als mancher unter uns seihst Sie verstehen,
daß CS eine Kunst ist, die nicht mehr dienen will,
sondern in ihr erhebt sich der Mensch. Warum tun
wir unschuldig: und leugnen?"
Hermann Bahr, Tagcbuch,*5. 2. 1908.
M
l'ioli-klfiirtlir
AiiMtialiiMi*
der Mcillucti-
(iciM-Kuchf
in DusscUloil.
Silinill A-U.
Hat ein Einzelner einen künstlerischen Auf-
tr.ig zu erteilen, wählt er sich nach per-
sönlichem Geschmack und dazu verfügbaren
eigenen Mitteln, den ihm am geeignetsten er-
scheinenden Künstler. Anders, wenn an die
( )tTentlichkeit eine solche Frage herantritt. Da
werden größere Aufgaben zumeist aus Mitteln
der Gesamtheit bestritten. Diese besitzt oder
ernennt Vertreter. Diese wieder erwählen
Sachverständige, Beiräte, Juroren etc., die
im Gegensatze zu dem einzelnen .Vuftraggeber,
nicht mehr nach ihrem ]iersönlichen Geschmack
wägen und urteilen, sondern, da. sie die Masse
rejjräsentieren, nach Ergebnissen trachten, die
den Anschauungen der Mehrheit am besten zu
entsprechen scheinen. Sie suchen daher Lei-
stungen einer persönlichrn Begabung zu ver-
meiden, trachten selbst Vorschläge zur künstle-
rischen Lösung der Aufgabe zu machen, wollen
zumindest im Wege eines Kompromisses ein
in der Mehrheit zusagendes Resultat erreichen.
Sie fühlen sich der Menge gegenüber ver-
antwortlich für die jeweilige künstlerische Lei-
stung, belürchten immer, daß die >Lijorität
anderer Meinung sei, statt zu bedenken, daß
dieselbe gar keine hat, höchstens fremde, und
sich leicht beherrschen ließe von einem, der
eine eigene Meinung besitzt. Und haben Ver-
treter eine solche, ist es die einer unfehlbaren
Urteilsfähigkeit in Kunstangelegenheiten.
Eine solche Vertreterschalt sucht allen
Leistungen, die von hergebrachter Schablone
abweichen, möglichst aus dem Wege zu gehen.
Da sie eine Kunst wollen, die \ielen gefallen
möge, greifen sie zum gefälligen Routinierten,
das ihren nicht neuen, und nie eigenen He-
griffen oder Ideen unpersönlichst Gestaltung
verleihen soll. Am liebsten würde man nur
des Künstlers Handgelenk in Anspruch nehmen,
denn was zu machen ist, wisse man ganz
genau, und man bedauere, aus Zeitmangel
sich nicht die nötigen Ausdrucksiähigkeiten
erworben zu haben, da man sonst auch noch
wüßte, wie es zu machen sei.
349
DaC eiaem Künstler die gescheiteste Idee
nichts nützt, wenn in ihm nicht gleichzeitig
die Form geboren wird, kann man all diesen
Leuten nicht begreiflich machen. Künstlerisch
Schaffen heißt künstlerische Erlebnisse haben.
Heute kann der Künstler nur in selbst-
gestellten Aufgaben in völliger Freiheit seinen
eigenen Ideen Form verleihen , selten finden
sich einzelne Auftraggeber, die sich dem Wollen
des Künstlers unterordnen , zu den größten
Seltenheiten gehört es, wenn öffentliche Auf-
träge dem Künstler nicht recht lehrreiche
Erfahrungen angedeihen lassen.
So liegt es nahe, jede Gelegenheit 7,ur Her-
stellung einer öffentlichen künstlerischen Auf-
gabe — die weder durch Beirat noch sonstige
Bemutterung beschränkt ist — zu ergreifen,
um zu zeigen, daß nur der Künstler, er nur
einzig und allein, einen Gesamtgedanken zu er-
fassen und bis in dessen letzte Lösungen durch-
zubilden imstande ist. So bei Ideen-Konkur-
renzen. Mag man auch solche Unternehmungen
vom wirtschaftlichen Standpunkt als Kraftver-
geudung ansehen, sie geben doch dem Künstler
Gelegenheit, sein Wollen in Bezug auf öffent-
liche Arbeiten festzustellen.
Freilich dürfen solche Wettbewerbe nicht
durch zahllose Bedingungen rein artistischer
' Natur des Künstlers Schaffen fesseln oder
einengen. Eine rühmliche Ausnahme machte
der Wettbewerb für die malerische Aus-
schmückung der Heiligen - Geist - Kirche in
Düsseldorf Meine Arbeit liegt in Abbildungen
hier vor. Die gestellten Bedingungen waren
so einfach, dem Künstler möglichste Freiheit
wahrend, wie eigentlich jede Konkurrenz oder
jeder Auftrag sein sollte. Nichts als der Bau-
plan der Kirche, der Titel derselben und die
Grenze der zur Verfügung stehenden Mittel
waren die wesentlichsten Angaben. Müssen
solche Fälle so vereinzelt bleiben?
Speziell eine solche Aufgabe bedingt den
Wandschmuck so anzuordnen, daß die ge-
gebene Architektur in diesem ihre organische
Fortsetzung findet. Alle Teilungen sind in jedem
vernünftigen Gebäude-Entwurf teils in den tek-
tonischen Formen, teils in den rhythmischen
Gliederungen schon vorhanden, durch diese ge-
fordert. So beispielsweise in unserm Falle die
omamentale Teilung in der Apsis des Hoch-
altares. Sie ist begründet aus dem Abstand
der Fenster vom senkrechten Rand der Apsis
und gibt das Maß für alle weiteren schmücken-
den Teilungen der Halbkuppel, so daß die
Fenster unverrückbar erscheinen. Oder die
senkrechten Teilungen des Mittelschiffes, die
dem Anschluß an die tektonischen Balken
der Holzdecke entspringen. So die Ent-
wicklung der ornamentalen Deckenfüllungen,
die wieder den Teilungen der vier senkrechten
Wände des Mittelschiffes entsjirechen, fort-
gesetzt sich kreuzend, organischen Flächen-
schmuck bilden. Weiters z. B. die Bogengröße
der Öffnung an der Epistelseite, um den Ein-
gang an der gegenüberliegenden Evangelien-
seite schmückend wiederholt, im Bogen der
Altarüberdachung immer in gleicher Größe
wied'jrkehrend etc.
Schwieriger in solchem Fall ist es den
enormen Ideenkreis, den ein solches Thema
bietet, in Hinblick auf die Gesamtwirkung,
den gegebenen Raum und die gegebenen
Mittel genügend einzudämmen. Hier sind
nun jene Einfälle nötig, die gleicherzeit
Inhalt und Form reifen und nur schöpferischen
Künstlern zur Verfügung stehen.
Reihenfolge der Darstellungen. In der
kleinen Vorhalle, an der Decke »es werde
Licht«. An der Türwand des Einganges
sechs weitere Darstellungen der Schöpfungs-
tage. An der Breitwand , dem Mittelschiff
gegenüber, die Vertreibung aus dem Paradiese.
An der Wand gegenüber dem Eingange Noah,
der Patriarch in der Arche, von der Taube
den Ölzweig erhaltend ; d. h. den durch die
Kirche (Arche) geretteten. Im Mittelschiff,
an den beiden Schmalwänden, gegen Chor
und Orgel-Empore , zu Seiten von Schrift-
bildern, die vier großen Propheten des alten
Testamentes. Hinweis auf die vier Evange-
listen. Jesaias, Märtyrer für das Bekenntnis
des zukünftigen Erlösers ; Jereraias, trauernd
über die Zerstörung Jerusalems ; Ezechiel mit
der Vision des Tores und der Türme und
Daniel, dessen Errettung aus der Löwengrube
auf die Auferstehung hinweist. An den Seiten-
wänden des Schiffes die zwölf kleinen Pro-
pheten. Hinweis auf die zwölf Apostel. Oseas,
»ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer» ;
Joel, die Ausgieß ung des heiligen Geistes
prophezeiend; Amos, :.'wehe denen, die ver-
langen nach dem Tag des Herrn , und er
wird kommen«; Abdias, »und Retter werden
hinziehen auf den Berg Sion« ; Jonas, Er-
innerung an das Leiden , den Tod , das
Grab und die .Auferstehung Christi; Michäas,
weissagt, daß der Heiland aus Bethlehem her-
vorgehen werde; Nahum, -wer wird bestehen
vor dem Angesichte des Herrn und wer wird
ihm entgegenstehen?«; Habakuk, Vision Gott
350
KI-XHIK SEITEX-WAXl) DES MITTEI.SCIIIF-
FES: Evangelienseite. Unter dem goldnen Gurtbogen die
tünchten Jungfrauen. An der Wand des rechten Seiten-
schiffes die neunte bis vierzehnte Kreuzweg -.Station.
Ll.XKK SEllEX-WAMJ Dh.s Mll I KL.S( HIF-
EES: Epistelseite. Unter dem (iurtbogen die klugen
Jungfrauen. An der Wand des linken Scitenschiffr-s
die ersten fünf Kreuzweg-Stationen und dieTaufkapclIe.
IKI
l'iujchl fiiTdir
AiiMtialiini;
der Mrlli|;rn-
(iri^t-Klrche
In l)iis>rlilorf
SchnillÜ-H.
1^
Projekt fürdic
Ausmalung
der Heiligen-
Geist-Kirche
Ml Düsseldoif-
Schnitt C-D.
ANSICHT DER CHOKSEITE. Unter dei ( irgeleniiiore leclusvom Eingange die Veitreilning ans dem Para-
diese, an den Abschlußwänden der Seitenschiffe die sechste, siebente und achte Kreuzweg-Station.
Vaters mit Tiara etc.; Sophonias, »zu jener
Zeit werde ich durchsuchen Jerusalem mit
Laternen« etc.-, Aggäus, »mein ist das Silber
und mein das Gold«; Zacharias, »gelobet sei
Gott der Herr, weil er Erlösung erwiesen
seinem Volke Israel'* ; Malachias, vom heiligen
Opfer weissagend. In dem Gurtbogen über der
Orgel die beiden Nebenpropheten, Ehas, Sinn-
bild des glorreichen Triumphzuges und Elisäus,
\'orbild der Dornen-Krönung Christi.
In der Mitte des Bogens die eherne Schlange
Moses. An der großen halbkreisförmigen Wand
der Patriarch Moses, der Typus des heiligen
Apostel Petrus auf dem Berge Sinai, von den
Händen Gottes die Gesetztafeln empfangend.
In der tiefen Seitenkapelle, vom Altar
rechts, die Verkündigung Mariens, an den
Seitenwänden (nicht ersichtlich) Bilder aus
der Jugend Christi, an der kuppeiförmigen
Decke der englische Gruß. Über dem Ein-
gange zur Kapelle, die Himmelfahrt Mariens.
An der Altarwand des zweiten Seitenschiffes
Christus am CMberg. Über dieser Nische die Dar-
stellung des Schmerzensmannes. Nun beginnen
den Seitenwänden der Nebenschiffe entlang
die vierzehn Stationen; zwischen der fünften
und siebenten von der Taufkapelle unter-
brochen. An der halbrunden Wand derselben
die Taufe Christis im Jordan , über dem
Eingange die Vision des die Erbsünde tilgenden
Kindes; zu einer Seite Eva mit der Schlange,
zur anderen Seite die Mutter Maria. Bei der
Station sieben zwischen den beiden Fenstern
das Schweißtuch Veronikas. Nach der vier-
zehnten Station an dem Altar des linken
Seitenschiffes die Frauen am Grabe, darüber
der auferstandene Heiland. In der halbkreis-
förmigen großen Apsis des Hochaltares die
Ausgießung des heiligen Geistes. Maria in der
Mitte, zu Seiten die Apostel, Petrus durch
seine Haltung herausragend. Zu Häupten
Mariens der heilige Geist, darüber Vater und
Sühn von goldenen Wolken umsäumt. Im Gurt-
bogen davor an den unteren beiden senkrechten
Flächen die Darstellung der klugen und törich-
ten Jungfrauen — im Bogen selbst die vier
Evangelisten , deren Mitte das Lamm Gottes
bildet. An der Decke des Mittelschiffes
Symbole für Christus und die katholische
Kirche, an denen der Seitenschiffe jeweilige
ähnliche Darstellungen mit Bezug auf die Vor-
gänge an den Seilenwänden. In der Farbe
herrscht weiß, gold, blau vor und zwar so,
daß diese P'arben im Bilde der Hochaltarwand
ihren Kulminationspunkt erreichen. —
KOLOMAN MOSER.
35^
M
Vi'unlir
- .1 .ihiii|>
: II. .iiuen-
i<-i»i-Ktrvlic
I UiltMidorf
tm
CHORSKITK: Bordüren Biau-Gold. l-üllornamente I'.lau auf Weili. Schrift: »l'nd alle genossen seines
Trankes«, Gold auf blauem Grund, rniRebung Gokl mit blauen leilungslinien. P.opheten hell auf Ultramarin-
Blau, zur Seite goldne Palmen. Die Kigur des Moses auf Blau und Grau, Dornbusch und Wasser reich mit Gold.
M
Projekt fiirdie
Ausmalung
der Heiligen-
Geist-Kirche
in Dilsseldorf.
FRAGMENT AUS DEM MITTELSCHIFF: Prophet Arnos. Bordüren Blau-Gold. Füllmuster
Blau auf Weiß. Figuren auf Ultramarin mit seitlichen goldnen Palmen. Die Felder rechts
und links auf Goldgrund mit bunten Blumen und Fruchtkcuben. Alle Fensterleibungen Gold.
M
l'i..|<l.tlur>|ic
AiiMnaluny
ilrt Itrillurn-
«iriil-KIrch*
iiil)u>»(ldorf.
FRA( uMEXT AUS DEM MITTEI^SCIIIKF: I'ro|)hct Jonas. Bordüren Blau-Gold. FUllmuster
Blau auf Weiß, l'iguren auf UUrainarin mit seillichen goldnen Palmen. Die Felder rechts
und links auf Goldgrund mit bunten Blumen und Fruchikürben. Alle Fenslerleibungen Gold.
1909. \ll 0.
35j
IKI
Projekt füriiie
Ausmalung
der Heiligen-
Geist-Kitche
in Düsseldorf
S
EITEXKAPELLE
Maria Himmelfahrt.
Über dem Altar die Verkündigung Mariens. Oben
Altar in Weiß-Gold, mit Bordüre aus sieben Rosen.
1
^AUFK APELLE. Christus wird im Jordan von Johannes getauft. Grund Blau, LauhcGold,
seitliche Felder Blau -Gold. Wandverkleidung durchwegs in Grau - Schwarz. Taufbecken
Gold-Schwarz. — Über der Kapelle das Christuskind mit Maria und Eva auf Goldgrund.
M
l'iojrktftirtltr
\uknialiiii]£
•Irr Hrlli^m-
(icUlKircItc
in Düfvrldurf.
M
Projekt fürdie
Ausmalung
der Heiligen-
Geist-Kirclie
in Diissfldorf.
DECKEXHKMALUXG: Bemaliing der Träger Schwarz-GuM. Giund der
Füllungen Gold mit blauen Teilungen und farbigen Mittelfeldern, die
Ecken Blau auf Weiß. Die Decke der Kapelle Blau-AVeiß mit bunten Blumen.
BILD VOM ALTAR
AM ABSCHLUSS
UHS RECHTKN
SEITliNSCHlFFES.
DIE FRAUKN
AM GRABK DES
AL'l' ERSTANDENEN
HEILANDES.
ROBERT SElTFFERT-uOsSF.I.UOKK. Ski^Z(.• ziii AusiiKiliing iKr IIL-Iirisl-Kirchf in Düsseldorf. Laiigsscliiiilt.
DEUTSCHES UND AUSLANDISCHES KUNSTGEWERBE.
Es ist recht interessant, zurzeit einen Ver-
gleich zu ziehen zwischen unserm deut-
schen Kunstgewerbe und dem ausländischen,
zumal dem Frankreichs. Ganz besonders nach-
dem das Ergebnis einer bemerkenswerten Um-
frage in der > Revue' nach den Gründen des
gefährlichen Stillstandes im französischen Kunst-
gewerbe, — und nach Heilmitteln dagegen. —
einen tiefen Einblick gewinnen ließ )n die
nach dieser Richtung allerdings ziemlich aus-
sichtslose Lage im Ausland.
England und Frankreich haben ihre Höhe-
punkte längst überschritten , sie zehren von
ihrer Tradition. Die Klein- Architektur Eng-
lands, seine Arbeiter« ohnungs- und Garten-
stadt-Kultur, bieten uns allerdings noch in
vielem \"orbildliches. Das liegt aber daran.
daLJ die jahrliunderte-alte W'ohnungskultur eine
Spezialität des Engländers ist. Die Kleinheit
seines Landes spielt hierin wohl eine Rolle,
sein konservativer und selbstbewußter Sinn,
der Umstand, dall auch der einfache Bürger
der Großstädte sein zweistöckiges Häuschen
besitzt usw. Dabei muß man aber bedenken,
daß die .Architekten sich zumeist auf eine Ncu-
.\npassung heimischer, zum Typus gewordener
Motive, — die ihrer Vernünftigkeil und Schön-
heit wegen zum Teil auch internationale Gel-
tung erlangt haben, — bis ins Detail beschrän-
kin. Eine wesentliche \'erarbeilung neuer Er-
rungenschaften und neuer Materialien findet
jedoch nicht statt, wie /.. B. des Eisen-Betons in
Amerika. Noch schlimmer steht es in Frank-
reich: keine neuen Kräfte regen sich hier,
— einzig in einer kleinen hochdifferenzierten
Gruppe freier Künstler Frankreichs glimmt ein
intensives Empfinden weiter, aber an diesen
komphzierten Kunstgebilden wird das Volk in
seiner .Allgemeinheit nie teil nehmen können.
Deutschland dagegen geht rapide seiner kom-
menden Vorherrschaftsstellung in Euroi)a ent-
gegen, seine reife innere Spannkraft drängt ent-
schieden dazu, das ursprüngliche Spezialpro-
bl em desK unstge werbes zum Volkswirtschaft-
359
ROBERT SEUFFERT.
SKIZZE ZUR AUSMALUNG DER HL.-GEIST-KIRCHE— DUSSELDORF.
ROBKKT SEli-FERT DÜSSELDÜKF.
ENTWURF »ÜR DIE CHOR-AUS.MALUNÜ DER
HEILIGEN-GEIST-KIKCHE IN DÜSSELDORF.
jOl
Deutsches lüid aus/äMdlsches Kunstgeiverbe.
■ liehen Problem zu erweitern, d
■ 1
h.
das Volk
diese Weise von
■
einigen — insbesondere hes- ■
■ in seiner Gesamtheit nu( eine erhöhte Kuluir-
si sehen — Firmen gebracht wurden. Ein' ■
■ schied zwischen uns und dem
H
Ai
auptunter-
sland. —
derartiges Vorgehen der Fabrikanten ist tat- J
sächlich nur in unserem idealistischen Deutsch- ■
■ Aber weiter: Gesetzt den Fall, Frank
reich hätte
land überhaupt
aiöglich. — Ein weiteres wich- ■
5 Künstler, die das Volk in innigen
K
Dntakt mit
tiges Moment liegt in der ebenso opferwilHgen J
■ den neuen Strömungen bringen wollt
■ hier doch die Möglichkeit, dieses
e, SU fehlt
Wollen in
und von den fahrenden Künstlern dankbar an- ■
erkannten Unterstützung , die Künstler und ■
J die Tat umzusetzen. In der Beantwortung jener
Fabrikanten durch die Kunstzeitschriften; J
■ Rundfrage der »Revue- wurden
als
eines der
erfahren. Man
vergleiche auch hier die Zeit-; ■
■ Hauptübel die Fabrikanten bezeich
net, die
Schriften des In
- und Auslandes, um zu begrei- ■
J mit neuen Modellen nicht
3 riskieren
fen, in welch p
rogrammatischer Weise das ■
■ wollen und deshalb
Gute bei uns propagiert ■
■ das Publikum beiden
J schablonenmäßig
und dem Volke zum ■
Zweck der Geschmacks- J
■ hergestelltenKopien
■ antiker Möbel fest-
J halten«. — An dieser
1 ^'Z
^
Veredelung eindringlich ■
nahe gebracht wird. — ■
Die Durchführung des; !
■ Stelle soll nun betont und
\ \*«
^^
engen Zusammenschlus- ■
■ dankbar anerkannt wer-
1 >
^^
ses der drei Faktoren: ■
■ den , wie sehr unsere
■ deutschen Fabrikanten,
Si^.m
Ü^lk
Künstler, Fabrikan- 2
ten und Kunstzeit- ■
■ — zum größten Teil
J wenigstens, — im Ge-
■ gensatz zu den auslän-
■ dischen, an Stelle seniler
i
■
(M^
Schrift ist nicht nur ■
notwendig, sondern auch ^
allein bei uns möglich. ■
Deutschland erntete ■
\ Verkalkung und Rück-
■ släadigkeit ein beweg-
■ liches Anpassungsver-
B mögen an die Neuzeit
■ lieweisen. Sie haben
■ durch ihre Opferwilligkeit
g unseren Künstlern und
■ Architekten ermöglicht,
■ sich auszuleben und in
H der Praxis Erfahrungen
M
i
i •
tMm
lange genug durch seine. g
Vereinsmeierei und die ■
Sucht, sich zusammen-! ■
zutun , den Spott der ^
anderen. Jetzt aber ■
wollen wir zeigen, daß ■
wir die Fähigkeit ha- ■
ben, die andern abgeht: J
Ernstlich und ohne klein-i ■
liehe Sonder- Interessen' ■
■ zu sammeln. DerUnein-
pf!
zusammen zu arbei- J
■ geweihte wird sich wohl
a kaum eine Vorstellung
■ davon machen, welch
■ ganz außerordentliche
■ Opfer, — materielle
\ Opfer ohne unmitlel-
^^-
dJ
ten, — einem gemein- ■
Samen Ziel entgegen. ^
Lange hat das Ausland ■
auf uns herabgesehen, ■
aber jetzt ist die Zeit ■
unserer Entfaltung ge-' J|
■ baren Ausgleich, — auf
■
1
kommen 1 H. LANG-DANoi.i.' ■
r
k
. 4Bi65:>i-— ^^H
■ JOS
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■
MENDES DA COSTA AMSTERDAM. Steingut:
»Da^
■ ■1
ad«. ■
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■
ERGEBNIS DES WETTBEWERBES
ZUR ERLANGUNG EINES INNEN-PLAKATS FÜR FLÜSSIGE TUSCHEN.
AUSGESCHRIEBEN VON DER FIRMA
GÜNTHER WAGNER, HANNOVER UND WIEN.
Zu dem Preis-Ausschreiben waren 2535 Ent-
würfe eingegangen , die übersichtlirh in
1 7 Sälen des Kunstvereins in Hannover auf-
gestellt waren. Den Vorschriften des Aus-
schreibens nicht entsprechende 256 Entwürfe
waren von vornherein gesondertgehängtworden.
Die Juroren glaubten sie nicht zur Wertung zu-
lassen zu können; sie schieden deshalb aus.
Nach langer, surgrältiger l^rüfung und Be-
ratung stellte die Jury einstimmig fest, dati
ein den Anforderungen der Jury nach allen
Richtungen entsprechendes Plakat nicht em-
gegangen sei und deshalb der erste Preis nicht
zuerkannt werden könne; die dafür vorgesehe-
nen Mk. 1000. — wurden verwandt, um weitere
\ ier Entwürfe mit je .Mk. 250. — zu prämiieren.
Es erhielten:
II. Preis M. 750.— Franz Süßer, Wien,
III. Preis M. 500.— Vald Andersen, Kopenhagen,
IV. Preis M. 250.- F. Boscovifs, Zollikon bei Zürich,
IV. Preis M. 250. — Paul Hosch, Berlin,
IV. Preis M. 250. — Mela Wagner, Wien,
IV. Preis M. 250.— H. Naumann, München,
IV. Preis M. 250. — Thea Wittrnann, Münctien,
IV. Preis M. 250.— Walter Fürst, Berlin,
IV. Preis M 250.— Ernst Knauf und Bysso Malchow, Berlin
IV. Preis M. 250. — J. B. Maier und K. Soyter, München
Motto: »Graphik«.
» »VA«.
» »Chlnesenbuberl«.
» »Miix«.
» »Klecks«.
» »Im Zeidien der l.iitUdiilfcihrl"
» »Fiirbenfreude«.
» »Zwergciifditiilie«.
»P-T«.
»Tusc^l -Tist4i«.
Die für .Ankäufe zur Verfügung stehenden .Mk. lOOO. — hat die Jury voll in .\ii-
spruch genommen und zehn Entwürfe einheitlich zu dem im .\usschreiben genann-
ten Höchstpreis von je Mk. 100.— angekauft. Es waren dies die Arl)citcn von
Daan Hoeksenia, Amsterdam,
Albin Trepte, Dresden-A.,
Wilhelm Lange, Stegli^ bei Berlin,
Bruno )aeschke, Berlin,
Max Hertwig, Berlin-Charloftenburg,
Karl Michel, Berlin,
Fri^ Boscovits, Zollikon,
Willy Belling, Berlin-Schöneberg,
Hans BraB, Stegli^ bei Berlin,
Franz Kysela, Prag,
Motto: »Speed«.
» »Arglos«.
» »Bunte Blumen«.
» »Kaleidoskop«.
» »Audi ein Pelikan«.
» »Ntinii sdioii wieder«.
» »Auf der Hülle«.
» »Farbe«.
» »Vogel«.
» »F. K. 78«.
ALS PREISRICHTER:
PROFESSOR VETER BEHRE.NS, NF.UB.\BEI_SBER«, PROFESSOR DR. HAUPT, H.\NNOVER,
PROFESSOR KARL HOFFACKER, KARLSRUHE, PROFESSOR H. SCHAPER, HANNOVER
UND ALS INHABER DER FIRMA SEN.\TOR FRITZ BEINDORFF, HANNOVER.
ZU dem Wettbewerb schreibt eine Hannov.
Zeitung: Nicht nur das Inland, sondern
auch das .\usland hat sich an der Konkurrenz
beteiligt. England mit 2Ü0 Entwürfen, Österreich
gar mit 250, und auch die Künstlerschaft roma-
nischer Nationalität ist stattlich vertreten. Es
ist eine verwirrend bunte und vielgestaltige (ie-
sellschaft, die dem Beschauer in den mehr als
2500 Arbeiten entgegentritt. In jedem der daran
beteiligten Künstler hat das Problem andere
1909. XII. 6a.
FRANZ sr^sl k Wll \
^siSiSS^giSfimmmmmm
/S\ II I I' K l'KriS.
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minan-Jujcäen
3tinthcr3Va9ncr
'(hannoveran<>dV4cn.
/~VTT-.: "tllincjtnbubjrl. •■
i'AUL ifoscH i;i;rij.\.
Kl.N IV. PKLl.s. 1-. BÜSCOVITS ZOLLIKÜ.N.
i;iN 1\ . PRKl.^.
''^ca0il^
i/fyff^mer
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\J^T<?fWH^wRWL ~
HANNOVE.RVND^aiEN
Motto: zwERCcNFAmiiit
\ All) ANDF.RSF.X - KOPENHAGEN.
III. I'KI.IS. WAI.TKR Fl Ksr HKKI.IN.
FIX IV. I>REI.s.
,\i-s DK.M \vi- I 1 in:\vi:KB vv\< hin i.\.\i-;n-1'i aka i \-vk ii.rssn.K itmhk.n.
/c'^^^/rn-/i/i
KUNSTL^f^rAft&W-FAÖftlKEN
HANNOVER
WILN
ÜaiiHan^Öfhichen
dunthcT f^agmr Hinutlarfarben
(Bbri[{<2n(Mannooer und Uicn
H. NAIMAXN-MLNCHF.N.
IIN IV. I'KFI>. MI 1 \ " M'"-! I< Uli N.
I IN i\ . I'KI- 1^.
Formen gezeitigt, wenn
auch von einer über-
wiegenden Anzalil das
vorgeschriebene Plakat-
Wort .Pelikan-Tuschen'
zum Leitmotiv für den
Entwurf insofern erwählt
ist , als sie die Figur
des dickschnäbeligen
RuderfülJlers in irgend
einer Form und Kombi-
nation verwandt haben.
So sieht man denn den
Pelikan in allen Farben
bald allein, bald zu meh-
reren und zwar ruhend
oder in Bewegung, sich
rupfend , mit einander
schnäbelnd , sich be-
kämpfend und so wei-
ter fast in infinitum. So-
gar Musik muß sich das
Tier von einem Bombar-
denbläser vormachen
lassen. Auf anderen F,nt-
würfen sieht man Genien
und Dämonen, .Vthleten
und Gnomen , Ritter
J. B. M.^IER & K. SOVTEK MIN(III\. IISH.I'KII--
rwrm
U J U U U II j u u u U LI
NAHHOVER^DWIEN
fcinnnnnnnnannnnnnnrnnnrnarncnnainnnnnnnnnnndi
THK.V Win.MA.NN - .Mr.\( HF.N.
m schwerer Rüstung und
zierUche Pagen, auch einen
Sankt Georg im Fußkampfe
mit dem Lindwurm, weib-
liche Akte, Rassenbilder,
auf denen weibliche An-
gehörige der Kaukasier,
Aethiopen und Mongolen
sich vorstellen, Heroen und
Modedamen , Mönche am
steilen Arbeits]nilte, kleine
Kinder aut blumigem Anger,
Biedermeier - Motive mit
sinnigen bunten Blumen-
GÜNTHER WAGNER
KiJ^4(TLEnFAnBEN-FABnlKEN
HANNOVED UND WIEN
EIN VIERTER PREIS.
"1 kränzen , komische Zerr-
bilder und ernsthafteste
Porträt- u. Figurenstudien,
Maler und Kinder in der
Beschäftigung mit dem
Tuschpinsel, und — damit
auch ja das Aktuelle nicht
fehle — bringt einer der
Entwürfe eine ganze Flot-
tille von Luftschiffen, »Fas-
son Zeppelin' , die den Na-
men und Ruhm der Gün-
ther Wagnerschen Pelikan-
Tuschen in die Lüfte tragen.
ERNST KN.\r|. .V n^ss. . \l\li Hl.« I1I-KII\.
IN l\ . I'KRIS.
DIE KÜNSTLERISCHE OBJEKTIVITÄT.
Man hat tlas Wort Objektivität zu verdeut-
schen gesucht und es mit »Sachlichkeit«
wiedergegeben. Ist ( )bji-ktivität Sachlichkeit?
Ungefähr ebensowenig als Subjektivität gleich
Persönlichkeit ist. Objektivität erklärt man
vielleicht am besten als den Gehalt an Welt,
der uns aus dem Kunstwerk und seinem Schöp-
fer entgegentritt. ( )bjcktiv können wir den
Menschen nennen, der den unpersönlichen, in
der Welt wirksamen Kräften gewissermaßen
adäquat ist, der gültige, positive Beziehungen
zum Weltganzen, zum Prinzip der Schöpfung
besitzt. Objektivität ist die Bejahung der Schöp-
fung, die freiwillige, lustvolle .\nerkennung und
Bestätigung der Arbeit des Demiurgen. Ob-
jektivität ist Einklang und Religion, sie ist
Anghederung und Übereinstimmung mit dem
Nicht-Ich, sie ist jene Kortsetzung des Schöp-
fungsaktes, die jedem Metischen möglich ist
und in der eigentlich das Ziel jedes einzelnen
Menschenlebens erreicht ist. Und objektive
Kunst heißt diejenige Kunst, welche die Gegen-
stände sozusagen unmittelbar, ohne Mittler zu
uns sprechen läßt. Die anscheinende .Abwesen-
heit eines Mittlers beruht natürlich auf Täu-
schung, denn die Dinge haben keinen Mund
und können immer nur durch ein höchst leben-
diges und persönliches Subjekt zum S|)rechen
gebracht werden. Aber daß man dieses Sub-
jekt nicht spürt, daß es nicht als entstellen-
Silberarbeiten aus der englischen Abteilung der Wiener Kunstschau igog.
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Wilhelm Mkhel-Münclicii :
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COLLIER IN SILBER MIT PERLEN UND STEINEN.
der und einschränkender Faktor empfunden
wird, das eben ist die höchste Leistung der
Kunst, und ihr gilt das rühmende Wort j ob-
jektiv«, von dem diese Zeilen handeln.
Mit »Sachlichkeit- hat diese Objektivität
nur wenig zu tun, wenn man unter Sachlichkeit
die Eigenschaft des Kunstwerkes versteht, die
dargestellten Dinge möglichst klar erkennbar
hervortreten zu lassen. Wenn man Rembrandts
Kunst als objektiv bezeichnet, so will man
damit lediglich das große maßgebende Erleben
der Welt hervorheben, von dem seine Kunst
zehrt. Jenes Erleben der Welt, welches das
Kunstwerk selbständig neben die Schöpfungen
der Natur treten läßt. Objektivität bezeichnet
364
Aus der englischen Abteilung der Kunstschau Wien 190y.
nicht irgend eine Beziehung des Kunstwerkes
auf das Modell oder auf die Dinge überhaupt.
Sondern sie bezeichnet die Autonomie des
Kunstwerkes und seine auf eigenes Recht be-
gründete Existenz. Oder noch besser. Sie be-
zeichnet die Autarkie, die innere Vollkommen-
heit und Selbstgenügsamkeit des Kunstwerkes.
Das stärkste Gegenspiel der Objektivität
stellt der Manierismus dar. Manier liegt
überall da vor, wo wir fühlen, daß hier der
Reichtum der Erscheinungswelt auf die ver-
flachende Ebene eines Subjektes projiziert wurde ;
wo nicht jene Täuschung entsteht, daß die
Welt selbst aus dem Kunstwerke zu uns rede.
Manier entsteht überall da. wo der Ausdruck
Die küustlcrisclic Ohjcktivilät.
Englische Abteilung der Kunstschaii Wien 1909.
nicht frisch und jung aus dem Kample mit
Objekt und Darstcllungsmittel gewonnen wird.
Manier entsteht dann, wenn die Hand des
Künstlers in einer bestimmten Handschrift er-
starrt ist, die vor allem sich selbst durchzu-
setzen bestrebt ist. Wenn Objektivität die Ver-
herrlichung der großen Welt bedeutet, so be-
deutet Manier die Verherrlichung des Suljjektes.
Manier ist die Abwehr aller evolutionistischen
Faktoren, die I.ust am Krstarren. Infolge des
engen, unheilvollen Persönlichkeits - Begriffes,
unter dem unser Kulturkreis seit Stimer leidet,
hat die Tendenz zum Erstarren, zur beding-
ungslosen Salvierung und Apotheose des Sub-
jekts bei uns stark an Boden gewonnen. Man
COLLIER MIT STEINEN UNI) PERLEN.
hat sich daran gewöhnt, Persönlichkeit als einen
Wert an sich zu betrachten und mißt schon der
einlachen Unterschiedenheit die höchste
Bedeutung zu. Dagegen gilt Hebbels feines
Wort: »Positiv individuell sein, daraul komml
es an, denn negativ individuell sind wir
alle«. Also nicht die einfache Unterschieden-
heit macht die Individualität im rühmenden
Sinne des Wortes aus. Der Begriff »Persön-
lichkeit« ist kein bloßer »Blankobegriff« , er
erfordert einen positiven Inhalt. Und dieser
Inhalt ist eben das starke Erleben der Welt.
Persönlichkeit liegt nicht in der Abgrenzung,
sondern in der Erweiterung des Ich. Daraus
geht hervor, daß Objektivität und Persönhch-
365
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CHIN. PORZELLAN-VASE. PERIODE; KANG-HE (UM 1662). CHINESISCHE PORZELLAN-VASE. MING-DYNASTIE.
CHINESISCHE STEIN-ARBEITEN. SCHALE UND RÄUCHER-GEFÄSS IN NEPHRIT (JAUE) GESCHNITTEN.
366
CHINESISCHE STEIX-ARBKITEN. SCHALEN IN NEPHRIT {.lADE) GESCHNITTEN.
I HINKSlKlIlf.
IDKZHI.I.AN-
VASK. I'I'.KUIDK:
YINC.-t HING
\i-M 1723).
SÄMTLICH IM BESITZ DER KUNSTHANDLUNG R. WAGNER BERLIN \V., POTSDAM ERSTRASSE 20a.
Die küiisfleriic/ic Objektivität.
ARCHITEKT EMIL I'IKIHAN MÜNCHEN.
keit nicht Gegensätze, sondern im letzten
Grunde Synonyme sind. Der Mensch ist ein
Spiegel; diesen Spiegel geeignet zu machen,
daß er möglichst viel Welt in sich zusammen-
zieht und auffängt, das ist des Menschen und
des Künstlers vornehmste Aufgabe. Für die
Verschiedenheit der Spiegelbilder ist durch die
Verschiedenheit der Spiegel sattsam gesorgt.
KISSEN MIT AUFGENÄHTEN BANDERN.
Deshalb wird das Streben, immer reichere Be-
ziehungen zum Allgemeinen und Ganzen der
Welt zu erlangen, niemals zu einer Verwischung
der Persönlichkeitskonturen führen. Sondern
dieses Streben ist sogar das einzige Mittel,
die persönliche Linie mit echtem Stoff zu füllen
und restlos klar hervortreten zu lassen.
MÜNCHEN.
WILHELM MICHEL.
I jjMBJ-mttrr? i n ii t,i_B 1 1 1 f iimai tuu&n
ARLHIIKKT
i-:.j. wimmilr-
rÜR lilN
KISSEN.
I. I'KKIS: mi.UHAl ER PRAlK.
II. I'KKIS : Bll.DHAl-Kli KARL STOCK. ]1I. PRKIS: BJLDHAUliR MI-ROKIll-N'.
PREISOICKRÖNTE MEDAILI-UN FÜR DIE ERSTE
INTERNATIONALE Ll*ITSCHIFFAHRT-Af SSTELLUNG
l-KANKFURT A. M. 1909.
Inhalts-Verzeichnis.
BAND XXIV
April 1909— September 1909.
TEXT -BEITRAGE:
Ludwig von Hofmann— Weimar. Von Dr. Stiu
Max Osborn — Berlin .... 3 — 15
Das .isthetische Verhalten. Von Robert
Breuer — Berlin 16 — 19
Die kleinen Mitläufer. Von Paul West-
heim— Berlin 22
Neues aus Bremen. Von Dr. Carl
Schaefer — Bremen 23 — 36
Stil - Brevier. Von Robert Breuer^^
Berlin 37—45
Die Glasmalerei als Architekturglied. Von
Paul Westheim — Berlin . . . 46 — 52
Tote und lebende Schönheit. Von Dr.
Emil Utitz — Prag 53—68
Chinesische Gemälde. Von Dr. Hans
Bethge — Berlin 71 — 84
Eine Wiener Mosaik- Werkstätte. Von B.
Zuckerkandl — Wien 85 — 90
Geschmeide und Edelmetall-Arbeiten von
Goldschmied Emil Lettre — Berlin. Von
Anton Jaumann — Berlin . . . 91 — 96
Neue keramische Arbeiten. Von Dr. Ernst
Zimmermann — Dresden . . 105 — 108
Emil Preetorius. Von Wilhelm Michel
— München 113 — 118
Vom unbewußt schaffenden Künstler. Von
Paul Westheira — Berlin . . . 118-119
Die Arbeit der Kunstgewerbe- Vereine, 19.
Delegierten -Tag zu Malle a. S. Von
Robert Breuer — Berlin . . . 126 — 128
Alfred Mesself —Berlin. Von Dr. Fritz
Wolff — Berlin 129 — 130
Adolf Münzer — München. Von Dr. Georg
Jacob Wolf — München .... 133 — 143
Zeichnende Künste. Von Dr. Hans Bethge
— Berlin-Steglitz 145 — 151
Professor Heinrich Metitendorf — Bensheim.
Von Professor H. Werner . . 153 — 164
Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst.
Von Robert Breuer — Berlin . .
Blumen-Bindekunst. Zu den Arbeiten von
Franziska Brück. Von Anton Jau-
mann— Berlin
Maler Fritz Oßwald — München. Von
Wilhelm Michel — München .
Aus einem Brief an d,is XVIir. Jahrhundert.
Von Dr. R ichard Schaukai — Wien
Von der Freude und vom Afaterial. Von
' H. Lang-Danoli — Darmstadt
Chauvinismus und Landschaft. Von Dr.
E. W. Bredt — München ....
Akademie bildender Künstler in Wien
Die Malerei in ihrer Beziehung zur Bau-
kunst und das moderne Empfinden.
Von Dr. Herrn. Schmitz — Berlin
^L Meurers vergleichende Formenlehre der
Pflanzen. Von M. Seliger — Leipzig
Zweckform und Ornament. Von Otto
Scheffers — Dessau
Imitation und Surrogat. Von Karl Heinr.
Otto
Paul Bürck — München. Von Th. Volbebr
— München
Farben-Wirkungen. Von Dr. Emil Utitz
-Prag
Wandmalerei Kunslgewerbeschule Hamburg.
Von Willy von Beckerath . .
Aufstellung von Monumcntal-Plastik. Von
Dr. A. K. Brinckniann — Aachen .
Buchkunst. Eine Glosse von Dr. Richard
Schaukai — Wien
Königliche Porzellan -Manufaktur — Berlin.
Von Dr. phil. E. Jaff6 — Friede'nau
l'assaden - Entwürfe von Architekt Paul
Würzicr-Klopsch
Max Klingers Wand-Gemälde für die Aula der
Universität Leipzig. Von Paul Kühn
— Leipzig
Seilt
165-
-181
182-
-188
192-
-196
197-
-200
201-
-205
206-
-210
210
21 1-
-219
220-
-232
234-
-238
239-
-245
251-
-257
258-
-269
275-
280
281-
-288
289-
-291
297-
-302
307
310
44
70
75
132
Ausstellung für christliche Kunst — Dussel- Seite
dorf. Von Rob. Breuer — Berlin . 313 — 346
Projekt für die Ausmalung der heiligen
Geistkirche in Düsseldorf. Von Kolo-
man Moser — Wien 349 — 352
Deutsches und ausländisches Kunstgewerbe.
Von H. Lang-Danoli-Darmstadt 359 — 362
Die künstlerische Objektivität. VonWilh.
Michel — München 363 — 368
BEILAGEN:
Gemälde: »Sommerwiese«. Von Ludwig
von Hof mann — Weimar
Gemälde: »Exotischer Tanz«. Von L.
von Hofmann — Weimar
Eß-Zimmer im Hause des Herrn Lloyd-
Direktors Petzet in Bremen. Von
Professor Bruno Paul — Berlin
Chinesisches Gemälde : Bildnis zweier Damen
Chinesisches Gemälde: »Liebespaar« .
Karikatur. Von Emil Preetorius —
Darmstadt
Gemälde: »Badende«. Von Ad. Münzer
— München
Dekorative Panneaux: »Schauspiel und Ge-
sang«, »Tanz und Maskerade«. \'on
Adolf Münzer — München .
Gemälde: »Sommertag«. VonFr. Oßwald
— München
Ansichtskarten : Kaiser -Jubiläums - Huldi-
gungsfestzug. Von Remigius Gey
ling — Wien
Städtebilder der Wiener Werkstätte: Schul-
Professor B. Löffler — Wien und Schule
Professor C. O. Czeschka — Hamburg .
Ansichtskarten. Von Schule Professor B.
Löffler — Wien, von P'. Dellavilla und
von O. Kokoschka — Wien ....
Radierung: »Frühling«. Von Paul Bürck
Radierung: »Die drei Gletscher«. Von
Paul Bürck — München ....
Radierung: »Reigen«. Von Paul Bürck
— München
Marmorbüste und Halbfigur in Bronze. Von
G. A. Bredow — Stuttgart . . .
Wandgemälde: »Homer«. »Aristoteles und
Plato« für die Aula der Univereität Leip-
zig. Von Max Klinger — Leipzig
Gemälde: »Heilige jungfrau mit dem Kinde«.
Von Manzana-Pissarro — Paris .
Holzschnitt »Taufe Christi«. Von Georg
Minne — Laethem
138 — 139
190
241
242—243
244
250
259
265
272. 273
304- 30s
3«2
329
ILLUSTRATIONEN U. VOLLBILDER:
Architektur S. 24, 25 — 28, 30, 31, 210, 211,
281 — 288, 308,309,338,339; Ausstellungsgebäude und
Ausstellungsräume S. 332, 337; Ansichtskarten und
Städtebilder S. 240 — 245; Beleuchtungskörper S. 232 —
235; Blumen-Körbchen und Blumen-Halter S. 88, 89,
182 — 186, 222—225; Braunen S. 91; Bucheinbände
S. 188; Buchschmuck S. 123, 125, 341; Denkmäler
S. 281 — 288; Erker und Fenster S. 166, 209; Ex-
libris S. 123, 248; Fächer S. 289; Gartenanlagen
S. 53 — 61; Gemälde S. 2 — 17, 132 — 143, 190 — 200,
251, 252, 254, 25b, 258, 261—263, 304. 305. 312
— 319; Glasmalereien und Kunstverglasungen S. 46
—49. 33'. 337; Grabmäler S. 50—52, 344—345;
Grundrisse S. 153, 155, 158, 159, 162, 281 — 288,
347; Hallen und Dielen S. 32, 33, 34; Höfe S. 152,
155; Holzschnitte S. 329, 343; Kamine und Öfen
S- 34. 37. 43; Kassetten und Dosen S. 226, 229,
230, 236, 237; Keramik (Tafelgeräle) S. 170, 172 — 175,
218: Keramik (Blumenvasen) S. 171 — 173, 176, 177, 2 19,
297, 298, 300, 302, 307, 366 — 367; Keramik (figürilche)
S. 109 — 112, 220, 299 — 301, 334, 362; Keramik
(ornamentale) S 105 — 107; Kindergartenhäuschen und
Kindermöbel S. 62, 63, 65; Kinderspielzeug S. 66
— 68; Kirchen und kirchliche Kunst S. 295, 312 —
370; Küchen S. 41, 208; Landh.äuser und Villen
S 152 — 164, 202; Lederarbeiten S. 226; Malerei (deko-
rative) S. 19 -22, 70— 83, 138— 139, 276, 277, 279, 324
—328, 332, 333, 347—361; Medaillen S. 370; Musik-
instramente S. loi; Obstkörbchen S. 218, 223, 225, 238;
Metallarbeiten S. 92, 94, 95, 221, 225, 228 — 238, 294
— 296,340 — 342; Möbel (verschiedene) S. 181; Mosaiken
S. 85 — 91, 343 ; Ornamentale Schrift S. 246, 247; Plakate
S. 112, 120; Plastik (figürliche) S. 272, 273, 335 — 336;
Porzellane S. 105 — 107, 109 — 113, 170 — 173, 297
— 302; Radierangen S. 147 — 149, 250, 253, 255,
257. 259, 261, 264, 265, 270; Rauchgarnituren S.
228, 231; Rohimöbel S. 64; Schmucksachen und Gold-
und Silberarbeiten S. 91 — 97, 227, 363 — 365; Spiegel
S. 169; Stickereien und Webereien S. 102 — 104, 126,
178,179, 289—293,368; Studien S. 267, 275, 278 —
280; Tafelgeräte S. 223, 228, 230; Teppiche S. 168;
Teeservice S. 230; Tintenfaß .S. 170; Toilettegarnitur
S. 228; Treppenhäuser S. 204, 205; Türen und Tore
S. 31; Uhren S. 221, 231; Veranda .S. 55; Verkaufs-
lokale S. 211, 212 — 215; Wintergärten S. 29; Zeich-
nungen S. 23, 113 — 119, 144 — 146, 150, 151, 320 —
323; Zimmer: Billardzimmer S. 100; Herren- und Ar-
beitszimmer S. 43, 44, 45, 167; Fremdenzimmer S. 42,
98, 209; Musikzimmer S. 100; Salon und Empfangs-
zimmer S 36, 37; Schlafzimmer S. 38, 39, 99, 165,
166; Speisezimmer S. 35, 40, 46, 47, 98, 99, 207,
216, 217; Vorräume S. 203, 206; Wohnzimmer S. 167.
Namen-Verzeichnis.
Aluminia — Kopenhagen
Ashbee, C. R. — London
Barlach, E — Berlin
Beckerath, Willy von
Beckmann, M. — Hermsdorf
Bcnir^chke, Max — Düsseldorf
Berlin, Kgl. Porzellan-Maniifakdir .
Herlsch, Karl -München
Bethge, Dr. Hans— Berlin . . . 71—841
Beulinger, E. — Heillironn
Brandt, H. — Friedbetg
Bredt, Dr. E. W.— München
Bredow, G. A. — Stutigart
Breuer, Robert — Berlin. . . .16 — 19.
37—45. 126—128.
Brinckmann, Dr. A. E. — Aachen
Brück, Franziska — Berlin
Burg. H. — Gießen
Bürck, Paul — München
Crane, Walter — London
Cooper, Paul — London
Corinth, Ixivis — Berlin
Czcschka, Professor C. O. — Hamburg .
Denis, Maurice— Paris
Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst
— Dresden-München .... 68.
Diwecky. J. — Wien
Eeg, Karl u. Runge, Eduard — Bremen . 26
— 27. 29. 31. 38— 4'- 44-
Eichler, Th. K.— Meißen
Ehmsen, H. — Düsseldorf
Festersen — Berlin
Korstner, Leopold — Wien
Frank, Erna — Berlin
Oewin, J. Chr. — Darmstadt
Geyling, Remigius — Wien
Geyringer, Helene — Wien
Gildemeister, F. R.— Bremen ....
GoUer, Josef— Dresden
Grasegger, Georg — Köln
Groß, Prof. K.— Dresden
Gschwend, Konrad — Hannover ....
Gußmann, Prof. Otto — Dresden ....
Hartz, Wilhelm -Dresden
Haundler, Marie — Wien
Hhschke, Hermann
Hildenbrand, Adolf — Pforzheim ....
Hoffmann, Prof. Josef — Wien ....
Hofmann, Ludwig von — Weimar
Seite
105 — 107
'5'
275 — 280
146
339
297—302
166
45-151
IUI
99
206 — 210
272—273
165—181
281—288
182—186
99
251 — 270
"03
294
3>7
23<>. 243
3 "4- 315
165 — 181
240
45- 5'
1 1 2
343
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85-91
148
98
241
290
53-61
33'
336
342
340
168—169
"3
289. 290
276
343
201—237
2 — 22
Hölzel, Adolf — Stuttgart
Hösel, E. — Meißen
Huber-Feldkirch, Josef — München . .
Hudler, August f
Jaffe, Dr. phil. Ernst — Friedenau
Jahns, Max
Jansen & Meeussen — Bremen ... 30.
32—37. 42.
Jaumann, Anton — Berlin . . . 91 — 96.
Jegglf, J. - Münster
Khnopff, Fernand — Brüssel
Klcesattel, Prof. J. — Düsseldorf ....
Kleinhempel, Erich — Dresden
Klinger, Prof. Max — Leipzig
Klingspor, Gebr. — Offcnb.ich
Kögler, Paul — Hamburg
Kokoschka, O. — Wien
König — Dresden
KreLs, Prof. Wilhelm — Düsseldorf . . .
Krug, J. — Darmstadt
Kühn, Paul — Leipzig
Kühne, Max Hans — Dresden
Kuöhl, Richard — Berlin
L.%ng-Danoli, H. — Darmstadt . 201 — 205.
Lari'ch, Rudolf von — Wien
lüuger, Prof. Max — Karlsruhe 171 — 173.
176.
Lauwcriks, J. L. M. — Düsseldorf
Lettre-, Kmil- Berlin
l.iebermann, Prof. Max — Berlin ....
Löffler, Prof. B.— Wien . . . .220.
Luley, D. — Bremen
Manzana- Pissarro — Paris
Marx-Diestehnann, Lizzie — Dessau
Maßinann, Walter — Hamburg ....
Meißen, Kgl. Sachs. Porzellan-Manufaktur .
Mendes da Costa, Josef — Amsterdam . .
Mergehen, Lud. — Frankfurt
Messel, Prof. Alfred |
Meurer, Prof. M. — Rom
Metzendorf, Prof. Heinrich — Bensheim .
Michel, Wilhelm — München . 113 — 118.
191 — 196.
Minne, Georg — I^ethem
Morris, May — London
Moser, Prof. Kolo — Wien . .226. 230.
238- 337.
Munch, Ed. — Kopenhagen
Münzer, Adolf — München
Seile
3>8.
3'9
1 12
33'
335
297-
-302
278
43
50
182-
-188
340
323
347
'03
304.
305
340.
34'
280
244
1 12
342.
344
104
3'o
168
68
359-
-362
246-
-248
177.
334
332
9«
-97
144.
'47
242-
-245
28
3'2
102
= 75-
278
109-
"3
362
370
129-
-130
220-
-232
152-
-.64
363-
-3O8
329
291
347-
-358
150
132-
-'43
Niemeyer, Prof. Adelbert — München 170.
Nymphenburg, Kgl. BayTische Porzellan-
Manufaktur 170.
Osbom, Dr. Max — Berlin
Oßwald, Fritze-München
Otto, Karl Heinrich
Päßler, O.— Dresden
Paul, Prof. Bruno — Berlin
Pilz, Otto— Dresden
Pirchan, Emil, Architekt — München
Powolny, Mich. — Wien
Prack, W. O.— Frankfurt
Preetorius, Emil — Darrastadt
Prochownick, L. — Berlin
Prutscher, Prof. O.— Wien
Puvis de Chavannes, Pierre -f
Riegel, Prof. Ernst — Darmstadt ....
Riemerschmid, Prof. Rieh. . 165 — 167.
Rochmann— Dresden
Rößler, Paul— Dresden
Rohde, Georg K. — Bremen
Rudel, Johann — Elberfeld
Schäfer, Dr. Karl — Bremen
Schaukai, Dr. Rieh. — Wien . 197 — 200.
Scheffers, Otto — Dessau
Schinnerer, A. — Tenneslohe
.Schmitz, Dr. Hermann — Berlin ....
Schröder, R. A. — Bremen
Scott, Baillie— Bedford
Seliger, Prof. Max — Leipzig
Seuf ert, Robert — Düsseldorf
Simon, Jeanne — Paris
Skovgaard, Joakim — Kopenhagen . . .
Slevogt, Max — Berlin
Seite Seite
172. 173 Stegmayer, Mathilde — Damistadt .... 104
Stief, Karl — Darmstadt 100
172. 173 Stock, Karl — Frankfurt 370
3 — 15 Strathmann, Karl — München 328
190 — 200 Thom-Prikker, Jan— Krefeld 333
239 — 245 Toorop, Jan — Nymwegen .... 320. 321. 322
109 Utitz, Dr. Emil— Prag .... 53—68. 258—269
^^ — ^5 Veil, Theodor — München 338
110. III Vereinigte Werkstätten für Kunst im Hand-
126. 368 werk — München 65 — 67
218-219 Volbehr, Th. — Magdeburg 251 — 257
370 Wagner, Hugo — Bremen . . . . . . 24 — 2b
113 — 125 Wallenfang, M. — Darmstadt 100
145 Walther, C. P.— Meißen 109
236. 307 Wegener, Olga Julia — Berlin 71
313 Wehland, Friedrich 276-^278
296 Wehner, Eduard — Düsseldorf 344. 345
178. 179 Weidemeyer, Carl — Bremen . . 23. 52. 62 — 67
lio Wenig, Bernhard — München 340. 341
326. 327 Werner, Prof. H. — Bensheim .... 153 — 164
46 — 49 Westheim, Paul — Berlin . 22. 46 — 52. 118. 119
188 Wiener Mosaik -Werkstätte 85 — 91
23 — 36 Wiener Produktiv-Genossenschaft ... 290
289 — 291 Wimmer, E. J. — Wien 367
234 — 238 Wislicenus, Else Frau Prof. — Breslau . . 292
149 Witzmann, Karl — Wien 227
211 — 219 Wolf, Dr. Georg Jakob — München . . . 133 — 143
28 Wolff, Dr. Fritz— Berlin 129—130
181. 293 Würzler-Klopsch, Paul — Leipzig .... 308. 309
220 — 232 Zaiser, Ludwig 278 — 280
359 — 331 Zauleck, Chr. — Düsseldorf ...... 345
316 Zimmermann, Dr. Ernst 105 — 108
324. 325 Zuckerkandl, B. — Wien 85 — 90
147
FRANZ CHRISTOPHE — BERLIN. SILHOUETTEN-SCHNITT.
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Deutsche Kunst und Jekoratl
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